8. März 2023 · Rubrik: Pestizide

Frauen, Landwirtschaft und Pestizide

PAN Germany Pestizid-Brief 4 – 2023

Frauen machen im Durchschnitt 43 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte weltweit aus. In Deutschland liegt der Ausbildungsanteil von Frauen in der Landwirtshaft bei lediglich 20 Prozent und ihr Beschäftigungsanteil in der Landwirtschaft bei 38 Prozent. In anderen Regionen der Welt sieht dies anders aus. So arbeiten fast 70 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Südasien und mehr als 60 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Afrika südlich der Sahara in der Landwirtschaft.

Ob zur Selbstversorgung in der Subsistenzlandwirtschaft, in informellen oder formellen Arbeitsverhältnissen, Frauen sind routinemäßig giftigen Pestiziden ausgesetzt. Doch so schwierig es ist, in vielen Regionen den tatsächlichen Beitrag der Frauen in der Landwirtschaft zu messen, so schwierig ist es auch, die tatsächlichen Auswirkungen von Pestiziden auf Frauen zu erfassen.

In bestimmten Ländern und beim Anbau bestimmter Kulturen wird ein erheblicher Teil der Pestizide von Frauen ausgebracht, zum Beispiel auf Kaffee- und Obstfarmen in Südafrika, auf Bananenplantagen in Costa Rica oder in Malaysia, wo es allein im Plantagensektor schätzungsweise 300.000 Sprüherinnen gibt. Plantagenarbeiterinnen in Indonesien, Malaysia und auf den Philippinen sind durch das Mischen, Verladen und Versprühen von Pestiziden häufig hochgefährlichen Pestiziden ausgesetzt. Die Arbeitgeber stellen oft keine persönliche Schutzausrüstung (PSA) zur Verfügung, so dass die Frauen improvisieren, indem sie sich Schals um das Gesicht wickeln oder BH-Körbchen als Masken oder Atemschutzmasken verwenden. Wenn Pestizide verschüttet und versehentlich mit ihrem Körper in Kontakt kommen, ignorieren die Frauen dies oder waschen sich im Fluss und arbeiten danach in nasser Kleidung weiter.

Frauen können auch unwissentlich mit Pestiziden in Berührung kommen, wenn sie z. B. Unkraut jäten oder ernten, wofür keine PSA erforderlich scheint. Frauen in Blumenfarmen in Kenia, die mehr mit dem Jäten, Schneiden und Verpacken von Blumen beschäftigt sind als ihre männlichen Kollegen, zeigen häufiger Vergiftungssymptome als die Männer, die das eigentliche Sprühen übernehmen.

Jüngste Zahlen zu Pestizid-Vergiftungen gehen davon aus, dass es jährlich zu 385 Millionen unbeabsichtigter, nicht-tödlicher Pestizidvergiftungen kommt. Dies bedeutet, dass etwa 44 Prozent der in der Landwirtschaft tätigen Weltbevölkerung – 860 Millionen Landwirt*innen und Landarbeiter*innen – jedes Jahr mindestens eine Vergiftung erleiden. Es liegen jedoch keine ausreichenden Daten vor, um die Häufigkeit von Vergiftungen bei Frauen abzuschätzen, da es noch immer an nach Geschlechtern aufgeschlüsselten Daten und einer geschlechtsspezifischen Perspektive in der arbeitsmedizinischen Forschung mangelt. Dieser Mangel wurde auch von der Weltgesundheitsorganisation bestätigt.

Aufgrund traditioneller Geschlechterrollen sind Frauen durch Hausarbeiten wie dem Waschen von Spritzgeräten oder pestizidverunreinigter Kleidung der Männer, mit der Lagerung von Pestiziden oder der Entsorgung von Pestizidbehältern stark mit Pestiziden belastet. In Vietnam ergab eine Studie, dass mehr Mädchen als Jungen angaben, durch das Waschen von Sprühbehältern Pestiziden ausgesetzt zu sein. Studien in Bolivien, Südafrika und Tansania zeigen zudem, dass Frauen aufgrund ihres geringeren Bildungsniveaus und ihres eingeschränkten Zugangs zu Schulungen stärker von Pestiziden betroffen sind.

Auch die Auswirkungen von Pestiziden auf Frauen und Mädchen unterscheiden sich von den Auswirkungen auf Männer und Jungen. Juckreiz im Vaginalbereich, abnormale Menstruationsblutungen und eine hohe Zahl von Tot- und Fehlgeburten gehören zu den Auswirkungen auf die reproduktive Gesundheit, von denen Sprüherinnen in Indonesien und auf den Philippinen berichten. Viele Frauen arbeiten weiter in Arbeitsumgebungen, in denen sie Pestiziden ausgesetzt sind, wenn sie schwanger sind oder stillen. In Südindien ergab eine Studie, dass 68 Prozent der Arbeiterinnen auf Teeplantagen bis einschließlich zum sechsten Monate der Schwangerschaft arbeiten.

Frauen haben im Allgemeinen einen höheren Anteil an Körperfett und speichern daher eher Schadstoffe, die sich im Fettgewebe und in der Muttermilch anreichern können. Zudem haben Frauen einen höheren Anteil an hormonell empfindlichem Gewebe, was sie anfälliger insbesondere für hormonaktive oder das endokrine System schädigende Pestizide macht. Es besteht ein nachgewiesener Zusammenhang zwischen Brustkrebs und bestimmten Pestiziden, die als Brustkrebserreger und Tumorpromotoren wirken. Rückstände von chlororganischen Pestiziden, die sich nur langsam abbauen und in der Nahrungskette bioakkumulieren, darunter auch in der Landwirtschaft verbotene Pestizide wie DDT, wurden bei Brustkrebspatientinnen nachgewiesen. Pestizide werden auch mit Endometriose in Verbindung gebracht, einer schmerzhaften Erkrankung, die zu Unfruchtbarkeit führen und ein erhebliches Risiko für die reproduktive Gesundheit von Frauen und ihr ungeborenes Kind darstellen kann. Pestizide werden von der Mutter über den Mutterleib und das Stillen an das Kind weitergegeben und stehen in Verbindung mit Todesfällen bei Neugeborenen, Geburtsfehlern und geistigen Entwicklungsstörungen oder tiefgreifenden Entwicklungsproblemen bei Kindern. Studien auf dem Gebiet der Epigenetik zeigen zudem, dass die Exposition gegenüber Pestiziden die Genaktivität und die vererbten physiologischen Eigenschaften beeinflussen kann.

Nach Erkenntnissen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) investieren Frauen bis zu 90 Prozent ihres Einkommens wieder in ihre Haushalte. Das erwirtschaftete Geld wird von ihnen für Ernährung, Gesundheit, Schule und einkommensschaffende Aktivitäten ausgegeben. Studien der FAO belegen zudem: Wenn Bäuerinnen den gleichen Zugang zu Ressourcen hätten wie Männer, könnten die Ernteerträge um fast ein Drittel gesteigert werden. Frauen sind nicht nur Motor für Produktionssteigerungen, sondern auch für Veränderungen in der Landwirtschaft. In der Landwirtschaft tätige Frauen im globalen Süden spielen anerkanntermaßen eine Schlüsselrolle beim Übergang hin zu agrarökologischen Anbausystemen.

Dieser Artikel ist in weiten Teilen eine Übersetzung des Artikels „At the forefront of exposure“ von Ilang-Ilang Quiano, PAN Asia Pacific, erschienen im englischen Pesticide Atlas 2022.
Quellen sind dem Atlas zu entnehmen. Für den PAN Germany Pestizid Brief zum Weltfrauentag 2023 wurde der Artikel in Absprache mit der Autorin geringfügig bearbeitet und ergänzt.

Bild: PAN UK