Hormongifte, sog. endokrine Disruptoren, bilden eine globale Bedrohung für Gesundheit und Umwelt. Sie stören den Hormonhaushalt, ein großes Risiko besonders während der Entwicklung von Mensch und Tier.
Darunter fallen viele Pestizide und Biozide.
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Flufenacet, ein vielverkauftes PFAS-Pestizid von Bayer und BASF, wurde nach Überprüfung von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als endokrin schädlich für Mensch und Umwelt identifiziert. Als endokriner Disruptor kann Flufenacet die Gehirnentwicklung beeinträchtigen. Außerdem setzt das Herbizid Trifluoracetat (TFA) frei, ein mittlerweile ubiquitäter Wasserkontaminant. Diese Neubewertung zeigt – der weit verbreitete Einsatz von Flufenacet bei gängigen Kulturpflanzen gefährdet sowohl Landwirt*innen als auch Verbraucher*innen. Eine Koalition aus 49 Umwelt- und Gesundheitsorganisationen – darunter PAN Germany – fordert in einem Schreiben die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Flufenacet sofort für die weitere Verwendung zu verbieten.
In Deutschland sind momentan 36 Mittel mit dem Wirkstoff Flufenacet zugelassen. In dem gemeinsamen Brief, der u.a. an das zuständige Landwirtschaftsministerium BMEL und an das Umweltministerium BMUV versendet wurde, wird ein sofortiger Widerruf dieser Mittelzulassungen ohne Abverkauf- und Aufbrauchfristen gefordert. Aufgrund der neuen besorgniserregenden wissenschaftlichen Erkenntnisse ist dieser Schritt nicht nur zu rechtfertigen, sondern die europäische Pestizidverordnung sieht dieses Verfahren über den Artikel 44 explizit vor.
Vom zuständigen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL, wurde mittlerweile ein Anhörungsverfahren der Zulassungsnehmer initiiert. PAN Germany begrüßt, dass damit bereits der erste formale Schritt zum Widerruf der Zulassungen für Produkte auf Flufenacet-Basis initiiert wurde und erwartet, dass das BVL noch in diesem Jahr die sofortige Aufhebung der Zulassungen ohne Aufbrauchfristen vollzieht. Angesichts der erheblichen Risiken, die von Flufenacet und dem Abbauprodukt TFA ausgehen, ist dies für den Schutz der deutschen Landwirt*innen, der Bevölkerung und der Umwelt eine notwendige Maßnahme, auch wenn das absehbare Verbot von Flufenacet auf EU-Ebene noch aussteht.
In den Schlussfolgerungen der EFSA wird Flufenacet als endokriner Disruptor bezeichnet, der sich auf die Schilddrüsenhormone auswirkt [1]. Die Störung der Schilddrüsenfunktion kann die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen und Schwangere und Neugeborene einem unnötigen Risiko aussetzen. Flufenacet ist auch eine Per- und Polyfluoralkylsubstanz (PFAS), die zu TFA abgebaut wird, einer persistenten und hochmobilen PFAS, die die europäischen Wassersysteme, einschließlich unserer ursprünglichsten Gewässer, verunreinigt [2]. Da TFA als fortpflanzungsgefährdend eingestuft wird, sollte sein Vorkommen im Grund- und Trinkwasser den gesetzlichen Grenzwert von 0,1 µg/L nicht überschreiten – ein Schwellenwert, der laut EFSA weit überschritten wird. Vor kurzem kam eine Gruppe von Wissenschaftler*innen zu dem Schluss, dass TFA in unserem Trinkwasser die Kriterien einer planetaren Grenzbedrohung für neuartige Stoffe erfüllt [3].
Flufenacet ist seit über 20 Jahren zugelassen, da die Pestizidindustrie die Vorlage von Sicherheitsdaten immer wieder verlängerte und verzögerte. Es wird hauptsächlich als Herbizid bei Winterkulturen wie Weizen, Gerste und Roggen eingesetzt und ist derzeit in 25 Mitgliedstaaten zugelassen. Seine Verkäufe haben sich in den letzten 10 Jahren in mehreren Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, Deutschland und Belgien, verdoppelt oder sogar verdreifacht, was es zu einem der am meisten verkauften PFAS-Pestizide in Europa macht [4].
Die 49 Organisationen fordern die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, alle rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um den Stoff so schnell wie möglich zu verbieten. Dazu gehört die Entscheidung zur Nichtverlängerung der Wirkstoffgenehmigung auf der bevorstehenden Sitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel Anfang Dezember 2024.
Der Pestizidhersteller BAYER verteidigt dagegen die Verwendung und den Verkauf von Flufenacet und versucht, die Probleme zu ignorieren, indem er behauptet, der Stoff sei sicher [5].
Mehr dazu:
PAN Europe Press release: Top-Selling PFAS Herbicide Flufenacet Confirmed Harmful by EFSA: 49 Environmental Groups Call for Emergency Ban
Quellen:
[1] European Food Safety Authority, Peer review of the pesticide risk assessment of the active substance flufenacet(link is external), September 2024. [2] PAN Europe, TFA in Water: Dirty PFAS Legacy Under the Radar, May 2024; PAN Europe, TFA: The Forever Chemical in the Water We Drink, July 2024. [3] The Global Threat from the Irreversible Accumulation of Trifluoroacetic Acid (TFA)(link is external), Hans Peter H. Arp, Andrea Gredelj, Juliane Glüge, Martin Scheringer and Ian T. Cousins, 30 October 2024. [4] PAN Europe, Bayer and BASF: A business model that pollutes our drinking water?, July 2024. [5] Bayer: Flufenacet absolut sicher(link is external), Top Agrar, 2 november 2024.Bildrechte © drubig_fotolia