7. Februar 2024 · Rubrik: Pestizide

Von der Leyen will Gesetzentwurf zur Pestizidreduktion zurückziehen

Mit der Ankündigung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, den Entwurf für die Pestizidreduktionsverordnung SUR zurückzuziehen, sendet die EU falsche Signale in einer Zeit, in der tagtäglich neue Erkenntnisse zur Bedeutung chemisch-synthetischer Pestizide für den Artenverlust, die Belastung unserer Ressourcen und Auswirkungen auf die Gesundheit publiziert werden.

Bei ihrer gestrigen Rede im Europäischen Parlament, bei der Präsidentin Von der Leyen das Ende der Gesetzesinitiative für eine nachhaltige Verwendung von Pestiziden (SUR) ankündigte, sprach sie von Vertrauen und Polarisierung: „Wir sollten ihnen [den Landwirten] mehr Vertrauen schenken. Lassen Sie mich Ihnen dazu ein Beispiel geben. Die Kommission hat eine Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln vorgeschlagen – mit dem legitimen Ziel, die Risiken der Verwendung chemischer Pflanzenschutzmittel zu verringern. Doch der Vorschlag hat polarisiert.“

Polarisiert haben aus PAN-Sicht die Klientellobbyisten. Allen voran diejenigen von der Pestizidindustrie und die loyal an ihrer Seite stehenden konventionellen Bauernverbände, die sich vorrangig für die chemieintensive, industrielle Landwirtschaft einsetzen, aber nichts gegen das Höfesterben, die umweltschädigenden Agrarsubventionen und die unfairen Vermarktungsstrukturen tun. Sie haben, nachdem der SUR-Vorschlag im Juni 2022 von der EU-Kommission veröffentlicht wurde, alles darangesetzt, Ängste bei Landwirt*innen und Politiker*innen in der EU zu schüren, und sie haben die Notwendigkeit für verbindlicher Maßnahmen und Reduktionsziele bestritten – entgegen wissenschaftlicher Evidenz.

Tausende Wissenschaftler haben sich für die SUR eingesetzt und den falschen Narrativen der Lobbyist*innen wissenschaftliche Erkenntnisse entgegengesetzt. Denn sie wissen, dass konkrete und verbindliche Reduktionsmaßnahmen notwendig sind , um den dramatischen Rückgang der Artenvielfalt, dem Schwund an Bestäubern, an Nützlingen und an Bodenfruchtbarkeit entgegenzuwirken, um unsere essentiellen Wasser- und Trinkwasserressourcen zu schützen, und nicht zuletzt, um die Gesundheit der zukünftigen Landwirtinnen und Landwirte zu schützen, die heute in ihren Wohnräumen mit einem überproportionalem Mix an Pestizidrückständen belastet werden, wie u.a. aktuelle Befunde des europäischen SPRINT-Projekts zeigen. Auch viele Menschen in der EU erwarteten und erwarten endlich “Butter bei die Fische“, wie man im hohen Norden sagt, um Artenvielfalt, Gesundheit und Ernährungssicherheit langfristig durch einen Wandel hin zu einer umweltschonenden, zukunftsfähigen Landwirtschaft zu sichern. Im Jahr 2022 unterschrieben über eine Million Bürgerinnen und Bürger die Europäische Bürgerinitiative “Bienen und Bauern retten!“ und forderten die Reduktion chemisch-synthetischer Pestizide um 80% bis 2030 und einen Totalausstieg bis 2035, verknüpft mit einer entsprechenden Unterstützung für die landwirtschaftlichen Betriebe.

Auf Freiwilligkeit und Einsicht wird schon lange in der Pestizidpolitik und im Pestizidrecht gesetzt doch das Vertrauen der Bevölkerung und auch der Wissenschaft hierin wird durch Untätigkeit immer wieder enttäuscht. Die gestrige Entscheidung der EU-Kommissionspräsidentin ist kein gutes Signal für die anstehende Europawahl. Mit Blick auf eine sich verbreitende „Unser Land zuerst“-Mentalität statt einer gemeinsamen Unionspolitik und die absehbaren Mehrheitsverhältnisse, klingen die Worte von Von der Leyen eher wenig hoffnungsvoll, wenn sie darauf verweist, das Thema wäre nicht vom Tisch.

Die Konsequenzen für das Scheitern verbindlicher Reduktionsziele zahlen wir alle, unsere Kinder und unsere Umwelt.

Siehe auch PAN Europe Statement:
Black Day for Health and Biodiversity: EU Commission withdraws proposal for Pesticide Reduction.