In einer aktuellen Presseinformation der Leuphana Universität, Lüneburg, warnen Wissenschaftler vor Gewässerbelastungen durch Fassadenanstriche mit Biozidwirkstoffen.
In einem dreijährigen Verbundforschungsprojekt zeigte sich, dass Biozide in Fassadenanstrichen im städtischen Bereich zu Belastungen der Gewässer beitragen. Bei Regenereignissen werden die umweltgefährlichen Substanzen, die einen Algen- und Pilzbewuchs an der Gebäudefassade verhindern sollen, ausgewaschen und gelangen über verschiedene Wege in Oberflächen- und Grundwässer. Insbesondere Versickerungsanlagen in städtischen Gebieten, die bei Starkregen vor Überflutungen schützen sollen, stellen ein Problem dar, so die Experten. Sammeln sich die ausgewaschenen Biozide in diesen Becken, können sie von dort aus unmittelbar ins Grundwasser gelangen. Untersucht wurden die – im Pflanzenschutz übrigens nicht mehr zugelassenen – Wirkstoffe Diuron, Terbutryn und Octhilinon sowie deren Transformationsprodukte. Die Forscher sprechen sich dafür aus, auf solche Biozide in Anstrichen ganz zu verzichten und Fassaden so zu gestalten, dass biozidhaltige Anstriche nicht mehr notwendig sind.
Das Verbundprojekt untersuchte neben den Transportwegen in die Gewässer außerdem die Abbauprozesse der Biozide und weiterer ausgewählter Pestizide in landwirtschaftlich genutzten Regionen. Sie konnten zahlreiche und sogar eine Reihe ganz neuer Transformationsprodukte identifizieren. Wenn diese im Monitoring mit berücksichtigt werden würden, stiege die Anzahl der notwendigen Analysen auf das Vierfache, außerdem fehle es an Grenzwerten und Umweltqualitätsstandards für diese Substanzen, so die Wissenschaftler.
Eine Kernbotschaft des Verbundforschungsprojekts MUTREWA ist die Vermeidung der Schadstoffeinträge direkt an der Quelle. Die aus dem Projekt abgeleiteten Handlungsempfehlungen für die Praxis sind in dem Bericht „Maßnahmen zum nachhaltigeren Umgang mit Pestiziden und deren Transformationsprodukten im Regionalen Wassermanagement“ zusammengefasst.
Nach Auffassung von PAN Germany sind diese aktuellen Befunde ein weiterer Beleg dafür, dass die staatlichen Stellen die Gewässerüberwachung von Bioziden und von Abbau- bzw. Transformationsprodukten ausbauen und die Eintragspfade aus nicht-landwirtschaftlichen Verwendungen mehr ins Visier nehmen müssen. Vorrangig sind Regelungen und Maßnahmen zur Verringerung des Biozideinsatzes.
So gibt es bezüglich der bewuchshemmenden, biozidhaltigen Fassadenanstriche zahlreiche Alternativen und biozidfreie Vorsorgemaßnahmen für eine ansehnliche Hausfassade, ohne dass bei jedem Regen eine Giftbrühe in den Garten und die Gewässer gespült wird. Beispielsweise sind Wärmedämmverbundsysteme mit dem Blauen Engel Label auf dem Vormarsch. Für kommunale Bauträger, Häuslebauer, Architekten und Bauunternehmen, die eine Vermeidung von Biozidprodukten auf ihre Fahnen schreiben, stellt das Umweltbundesamt „Entscheidungshilfen zur Verringerung des Biozideinsatzes an Fassaden“ zur Verfügung.
Derzeit findet sich auf zahlreichen Etiketten von biozidhaltigen Fassadenanstrichen ein expliziter Hinweis der Hersteller, es handele sich nicht um ein Biozidprodukt, sondern nur um eine Farbe mit einer zusätzlichen bioziden Schutzfunktion. Das hat eine politische Dimension, denn so wird versucht, einer zukünftigen Zulassungspflicht zu entgehen. Dies hätte aber fatale Folgen für den Umwelt- und Gesundheitsschutz und wäre auch nicht im Sinne des Biozidrechts. Vielmehr ist angezeigt, deutlich zwischen normaler Fassadenfarbe und diesen biozidhaltigen Schutzanstrichen zu unterscheiden und letztere grundsätzlich einer Zulassungsprüfung zu unterziehen, genauso wie andere biozidhaltige Schutzanstriche, z.B. Holzschutzmittel oder Antifoulingfarben für Boote und Schiffe. Der Gesetzgeber sollte hier endlich eine rechtlich klare Abgrenzung auch im Interesse der Verbraucher schaffen, denn die Anstriche dienen nicht primär der Farbgebung einer Fassade, sondern dem Fassadenschutz vor Algen- und Pilzbefall und dies unter Inkaufnahme von erheblichen Umweltbelastungen und möglichen Gesundheitsrisiken der Anwender.
Den Biozideinsatz zu mindern ist auch ein Ziel der Diskussionsvorschläge des BMU für Maßnahmen im Rahmen des „Aktionsprogramm Insektenschutz“. Die biozidbezogenen Maßnahmenvorschläge sind zu begrüßen und sollten zügig und wirksam umgesetzt werden. Beispielsweise die Festlegung verbindlicher Sachkunderegelungen, die Einschränkung der bislang unkontrollierten Abgabe bestimmter Biozide im Handel sowie Anwendungsverbote in ökologisch besonders schutzbedürftigen Bereichen, darunter Schutzgebiete im Sinne des Naturschutz- und Gewässerschutzrechts sowie Flächen angrenzend an Gewässer, Flächen mit Grundwasserkontakt und Überflutungsflächen. Zu diesen „bestimmten Bioziden“ zählen nach Auffassung von PAN Germany nicht nur Schädlingsbekämpfungsmittel oder Antifoulings, sondern auch die umweltbelastenden Schutzanstriche für Fassaden.
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