sind Gifte, die dazu bestimmt sind, lebende Organismen zu schädigen oder abzutöten.
Pestizide schaden aber nicht nur den Organismen, die sie bekämpfen sollen. Pestizide schädigen auch Nützlinge, verunreinigen Gewässer und führen zu Vergiftungen und schwerwiegenden Krankheiten bei Menschen.
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21. Dezember 2022 · Rubrik: Pestizide
Es grenzt schon an Realsatire. Während die Weltgemeinschaft in Montreal auf dem UN-Gipfel für biologische Vielfalt (COP 15) eine Halbierung der Pestizidrisiken beschließt, verzögert fast zeitgleich der EU-Rat, diese Pestizidreduktion in der EU rasch und verbindlich auf den Weg zu bringen.
Bis zur letzten Sekunde appellierten die Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“ (EBI) sowie 718 Wissenschaftler*innen an die Entscheidungsträger*innen in der EU, eine Verschleppung der Verhandlungen zur neuen Pestizidverordnung (Sustainable Use Regulation, SUR) noch abzuwenden. Doch nun gab der EU Rat am 19.12.22 dem Vorstoß zahlreicher EU-Mitgliedsstaaten (PAN Germany berichtete) statt, mit dem Hebel einer zusätzlichen Folgenabschätzung die Verhandlungen zum Verordnungsentwurf und damit ein harmonisiertes Vorgehen zur Pestizidreduktion in der EU zu verzögern.
Der Zusammenhang zwischen dem massiven Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und dem Rückgang der Artenvielfalt sowie negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf die weltweite Ernährungssicherheit ist wissenschaftlich belegt. So wundert es auch nicht, dass die weltweite Reduzierung des Pestizideinsatzes eines der wichtigsten Verhandlungsergebnisse des am Montag zu Ende gegangenen Biodiversitätsgipfels der Vereinten Nationen in Montréal war. In der als „historisch“ bezeichneten Abschlusserklärung einigten sich die rund 200 Teilnehmerstaaten darauf, bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz stellen und die Risiken von Pestiziden für Mensch und Umwelt bis 2030 zu halbieren (vgl. BMUV-Pressemitteilung).
In Brüssel konnten sich dagegen die Stimmen durchsetzen, die eine rechtlich verbindliche Verankerung der Pestizidreduktionsziele der Farm-to-Fork Strategie und der Biodiversitätsstrategie in die SUR besonders kritisch gegenüberstehen. Zwar begrüßte der EU-Rat grundsätzlich das Ziel der Kommission, die nachteiligen Auswirkungen des Pestizideinsatzes auf die Umwelt zu verringern und nachhaltige alternative Pflanzenschutzmittel und -methoden zu fördern, dennoch stimmte der EU-Ministerrat am 19. Dezember für eine zusätzliche, bis zu 6 Monate dauernde Folgenabschätzung, bei der die EU-Kommission die vereinbarten Pestizidreduktionsziele noch einmal im Lichte des Russischen Angriffskriegs in der Ukraine betrachten und ergänzende Daten und Informationen generieren solle. Zwar besagt der Beschluss, dass während der Arbeit an der Folgenabschätzung die Verhandlungen am SUR-Entwurf fortgesetzt werden können, jedoch nur zu technischen Fragen und nur für solche Bereiche, die nicht von der Folgenabschätzung betroffen sind. Damit droht in dieser Zeit faktisch ein Stillstand in der fachlich-politischen Debatte um die SUR.
Für PAN Germany zeigen die Forderung nach der Erhebung weiterer Daten und die Auflistung der zu beantwortenden Fragen eindrücklich die eindimensionale Sichtweise auf die Aufgaben und Risiken landwirtschaftlicher Produktion. PAN Germany appelliert nun an die EU-Kommission, schnell, also deutlich vor den sechs Monaten, die Folgenabschätzung vorzulegen und dabei auch die vielen positiven Auswirkungen von Pestizidreduktion zu berücksichtigen. Hierzu zählt auch in der Analyse zu berücksichtigen, wie sich die Reduktion des Pestizideinsatzes bei gleichzeitiger Ausdehnung agrarökologischer Verfahren auf die Resilienz landwirtschaftlicher Systeme und somit auch auf die Stabilität von Erträgen angesichts sich verschärfender klimatischer Extreme auswirkt, welche positiven Effekte die Förderung der biologischen Vielfalt auf notwendige Ökosystemfunktionen, Bodenfruchtbarkeit und Wasserqualität haben und welchen positiven Einfluss der Ausbau alternativer Pflanzenschutzverfahren auf eine größere Unabhängigkeit der europäischen Landwirtschaft von erdölbasierten Rohstoffen hat.
Die Bundesregierung sprach sich in den vergangenen Wochen – anders als die meisten anderen EU-Regierungen – deutlich gegen Verzögerungen bei den Verhandlungen der SUR aus. PAN Germany begrüßt die Position Deutschlands, auch wenn sie sich am Ende leider nicht durchsetzen konnte. Dass die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten offenbar der Lobby der Pestizidhersteller gefolgt ist, ist bitter und behindert den dringend notwendigen Fortschritt hin zu einer ökosystembasierten nachhaltigen Landwirtschaft und Ernährungssicherheit. Im neuen Jahr wird es aus Sicht von PAN Germany darum gehen müssen, den SUR-Entwurf konstruktiv zu verbessern und das Gesetzgebungsverfahren in dieser Amtszeit von EU-Kommission und EU-Parlament abzuschließen. Die Forderungen der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) „Bienen und Bauern retten!“, die von 1,1 Millionen Bürgerinnen und Bürger getragen wird, sind in die Debatten einzubeziehen.
Die Organisator*innen der EBI werden am 24. Januar 2023, von 14.30 bis 18.30 Uhr (mit Live Stream) im Europaparlament den Abgeordneten und der Europäischen Kommission ihre Forderungen zur Pestizidreduktion, zur Wiederherstellung der Biodiversität und zur angemessenen Förderung der Landwirte für diese Maßnahmen vorstellen.
Foto: Gabi Schoenemann / pixelio.de