11. September 2023 · Rubrik: Glyphosat

Glyphosat: Schlüsselmechanismus für Krebsentstehung wurde von der EU nicht angemessen berücksichtigt

Eine neue wissenschaftliche Studie belegt schwerwiegende Mängel in der EU-Gesundheitsbewertung von Glyphosat und macht deutlich, dass die europäische Chemikalienagentur ECHA (European Chemicals Agency) die Karzinogenität von Glyphosat nicht angemessen bewertet und sein Potenzial, Krebs zu verursachen, unterschätzt hat. Die ECHA hat nicht nur die in Krebsstudien beobachtete Häufigkeit von Tumoren als irrelevant abgetan, sondern auch Hinweise aus unabhängiger Literatur außer Acht gelassen, dass Glyphosat oxidativen Stress verursacht, einen Mechanismus, der anerkanntermaßen zu Krebs führen kann. Wenn man die Beweise aus Krebsstudien und oxidativem Stress kombiniert, ist das Krebspotenzial von Glyphosat nicht zu leugnen.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA (European Food Safety Authority), die basierend auf der ECHA-Einstufung die Risikobewertung für Pestizidwirkstoffe vornimmt, stützte sich in ihrer Schlussfolgerung somit zu Unrecht auf eine Einstufung als „nicht krebserregend“ durch die ECHA. Dies ist ein entscheidender Fehler. Die Anerkennung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse müsste unweigerlich zu dem Schluss führen, dass die Zulassung von Glyphosat nach EU-Recht nicht verlängert werden kann.

Die Wissenschaftler der Studie zum Oxidativen Stress durch Glyphosat verdeutlichen, wie die beiden EU-Regulierungsbehörden ihre im EU-Pestizidrecht (Verordnung (EG) Nr. 1107/2009) festgesetzte Aufgabe, ein höheres Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu gewährleisten, nicht erfüllen.

Peter Clausing, Toxikologe und Co-Autor der Studie, sagt dazu:

„In unserer Studie zeigen wir, dass oxidativer Stress bei der Bewertung im Vorfeld der RAC-Stellungnahme der ECHA nicht angemessen berücksichtigt wurde. Dies führt zu sehr schwerwiegenden Mängeln bei der Bewertung der potenziellen Gefahren von Glyphosat und der ihnen zugrunde liegenden Mechanismen. Da oxidativer Stress nicht von den OECD-Testrichtlinien abgedeckt wird, ist es von entscheidender Bedeutung, die Ergebnisse von Studien über oxidativen Stress, die in der von Fachleuten überprüften wissenschaftlichen Literatur veröffentlicht wurden, ordnungsgemäß in die Gefahrenbewertung zu integrieren. Die ECHA hat dies in ihrem im Mai 2022 veröffentlichten Gutachten zu Glyphosat versäumt, und die EFSA hat es versäumt, diesen Mangel zu beheben.“

Dies gibt Anlass zu ernster Besorgnis, zumal die Kommission den Vertreter*innen der Mitgliedstaaten auf der bevorstehenden Ad-hoc-Sitzung des SCoPAFF (Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed) Ende dieser Woche ihren Verordnungsvorschlag für die Erneuerung der Zulassung von Glyphosat vorlegen wird.

Umfrage in 6 EU-Ländern zeigt: Bürger*innen lehnen eine Neuzulassung von Glyphosat ab

Die Veröffentlichung der wissenschaftlichen Studie fällt zusammen mit der Veröffentlichung der Ergebnisse einer Umfrage in sechs EU-Ländern (Dänemark, Frankreich, Deutschland, Polen, Rumänien und Spanien), nach der sich zwei Drittel (62 %) der EU-Bürger*innen in diesen Ländern dafür aus sprachen, die Verwendung von Glyphosat in Europa zu beenden. Der Zuspruch für ein Glyphosatverbot war mit 70,5% in Frankreich am höchsten.

Offener Brief an EU-Gesundheitskommissar Kyriakides

In einem offenen Brief an EU-Gesundheitskommissar Kyriakides vom 7. September 2023 informierten die Mitglieder der europäischen „StopGlyphosate“-Koalition die EU Kommission über die neue Studie und betonten, dass Glyphosat  allein aufgrund der Krebsnachweise die Kriterien für eine Zulassung nicht erfüllt.

Die StopGlyphosate Koalition und PAN Germany fordern EU Kommissar Kyriakides in dem Schreiben nachdrücklich auf, die beschleunigte Wiederzulassung von Glyphosat auf der Grundlage der dargelegten Beweise zu stoppen und das Vorsorgeprinzip anzuwenden, das den Kern des EU-Pestizidrechts bildet.

Weitere Informationen: