Unterstützung von Kommunen beim Verzicht auf schädliche Biozide

Hamburg, 16.12.2021: Rund 70 Mal werden Kommunen im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung erwähnt, denn hier werden lokal und bürgernah wichtige politische Maßnahmen umgesetzt, die u.a. für das Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele von zentraler Bedeutung sind. Gerade bei der Gestaltung einer giftfreien Umwelt zum Wohl ihrer Bürgerinnen und Bürger spielen Städte und Gemeinden eine wichtige Rolle. Die Umweltschutzorganisation PAN Germany unterstützt Kommunen mit einem aktuellen Faltblatt bei Fragen rund um den Einsatz von sogenannten Bioziden.

Verantwortliche vor Ort finden darin auf einen Blick Informationen und Beispiele, in welchen Bereichen die Verwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln, Holzschutzmitteln, Bautenschutzmitteln oder Antifoulinganstrichen verringert oder durch nicht-chemische Verfahren ersetzt werden können. Auch Empfehlungen zum umsichtigen Einsatz von Desinfektionsmitteln bietet das Informationsblatt.

Susanne Smolka, Biologin und Biozid-Expertin bei PAN Germany sagt: „Viele Kommunen sind bereits aktiv und verzichten beispielsweise auf den Einsatz von Glyphosat und andere Pestizide auf ihren Grünflächen. Wir möchten Kommunen dazu motivieren, ein vergleichbares Engagement auch bei Bioziden zu zeigen, damit Arbeitnehmer*innen, Bürger*innen und die Umwelt besser vor unnötigen Verwendungen dieser potenziell gefährlichen Mittel geschützt werden. Für Kommunen gibt es viele Bereiche dies umzusetzen – im kommunalen Beschaffungswesen, bei der Auftragsvergabe und in vielen weiteren Bereichen.“

Ein kürzlich abgeschlossenes Projekt der Universität Würzburg, gefördert durch das Umweltbundesamt, analysierte die Situation der Biozidverwendung in Kommunen und beschreibt umfassend die Treiber und Hemmnisse auf den Weg zu einer biozidarmen Kommune. In dem Abschlussbericht [2] und den „Praxistipps“ [3] finden kommunale Vertreter*innen vertiefende umfassende Informationen und Anregungen, in welchen Bereichen Kommunen aktiv sein können und verantwortungsvoll auf Biozide verzichten können – ob beim Spielplatzbau oder bei der Vorgabe für Putzmittel.

„Wir begrüßen diese praxisnahen Empfehlungen zur Vermeidung von problematischen Bioziden und hoffen auf entsprechende Initiativen in den Gemeinden,“ so Susanne Smolka von PAN Germany. „Kommunen haben viel Verantwortung – auch was die Überwachung des Verkaufs und der Anwendung von Bioziden angeht. Dazu zählen ab 2022 auch bestimmte Anwendungsverbote in Naturschutzgebieten. Dafür müssen die Kommunen entsprechend ausgestattet und von den Bundesländern und vom Bund besser unterstützt werden“, fordert Susanne Smolka von PAN.

Biozidprodukte gehören wie die sogenannten Pflanzenschutzmittel zu den Pestiziden. Der Zweck von Bioziden ist die Bekämpfung von Schadorganismen zur Durchsetzung von Hygienemaßnahmen, im Rahmen des Gesundheitsschutzes sowie für den Materialschutz. Rund 40.000 Biozidprodukte sind auf dem deutschen Markt. Sie werden direkt oder zur Ausrüstung vieler Gebrauchsgegenstände genutzt. Aufgrund ihrer Zweckbestimmung sind Biozide potenziell gefährlich für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier.

[1] PAN Germany (2021): Nachhaltige Kommune: Vermeidung von Bioziden im öffentlichen Raum

[2] Bogaschewsky R., et al. (2021): Umweltfreundliche Beschaffung und Einsatz von Biozid- Produkten in Kommunen. Weiterentwicklung des Konzepts „Pestizidfreie Kommune“ für den Biozidbereich. Umweltbundesamt (Hrsg.): Umwelt und Gesundheit 05/2021

[3] Umweltbundesamt (2021): Pestizide in Kommunen: Urbane Schädlingsbekämpfung, Bautenschutz und Hygiene – Praxistipps und Beschaffungshinweise.

 

 




Mehr Tierwohl im Stall, um die Wirksamkeit von Antibiotika zu bewahren

Pressemitteilung. Hamburg, 18.11.2021. Für die Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten sind Antibiotika unverzichtbar. Eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier lauert, wenn Antibiotika ihre Wirksamkeit verlieren. Vor diesem Hintergrund ist besonders der regelmäßige Einsatz sogenannter Reserveantibiotika für die Humanmedizin in der Tiermedizin kritisch zu betrachten. Zur Europäischen Antibiotikawoche macht PAN Germany deutlich, dass eine verantwortungsvolle Reduktion des Antibiotikagebrauchs in der Tierproduktion nur durch einen umfassenden Paradigmenwechsel in der Tierhaltung zu Gunsten des Tierwohls erreicht werden kann. Im Verbund mit anderen Verbänden veröffentlicht PAN Germany daher heute den gemeinsamen Antibiotika-Appell für stärkere Regulierung (in) der Tierhaltung.

Die Resistenzbildung gegen Antibiotika ist ein natürlicher Prozess, der durch übermäßigen und unkritischen Einsatz von Antibiotika beschleunigt wird. In der EU verursachen Infektionen durch Erreger mit antimikrobiellen Resistenzen schon heute schätzungsweise 33.000 Todesfälle pro Jahr mit steigender Tendenz.[i] Ohne ein Eingreifen ist ein Anstieg dieser Todesfälle bis 2050 auf 390.000 pro Jahr in Europa und 10 Millionen weltweit anzunehmen.[ii] Resistenzen lassen sich im menschlichen Organismus, in der Umwelt und entlang der Produktion tierischer Erzeugnisse nachweisen. Somit ist auch die Tierproduktion in der Pflicht, Vorsorge zu betreiben und sich bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenz entschlossen zu engagieren.

Mit der neuen EU-Verordnung über Tierarzneimittel wird der Einsatz von Antibiotika zur Kompensation von Haltungsfehlern nicht mehr zulässig sein. Um dieser Vorgabe in der Praxis Rechnung zu tragen, ist ein Paradigmenwechsel in der Tierproduktion und -haltung dringend erforderlich. Maßnahmen und Vorschriften zur Verbesserung der Tierhaltung und zum Erhalt der Tiergesundheit müssen in großem Umfang umgesetzt werden. Tamara Gripp, Referentin für Landwirtschaft und Umwelt bei PAN Germany, appelliert: „Tiergesundheit und Tierwohl müssen zusammen gedacht werden. Dazu gehört auch, kranke Tiere ausreichend zu behandeln. Die effektivste Maßnahme, um den Einsatz von Tierarzneimitteln zu reduzieren ist allerdings, Erkrankungen zu vermeiden. Nur durch eine konsequente Umsetzung von tierwohlfördernden Haltungs- und Zuchtmaßnahmen, kann die Tiergesundheit präventiv erhalten und der Bedarf an Medikamenten wie Antibiotika in der Tierproduktion verantwortungsvoll reduziert werden.“

Besonders bedenklich ist der standardmäßige Einsatz von Antibiotika, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen“ (Critically Important Antimicrobials for Human Medicine) anerkannt wurden. Zu den Antibiotika mit „höchster Priorität für den Menschen“ (CIA HP) gehört u.a. das Polypeptid Colistin, das vielfach in der Schweinemast zum Einsatz kommt.[iii] Mit dem neuen EU-Tierarzneimittel-Recht soll der Gebrauch dieser für den Menschen so wichtigen Antibiotikagruppe endlich streng reguliert werden. Gemeinsam mit anderen Verbänden unterstützt PAN Germany den human- und veterinärmedizinischen Appell an die Europäische Kommission und die zuständigen Ministerien der Mitgliedstaaten, ein klares Zeichen zu setzten und den Antibiotikaeinsatz in der Tierproduktion stärker zu regulieren. Die Kernforderung  des Appells ist, dass die als CIA HP eingestufte Antibiotika für die Einzeltierbehandlung gänzlich ausgeschlossen werden sollen. Außerdem soll im Zuge der Ausgestaltung der neuen EU Tierschutzgesetzgebung sowie nationaler Prozesse zur Umgestaltung der Tierhaltung der Fokus insbesondere auf den Aspekt der Tiergesundheit über Zucht, Haltung und Fütterung gesetzt werden.

Wichtigste Antibiotika bewahren – stärkere Regulierung (in) der Tierhaltung! Ein human- und veterinärmedizinischer Appell! https://pan-germany.org/download/gemeinsamer-antibiotika-appell-staerkere-regulierung-in-der-tierhaltung/

Mehr Informationen zum Thema unter https://pan-germany.org/tierarzneimittel-uebersicht/

 

Kontakt:

Tamara Gripp, MSc. Environmental Management
Referentin Landwirtschaft / Umwelt (Advisor Agriculture / Environment)
PAN Germany – Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (Pesticide Action Network Germany)
Nernstweg 32
D – 22765 Hamburg
Tel. +49 (40) 399 19 10-23
Mobi. +49 (0) 15730349258
E-Mail: tamara.gripp@pan-germany.org

[i] OECD (2019) Antimicrobial resistance. Tackling the burden in the European Union. https://www.oecd.org/health/health-systems/AMR-Tackling-the-Burden-in-the-EU-OECD-ECDC-Briefing-Note-2019.pdf

[ii] AMR review (2016) Tackling drug resistant infections globally. Report and recommendations. https://amr-review.org/sites/default/files/160518_Final%20paper_with%20cover.pdf

[iii] WHO (2018) Critically important antimicrobials for human medicine, 6th revision. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/312266/9789241515528-eng.pdf




Glyphosat – noch knapp drei Wochen öffentliche Konsultation

In der EU ist die Genehmigung von Pestizid-Wirkstoffen zeitlich begrenzt und muss in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Für Glyphosat ist es wieder so weit. Anders als im letzten Wiedergenehmigungsverfahren, als Deutschland sogenannter „Rapporteur Member State“ war, ist dieses Mal ein Zusammenschluss aus vier Ländern für die Bewertung der eingereichten Unterlagen zuständig. Diese „Assessment Group on Glyphosate“ (AGG) – bestehend aus den zuständigen Behörden der Niederlande, Frankreichs, Ungarns und Schwedens – wurde bereits am 10. Mai 2019 mit der Bewertung der Unterlagen im Rahmen des aktuell laufenden Wiedergenehmigungsverfahrens beauftragt.

Nach rund zwei Jahren, am 15. Juni 2021, veröffentlichte die AGG eine neunseitige Mitteilung (https://ec.europa.eu/food/document/download/ba487ec2-3e60-4db2-8bc8-e095cf6e792e_en), in der – ohne Angabe von Details – vorab mitgeteilt wurde, dass diese Bewertungsgruppe Glyphosat weder als erbgutschädigend, noch als krebserregend, noch als reproduktionstoxisch betrachtet.

Insbesondere die Information, dass Glyphosat auch in der Wiederbewertung, also von der AGG, als nicht krebserregend, also nicht einmal „möglicherweise“ krebserregend eingestuft wird, steht in starkem Kontrast zur Einstufung seitens der International Agency for Research on Cancer (IARC), der Krebsagentur der WHO. Insofern wurde der nun öffentlich zugängliche Entwurf des Bewertungsberichts mit Spannung erwartet.

Dieser 10.000-seitige Entwurf wurde am 23. September 2021 veröffentlicht und kann im Rahmen einer öffentlichen Konsultation nun bis zum 22. November kommentiert werden. In der parallel laufenden Konsultation sammeln die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Rückmeldungen zur Risikobewertung und die Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) Rückmeldungen zur Einstufung und Kennzeichnung von Glyphosat. Kommentierungen können (und sollten) somit sowohl gegenüber der EFSA als auch gegenüber der ECHA erfolgen.

PAN beteiligt sich mit seiner Pestizid-Expertise an diesem Konsultationsverfahren.

Kommentierung zum Entwurf des Bewertungsberichts der EFSA

Kommentierung zum Entwurf der Einstufung und Kennzeichnung durch die ECHA




Koalitionsverhandlungen: Über 450.000 Unterschriften für besseren Schutz der Artenvielfalt

PRESSEMITTEILUNG

Erfolgreiche Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ überreicht symbolisch 450.000 Unterschriften an Verhandlungsteam der Ampelkoalition

Berlin, 02. November 2021 – Über 450.000 deutsche Bürgerinnen und Bürger haben die erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“ unterschrieben. Sie haben damit für eine naturnahe und umweltfreundliche Landwirtschaft in Europa gestimmt. Die deutschen Trägerorganisationen der Europäischen Bürgerinitiative, darunter zahlreiche namhafte Umweltverbände, erinnerten die Mitglieder der Verhandlungsteams von SPD, Grünen und FDP heute mit einer Aktion vor dem Bundestag an dieses eindrucksvolle Votum. Sie dringen darauf, dass die neue Bundesregierung die Forderungen der Europäischen Bürgerinitiative in den Koalitionsvertrag aufnimmt, um das Artensterben effektiv zu bekämpfen. Um die Dringlichkeit ihres Anliegens zu verdeutlichen, ließen die Organisationen eine riesige tote Biene vor dem Bundestag schweben.

Zentrale agrar- und umweltpolitische Kernthemen wie der Schutz der Artenvielfalt und eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft wurden im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP nicht ausreichend berücksichtigt. Die Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinitiative fordern die Verhandelnden daher dazu auf, im Koalitionsvertrag konkrete Maßnahmen zu vereinbaren, die dem dramatischen Ausmaß der Biodiversitätskrise angemessen sind. Dazu gehören der Beschluss, bis 2035 aus der Anwendung chemisch-synthetischer Pestizide auszusteigen, ein Sofortverbot für die schädlichsten Ackergifte, ambitioniertere Ausbauziele für den Ökolandbau sowie eine verbesserte Förderung von agrarökologischen Maßnahmen und Honorierung von Natur- und Umweltschutzleistungen durch Landwirtinnen und Landwirte.

Zu den deutschen Unterstützerorganisationen der Europäischen Bürgerinitiative gehören zahlreiche Umwelt- und Naturschutzverbände sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Deutsche Umwelthilfe, Campact, das Umweltinstitut München, die Aurelia Stiftung, das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und das Pestizid Aktions-Netzwerk.

Das Bündnis wendet sich mit eindringlichen Botschaften an die Verhandlerinnen und Verhandler von SPD, Grünen und FDP:

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe:
Der völlig überhöhte Pestizideinsatz in der Landwirtschaft ist ein entscheidender Grund dafür, dass das Sterben von Bienen und anderen Insekten weiter fortschreitet. Das auch im Sondierungspapier erneut beschworene ‚notwendige Maß‘, das schon die bisherigen Bundesregierungen einhalten wollten, ist völlig unzureichend und hat die Pestizide kaum reduziert. Das muss sich mit der neuen Bundesregierung ändern.

Jurek Vengels, Vorstand am Umweltinstitut München:
Um Bienen und Bauern zu retten, brauchen wir jetzt einen radikalen Kurswechsel in der Agrarpolitik. Wir erwarten von der neuen Bundesregierung einen konkreten Fahrplan für den Ausstieg aus der Nutzung chemisch-synthetischer Pestizide, denn andernfalls werden viele Arten bald für immer verschwunden sein. Gleichzeitig muss die Politik dafür sorgen, dass Bäuerinnen und Bauern endlich faire Preise für ihre Leistung bekommen, damit nicht noch mehr Betriebe aufgeben müssen.”

Johanna Bär, Geschäftsführerin Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft:
Ackergifte landen in schützenswerten Naturräumen, auf Bio-Äckern und in unserer Atemluft. Die neue Regierung muss konkrete Maßnahmen im Koalitionsvertrag beschließen, um Mensch und Natur besser zu schützen. Dazu gehört vor allem die Entscheidung zum Ausstieg aus chemisch-synthetischen Ackergiften bis 2035. Nur so kann die dringend benötigte ökologische Agrarwende zu einer enkeltauglichen Landwirtschaft eingeleitet werden.

Susan Haffmans, Pestizidexpertin beim Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany):
Die neue Bundesregierung hat die Chance und Verantwortung, jetzt die Weichen zu stellen, damit den landwirtschaftlichen Betrieben der Ausstieg aus dem chemischen Pflanzenschutz bis 2035 gelingt. Mit einer ambitionierten Förderung nicht-chemischer Pflanzenschutzverfahren und der Einführung einer risikobasierten Pestizid-Abgabe kann es gelingen, die pestizidbedingten Risiken und Kosten für die Umwelt und die Gesundheit zu minimieren und den Weg zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft zu ebnen.

Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND:
„Immer mehr Menschen fordern, das Artensterben endlich zu stoppen. Die neue Bundesregierung ist in der Pflicht, Landwirtschaft fair, sozial und ökologisch zu gestalten und den Ausstieg aus chemisch-synthetischen Pestiziden zu starten. Ein ambitioniertes Pestizidreduktionsprogramm ist dafür unerlässlich.“

Johann Lütke Schwienhorst, Agrarreferent der Aurelia Stiftung:
Mehr als eine Million Europäer*innen haben mit unserer Bürgerinitiative für einen Pestizidausstieg bis 2035 gestimmt, von dem Landwirt*innen und Bienen gleichermaßen profitieren würden. Daraus ergibt sich ein klarer Arbeitsauftrag für die kommende Bundesregierung. Denn ein europaweiter Pestizidausstieg geht nur mit ambitionierter deutscher Agrar- und Umweltpolitik. Wir erwarten ein Bekenntnis zum Pestizidausstieg im Koalitionsvertrag.

Christoph Bautz, Geschäftsführender Vorstand von Campact:
Pestizide müssen als Insektenvernichter Nummer eins endlich von unseren Äckern  verbannt werden. Hinter diese Forderung hat sich eine eindrucksvolle Anzahl an Menschen europaweit gestellt. Allein in Deutschland sind es fast eine halbe Million. Diesem Votum dürfen sich SPD, Grüne und FDP nicht verschließen. Sie müssen konkrete Maßnahmen in ihrem Koalitionsvertrag festhalten – gegen die weitere Anwendung von chemisch-synthetischer Pestizide, für den Erhalt der Artenvielfalt.

Hintergrund: Die Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ hat erfolgreich 1,16 Millionen Unterschriften gesammelt und wird damit die europaweit siebte erfolgreiche Initiative dieser Art sein.  Rund 450.000 der gesammelten Unterschriften kommen aus Deutschland. Die Initiative fordert von der EU-Kommission einen schrittweisen Pestizid-Ausstieg bis 2035, Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt und mehr Unterstützung der Bäuerinnen und Bauern beim Umstieg auf eine pestizidfreie, ökologische Landwirtschaft.

Mehr Infos unter: www.bienenundbauernretten.de

Pressekontakt:

Annette Sperrfechter
Umweltinstitut München e.V.
Pressesprecherin
Tel.: +49 (0) 89 307749-77
as@umweltinstitut.org

Gemeinsames Positionspapier der Trägerorganisationen der Europäischen Bürgerinitiative mit den Forderungen an den Koalitionsvertrag




Neue Studie: Pestizide in unseren Schlafzimmern

Pestizide, die in ländlichen Gebieten eingesetzt werden, gelangen durch Abdrift bzw. über die Luft weit über die Felder hinaus in Gärten und Wohngebiete. Die neue Studie “Pesticides In Our Bedroom“ wurde von der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ initiiert, um auf diesen relevanten Belastungsweg aufmerksam zu machen.
Dafür wurden exemplarisch Hausstaubproben aus Schlafzimmern von Anwohner*innen landwirtschaftlich genutzter Gebiete aus vielen Mitgliedstaaten entnommen. Der jeweilige Haushalt befand sich weniger als 100 m entfernt von einer landwirtschaftlich intensiv genutzten Fläche. Die Proben wurden in einem Speziallabor in Frankreich auf Rückstände von insgesamt 30 Pestiziden untersucht, die in der EU häufig verwendet werden. Die Studie wirft ein erschreckendes Schlaglicht auf die Belastung von Menschen in ländlichen Regionen.

Sämtliche Proben waren mit Pestiziden belastet.
In allen 21 Proben der teilnehmenden Mitgliedsländer konnten Pestizide nachgewiesen werden.
Im Durchschnitt war der beprobte Hausstaub mit 8 Pestiziden kontaminiert. Der höchste Wert wurde dabei in Belgien mit 23 Pestiziden (in einer Probe) festgestellt, gefolgt von Italien mit 13 und den Niederlanden mit 12 Pestiziden.
Es konnten Pestizide nachgewiesen werden, die nach Einschätzung der EU-Behörden in Verdacht stehen, krebserregend zu sein oder hormonell wirksame und fortpflanzungsschädliche Eigenschaften zu besitzen.
Die Studie zeigt, dass viele Menschen EU-weit auch in ihren Wohnungen täglich verschiedenen Pestiziden in unterschiedlichen Konzentrationen und Gemischen ausgesetzt sind.

Die Ergebnisse sind ein weiterer Weckruf dafür, dass synthetische Pestizide dringend durch gesundheits- und umweltschonendere, nicht-chemische Alternativen ersetzt werden müssen. Daher setzt sich die Europäische Bürgerinitiative (EBI) „Bienen und Bauern retten“ für eine pestizidfreie Landwirtschaft in der EU ein. Ziel der EBI ist es, konkrete Maßnahmen auf EU-Ebene in Gang zu setzen, um die Verwendung synthetischer Pestizide in der EU innerhalb von 15 Jahren schrittweise einzustellen, die biologische Vielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen wiederherzustellen und bei diesem Transformationsprozess die Landwirte zu unterstützen. Hierfür müssen EU-weit 1.000 000 Stimmen gesammelt werden, damit die Initiative erfolgreich ist.


Bis zum 30. September 2021 ist noch Zeit, um die Forderungen der EU Bürgerinitiative
zu unterstützen und online zu unterzeichnen:

 „Bienen und Bauern retten
für eine gesunde Landwirtschaft und zum Wohl von Landwirt*innen und unserer Umwelt!

 

 

Weitere Informationen:




Breites Bündnis fordert Pestizid-Ausstieg

Den Ausstieg aus der Anwendung chemisch-synthetischer Pestizide bis 2035 sowie ein Verbot der für die Gesundheit und Umwelt schädlichsten Pestizide innerhalb der nächsten 5 Jahre fordert heute ein Bündnis von mehr als 100 Bio-Unternehmen, Umweltschutzorganisationen, Wasserwirtschaftsverbände und Wissenschaftler*innen in einem offenen Brief an die Bundestagskandidat*innen zur Bundestagswahl 2021 von CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke. Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören neben dem Initiator, dem Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, unter anderen auch das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany).

Zum besseren Schutz von Mensch und Umwelt vor Pestizid-Einsätzen in der Landwirtschaft fordern die Unterzeichner*innen des offenen Briefes außerdem, dass sich die künftigen Bundestagsabgeordneten für Verbesserungen bei der Risikoabschätzung im Rahmen der Pestizidregulierung einsetzen. Betont werden insbesondere die Defizite bei der Berücksichtigung von Umwelt- und Gesundheitsrisiken durch den Ferntransport von Pestiziden über die Luft sowie von Kombinationswirkungen mehrerer Pestizide. Eine weitere wichtige Forderung der Verbände an die zukünftigen Bundestagsabgeordneten ist, sich für die Einführung einer Pestizid-Abgabe ab dem Jahr 2022 stark zu machen. Die Pestizid-Abgabe wurde jüngst in einer, u.a. von PAN Germany unterstützten, wissenschaftlichen Studie als ein sehr wirksames Lenkungsinstrument für das Ziel einer deutlichen Pestizidreduktion identifiziert (s. PAN-Beitrag). Der Einsatz von Pestiziden führt durch die Belastung von Mensch und Umwelt zu hohen Folgekosten für die Gesellschaft. Daher ist der schrittweise Ausstieg aus chemisch-synthetischen Pestiziden für einen Wandel hin zu einer sozialgerechten, ökologischen und klimafreundlichen Land- und Ernährungswirtschaft unerlässlich.

Hier finden Sie den offenen Brief an die Kandidat*innen der Bundestagwahl 2021:
„Breites Bündnis fordert: Steigen Sie ein in den Ausstieg aus der Anwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden!“

 

 




Offener Brief an die Kandidat*innen der Bundestagwahl 2021

Offener Brief an die Wahlkandidat*innen aller demokratischen Fraktionen zur Deutschen Bundestagwahl 2021:
„Breites Bündnis fordert: Steigen Sie ein in den Ausstieg aus der Anwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden!




Gute Nachricht: USA verbieten alle Anwendungen von Chlorpyrifos in der Lebensmittelproduktion

Gestern, am 18. August 2021, hat die US Zulassungsbehörde EPA (Environmental Protection Agency) angekündigt, dass sie alle Verwendungen von Chlorpyrifos in der Lebensmittelproduktion einstellen wird.

Kristin Schafer, Geschäftsführerin des Pesticide Action Network North America (PANNA), gab als Reaktion auf die Entscheidung der EPA die folgende Erklärung ab:

„Gemeinsam mit Partnern im ganzen Land feiern wir diese Entscheidung, die die Gesundheit von Millionen von Kindern, Landarbeitern und Familien in ländlichen Gebieten schützt – und die längst überfällig war. Seit Jahrzehnten liegen die wissenschaftlichen Belege für die Schädlichkeit dieser neurotoxischen Chemikalie vor. Es bedurfte einer hartnäckigen Arbeit der Verbände, einer Überzeugungsarbeit in den Parlamenten der Bundesstaaten und koordinierter rechtlicher Schritte, um die EPA endlich dazu zu zwingen, ihre Arbeit zu machen.“

„Wir gehen davon aus, dass die heutigen Beschlüsse auch zu einem Verbot des Einsatzes von Chlorpyrifos bei Nutzpflanzen führen werden, die als Futtermittel angebaut werden, und dass die EPA in den kommenden Monaten auch Maßnahmen in Bezug auf alle anderen Verwendungszwecke von Chlorpyrifos außerhalb der Lebensmittelproduktion in Betracht ziehen wird. Wir fordern die Behörde auf, auch diese Verwendungen rasch zu verbieten, damit wir uns den 35 Ländern anschließen können, die diese gefährliche Chemikalie bereits vollständig verboten haben.“

„Wir hoffen, dass die heutige Entscheidung ein Zeichen dafür ist, dass diese Behörde Wissenschaft und Gerechtigkeit bei der Entscheidungsfindung über gefährliche Pestizide wieder in den Mittelpunkt stellt. Viel zu lange hatten die Interessen der Pestizidindustrie Vorrang vor dem Schutz der Gesundheit von Kindern oder der Gesundheit derjenigen, die an der Front der landwirtschaftlichen Produktion stehen – Landarbeiter, Landwirte und Familien in ländlichen Gebieten. Es ist an der Zeit, dass sich das ändert.“

PANNA und seine Partner, darunter Wissenschaftler, Landarbeiter sowie kommunale und nationale Organisationen, setzen sich seit dem Jahr 2000 für ein bundesweites Verbot von Chlorpyrifos ein. Im Jahr 2000 wurde die Verwendung von Chlorpyrifos im Haushalt wegen seiner Schädigenden Wirkung auf die Hirnentwicklung von Kindern verboten. Im Jahr 2007 reichte PANNA gemeinsam mit Partnern und dem Anwaltsteam von EarthJustice eine Petition bei der EPA ein, in der ein Verbot von chlorpyrifoshaltigen Produkten in der Landwirtschaft gefordert wurde. Erst 2015 schlug die EPA ein Chlorpyrifos-Verbot für Lebensmittel vor. Diese ausstehende Bundesentscheidung wurde 2017 aufgehoben, eine Entscheidung, die PANNA und seine Partner 2018 erneut rechtlich anfochten. Daraufhin ordnete das Gericht im Mai 2021 an, alle Verwendungen von Chlorpyrifos in Lebensmitteln zu verbieten, sofern deren Unbedenklichkeit nicht erwiesen ist. Hierauf reagiert das jetzige Verbot der Verwendung in Lebensmitteln.

Als Reaktion auf die Verzögerung der Maßnahmen auf Bundesebene im Jahr 2017 drängten die Befürworter eines Verbots auf Maßnahmen zum Schutz von Kindern, Arbeitnehmern und Gemeinden auf Bundesstaatenebene. Seit 2018 haben Hawai’i, Kalifornien, New York, Maryland und Maine alle Verwendungen von Chlorpyrifos untersagt, und in mehreren anderen Bundesstaaten wurden ähnliche Maßnahmen in die Wege geleitet.

Quelle: Pressemitteilung von PANNA vom 18.8.2021

 

In der EU sind Chlorpyrifos und Chlorpyrifos-Methyl seit Februar 2020 verboten. Auch hier war ein jahrzehntelanges Engagement von PAN Gruppen und zahlreichen anderen Organisationen für ein Verbot vorausgegangen. Im August 2019 hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) endlich anerkannt, dass das Insektizid Chlorpyrifos für die menschliche Gesundheit schädlich ist und nicht die Kriterien für eine Wiedergenehmigung in der EU erfüllt (PAN Germany berichtete). Am 6. Dezember 2020 fiel dann die lang ersehnte Entscheidung: Die Vertreter*innen der europäischen Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschusses der Europäischen Kommission, der für die Genehmigung von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen zuständig ist (SCoPAFF) stimmten dafür, Chlorpyrifos und Chlorpyrifos-Methyl vom EU-Markt zu verbannen – ein historischer und überfälliger Schritt, urteilten europäische NGOs.




Pestizidabdrift: Antworten auf häufig gestellte Fragen

Immer wieder melden sich betroffene Menschen bei PAN Germany und berichten über gesundheitliche Beeinträchtigungen, über Schäden an Wild- oder Gartenpflanzen und über das Gefühl, der Pestizidabdrift hilflos ausgeliefert zu sein. Zur Beantwortung häufig gestellter Fragen und als Hilfestellung hat PAN Germany wichtige Informationen zu Abdrift in diesem Dokument zusammengetragen.




Aufruf an das EU-Parlament: für Menschen überlebenswichtige Antibiotika nicht in Tierställen einsetzen

Acht Organisationen aus Humanmedizin, Umwelt- und Tierschutz fordern in einem gemeinsamen Schreiben das EU-Parlament Änderungen am Entwurf eines zentralen Rechtsakts der EU-Tierarzneimittelverordnung vorzunehmen, um die Wirksamkeit von Antibiotika für den Menschen zu sichern und die weitere Ausbreitung von Resistenzen gegen Antibiotika zu stoppen.

Die Verbände sehen es als dringend geboten, dass Antibiotika, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO als Wirkstoffe mit höchster Priorität für Menschen – sogenannte „highest prioritiy critically important antimicrobials“ – eingestuft werden, ausschließlich in der Humanmedizin eingesetzt werden sollten. Die Verbände erheben damit ihre Stimme in der Debatte um die Festsetzung von Kriterien zur Identifizierung von Antibiotika, die für die humanmedizinische Anwendung unverzichtbar sind und daher der Behandlung von Menschen vorbehalten bleiben sollten.

Hintergrund des Verbändeschreibens ist die laufende Konkretisierung der neuen EU-Tierarzneimittelverordnung. Hier befindet sich derzeit ein zentraler Rechtsakt in der Prüfung durch den Umwelt-Ausschuss des EU-Parlaments. Dessen Votum wird maßgeblich für die endgültige Entscheidung sein.

Die mitzeichnenden Organisationen in alphabetischer Reihenfolge: Ärzte gegen Massentierhaltung, Cystic Fibrosis Europe, Deutsche Umwelthilfe, Germanwatch, Greenpeace Deutschland, Mukoviszidose – Bundesverband Cystische Fibrose, Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany), Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft.

Gemeinsames Schreiben der Verbände vom 6.7.2021