ist ein Herbizid zur Bekämpfung von unerwünschter Ackerbegleitflora.
Glyphosat wird in Deutschland und weltweit mit Abstand am häufigsten und mengenmäßig am meisten eingesetzt. Es ist eine Katastrophe für die biologische Vielfalt und eine Gefahr für die Gesundheit.
mehr7. Dezember 2023 · Rubrik: Glyphosat
Am 30. März 2023 hob ein luxemburgisches Verwaltungsgericht acht Entscheidungen der luxemburgischen Regierung zum Verbot von Herbiziden auf Glyphosatbasis auf. Das Gericht führte aus, dass das Verbot von Herbiziden auf Glyphosatbasis möglich ist, aber den EU-Vorschriften gemäß der Verordnung (EU) 1107/2009 (Pestizidzulassungsverordnung) entsprechen müsse. Nach diesem Urteil erklärte Bayer, der weltweit größte Hersteller von Glyphosat, dass Verbote wie diese gegen das EU-Recht verstoßen würden und nicht wissenschaftlich begründet wären [1]. Dies ist nicht richtig.
Der vorliegende Beitrag basiert auf einem Artikel von PAN Europe1. Er legt dar, wie die Mitgliedstaaten rechtlich vorgehen sollten, um Herbizide auf Glyphosatbasis oder andere Pestizidprodukte, die der Gesundheit und der Umwelt schaden, zu verbieten.
Angesichts der jüngst von der EU-Kommission ausgesprochenen Wiedergenehmigung von Glyphosat für weitere 10 Jahre [2], ist die Frage, wie die Mitgliedstaaten den Einsatz von glyphosathaltigen Mitteln national untersagen können, von besonderer Aktualität.
Pestizidprodukte bestehen aus einem oder mehreren Wirkstoffen (z. B. Glyphosat) und einer Reihe anderer Chemikalien (Beistoffe, Safener und Synergisten). Die Wirkstoffe werden auf EU-Ebene bewertet und genehmigt, während die formulierten Pestizidprodukte auf nationaler Ebene bewertet und zugelassen werden.
Wurde ein Pestizidwirkstoff auf EU-Ebene genehmigt, kann der Hersteller nationale Zulassungen für eine oder mehrere Formulierungen mit dem Wirkstoff beantragen. Die EU-Mitgliedstaaten, in denen Zulassungen beantragt wurden, sind dann verpflichtet, für diese Zulassungsanträge eine Risikobewertung in Übereinstimmung mit der Pestizidzulassungsverordnung durchzuführen. Damit soll sichergestellt werden, dass die zugelassenen Pestizide die Gesundheit von Mensch und Tier nicht schädigen und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben. Zu diesem Zweck prüfen die Mitgliedstaaten den Antrag des Pestizidherstellers, der Informationen über das Produkt und eine Reihe von Studien einschließlich Toxizitätsstudien enthält. Diese Studien werden gemäß harmonisierter Vorgaben durchgeführt [3].
Um den Aufwand für die nationalen Regulierungsbehörden zu verringern, regelt die Pestizidzulassungsverordnung die sogenannte zonale Zulassung mit gegenseitiger Anerkennung. Hierfür sind die EU-Mitgliedstaaten drei Zonen – Süd, Mitte, Nord – zugeordnet, in denen jeweils ein Mitgliedstaat als zonaler Berichterstatter (zRMS) die Risikobewertung für ein bestimmtes Pestizidprodukt durchführt. Basierend auf den Schlussfolgerungen des mit der zonalen Bewertung zRMS sind die übrigen Mitgliedstaaten derselben Zone berechtigt, das Ergebnis des zRMS zu akzeptieren oder abzulehnen, „[…] wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt“ (VERORDNUNG (EG) Nr. 1107/2009 Art. 36 (3).
Wenn ein Pestizidprodukt in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, haben die zuständigen nationalen Behörden die Möglichkeit, die Zulassung zu widerrufen, wenn nachgewiesen wird, dass das Pestizid die in Artikel 29 der Pestizidzulassungsverordnung festgelegten Kriterien nicht mehr erfüllt (s. VERORDNUNG (EG) Nr. 1107/2009 Art. 44). Mit anderen Worten: Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass ein Pestizid eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt darstellt, ist ein Mitgliedstaat berechtigt, die Zulassung zu widerrufen. Hebt ein Mitgliedstaat eine Zulassung gemäß dieser Regelung auf oder ändert er sie, so unterrichtet er unverzüglich den Zulassungsinhaber, die anderen Mitgliedstaaten, die Kommission und die Behörde. Das gesamte Verfahren beruht auf dem Vorsorgeprinzip, dargelegt in Artikel 1 (4) der VERORDNUNG (EG) Nr. 1107/2009, der besagt: „Die Bestimmungen dieser Verordnung beruhen auf dem Vorsorgeprinzip, mit dem sichergestellt werden soll, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt nicht beeinträchtigen. Insbesondere ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, das Vorsorgeprinzip anzuwenden, wenn wissenschaftliche Ungewissheit besteht, ob die in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassenden Pflanzenschutzmittel Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt bergen.“
In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wird klargestellt, dass das Vorsorgeprinzip „ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der die betreffenden Behörden verpflichtet, im Rahmen der Ausübung der ihnen durch die einschlägigen Rechtsvorschriften übertragenen Befugnisse geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um bestimmten potenziellen Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt vorzubeugen, wobei den Erfordernissen des Schutzes dieser Interessen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einzuräumen ist, ohne den vollständigen Nachweis der Realität und der Schwere dieser Gefahren abwarten zu müssen. Dieser Grundsatz rechtfertigt insbesondere dann den Erlass restriktiver und objektiver Maßnahmen, wenn das Vorhandensein oder das Ausmaß des behaupteten Risikos nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unzureichend, nicht schlüssig oder ungenau sind, aber die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die öffentliche Gesundheit im Falle des Eintretens des Risikos fortbesteht“[4]*. Dieser Grundsatz erlaubt es also „den Institutionen, in Fällen, in denen wissenschaftliche Unsicherheiten hinsichtlich des Vorhandenseins oder des Ausmaßes von Risiken für die menschliche Gesundheit bestehen, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, ohne abwarten zu müssen, bis das Vorhandensein und die Schwere dieser Risiken in vollem Umfang nachgewiesen sind oder die gesundheitsschädlichen Auswirkungen eintreten“ [5]*.
Derselbe Grundsatz verpflichtet „die zuständigen Behörden, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um bestimmten potenziellen Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt vorzubeugen, wobei den Erfordernissen des Schutzes dieser Interessen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einzuräumen ist“ [6]*.
Mit anderen Worten: Wenn eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, sind die EU- und nationalen Behörden verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt zu ergreifen.
In seinem Urteil [7] vom März 2023 stellt das Verwaltungsgericht klar, dass Luxemburg berechtigt sei, Herbizide auf Glyphosatbasis zu verbieten, es aber versäumt hat, die Regeln von Artikel 44 der Pestizidzulassungsverordnung zu befolgen. Artikel 44 besagt, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie die nationale Zulassung eines Pestizidprodukts zurückziehen wollen, den Zulassungsinhaber von ihrer Absicht in Kenntnis setzen und ihm die Möglichkeit geben müssen, sich zu ihrer Absicht zu äußern. Dies war in Luxemburg nicht geschehen. Darüber hinaus hat es die luxemburgische Regierung versäumt, das Verbot mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu begründen, die belegen, dass Herbiziden auf Glyphosatbasis die Kriterien der Pestizidzulassungsverordnung nicht erfüllen. Die Begründung, die dem Zulassungsinhaber vorgelegt wurde, verwies lediglich auf eine Vereinbarung der Regierungskoalition, Glyphosat verbieten zu wollen. Ein politisches Argument ist als Begründung in der Pestizidzulassungsverordnung nicht vorgesehen. Das Gericht verweist auch auf Artikel 36, der den zonalen Ansatz bei der Risikobewertung und dem Risikomanagement betrifft. Angesichts der Tatsache, dass Belgien als zonaler Berichterstatter-Mitgliedstaat zu dem Schluss kam, dass Herbizide auf Glyphosatbasis sicher seien, hätte der luxemburgische Staat diese Schlussfolgerung unter Hinweis auf die Besonderheiten seines Landes ablehnen müssen. Der Verwaltungsgerichtshof stellte fest, dass eine solche Begründung in der Entscheidung des Ministeriums für das nationale Verbot der Herbizide auf Glyphosatbasis fehlte.
Es gibt eine Fülle von Argumenten, die im Einklang mit den Vorgaben der Pestizidzulassungsverordnung stehen und ein nationales Verbot von Herbiziden auf Glyphosatbasis unterstützen.
Es ist nicht neu, dass Mitgliedstaaten Pestizidprodukte aus Umwelt- oder Gesundheitsgründen verbieten.
Viele EU-Bürger*innen fordern regelmäßig eine Verringerung des Pestizideinsatzes insgesamt bzw. ein Verbot von Glyphosat, um ihre Gesundheit und die Umwelt zu schützen. Ihre Forderungen haben die Bürger*innen unter anderem in zwei Europäischen Bürgerinitiativen (EBIs) zum Ausdruck gebracht: in der EBI von 2022 “ Bienen und Bauern retten“ und der EBI „Verbot von Glyphosat und Schutz von Menschen und Umwelt vor giftigen Pestiziden“ von 2017 [15]. Bemerkenswert ist, dass diese beiden EBIs zu den bislang nur 9 erfolgreichen von insgesamt 107 gestarteten EBIs gehören –ein starkes Plebiszit für eine Welt ohne Schäden durch Pestizide.
Es gibt eine Fülle rechtlicher und wissenschaftlicher Argumente für ein Verbot bestimmter Pestizide, einschließlich Glyphosat. Diese Argumente unterstreichen den Handlungsbedarf für die Behörden. Zugleich bilden sie die Grundlage für juristische Schritte durch die Zivilgesellschaft, wenn die Behörden ihrer Verantwortung nicht nachkommen.
1Beitrag von PAN Europe, übersetzt, redigiert und ergänzt von PAN Germany
*Die Übersetzung der Original-Zitate wurde von PAN Germany vorgenommen. Mögliche Ungenauigkeiten oder Übersetzungsfehler sind unbeabsichtigt. Im Zweifelsfall gilt das englische Original.
[1] https://www.novethic.fr/actualite/environnement/agriculture/isr-rse/le-l… [2] Durchführungs-VO (EU) 2023/2660 als Quelle: https://eur-lex.europa.eu/eli/reg_impl/2023/2660/oj [3] Verordnung (EU) Nr. 284/2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32013R0284 [4] Amongst a many of case law, cf. e.g. C-477/14, Pillbox 38, 4 May 2016, EU:C:2016:324, pt. 55; T- 817/14 Zoofachhandel Züpke and Others v. Commission, 17 March 2016, EU:T:2016:157, pt. 51; T-333/10, ATC and Others v. Commission, 16 September 2013, EU:T:2013:451, pt. 81. [5] See e.g. T-257/07, France v. Commission, 9 September 2011, EU:T:2011:444, pt. 68. [6] Cf. T-74/00 e.a., Artedogan e.a. c. Commission, 26 novembre 2002, EU:T:2002:283, pt. 184. [7] https://justice.public.lu/dam-assets/fr/actualites/2023/47873c.pdf [8] https://videos.iarc.fr/videos/?video=MEDIA190315141153862 at 1:32 and 2:00 [9] Inserm Communication https://presse.inserm.fr/en/inserm-publishes-its-latest-collective-exper… [10] Chang et al. Glyphosate Exposure and Urinary Oxidative Stress Biomarkers in the Agricultural Health Study. J Natl Cancer Inst. 2023 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36629488/ [11] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=CELEX:62017CJ0616 [12] 1107/2009, Anhang II, Punkte 3.6.2 bis 3.6.5 [13] https://www.lemonde.fr/archives/article/2004/05/26/l-insecticide-gaucho-… [14] https://food.ec.europa.eu/system/files/2019-06/pesticides_sup_nap_swe-re…„A ban on killing harmful nematodes in the soil when cultivating crops intended for the production of food or feedstuffs. Growers in Sweden are already using alternative methods to treatment with chemical plant protection products in this area. The ban means that chemicals cannot start being used again on the relevant areas, pursuant to Chapter 2, Section 39a, paragraph 2 of the Swedish Pesticides Ordinance. The ban on their use came into force in July 2015.“
[15] https://citizens-initiative.europa.eu/initiatives/details/2017/000002_de und https://citizens-initiative.europa.eu/initiatives/details/2019/000016_de