EU Kommission darf Versprechen zum Export-Verbot gefährlicher Chemikalien und Pestizide nicht aufgeben

Brüssel/Hamburg, 1.12.22. Im Vorfeld des Welttags gegen Pestizide am 3. Dezember haben mehr als 326 zivilgesellschaftliche Organisationen aus der ganzen Welt, Institutionen und Gewerkschaften eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie ein Verbot der Ausfuhr gefährlicher Chemikalien fordern, die in der EU verboten sind. Sie fordern die Europäische Kommission auf, den versprochenen Legislativvorschlag dazu nicht zu verschieben.

Allein im Jahr 2018 wurden mehr als 81.000 Tonnen Pestizide, die 41 verschiedene gefährliche Wirkstoffe enthalten, deren Verwendung in der Landwirtschaft in der EU verboten ist, von europäischen Konzernen exportiert.

  • Eine von 326 NGOs und Gewerkschaften unterzeichnete gemeinsame Erklärung fordert ein Verbot der Ausfuhr von Pestiziden und anderen gefährlichen Chemikalien, die in Europa verboten sind. Die Erklärung wird heute veröffentlicht.
  • Eine Petition zum Exportverbot, getragen von mehr als 200.000 Bürger*innen aus aller Welt wird heute an EU-Umweltkommissar Sinkevičius übergeben.
  • Heute findet in Brüssel eine Konferenz mit Rednerinnen und Rednern von NGOs und der Gewerkschaftsbewegung, der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und Mitgliedsstaaten statt. Die Veranstaltung gibt Einblicke in die Auswirkungen von Pestiziden auf in der Landwirtschaft Beschäftigte und Gemeinschaften im globalen Süden, stellt Ergebnisse einer neuen Studie über die Ausfuhr verbotener Pestizide sowie Engagement von Mitgliedstaaten zum Verbot von Ausfuhren verbotener gefährlicher Pestizide vor und erörtert den Stand der Dinge in Bezug auf ein EU-weites Ausfuhrverbot.

Die Europäische Kommission hat sich in der EU-Strategie für nachhaltige Chemikalien auf dem Weg zu einer giftfreien Umwelt im Jahr 2020 verpflichtet, „mit gutem Beispiel voranzugehen und im Einklang mit internationalen Verpflichtungen sicherzustellen, dass in der Europäischen Union verbotene gefährliche Chemikalien nicht für den Export hergestellt werden, unter anderem durch Änderung der einschlägigen Rechtsvorschriften, falls erforderlich“. Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2023 enthält jedoch keine rechtlichen Maßnahmen, um diese Praxis zu stoppen.

Eine Sprecherin der zivilgesellschaftlichen Koalition sagte: „Dies sollte für die EU eine Selbstverständlichkeit sein, um schnell zu handeln. Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen wie Marokko, Südafrika, Indien, Mexiko, Malaysia oder Brasilien werden mit gefährlichen Pestiziden überschwemmt, die in der EU verboten sind, nicht sicher verwendet werden können und verheerende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben, was zu weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen führt. Darüber hinaus gehören diese Länder zu den größten Exporteuren von landwirtschaftlichen Erzeugnissen in die EU, so dass verbotene Pestizide auf den Tellern der EU-Bürger landen könnten.“

Gemeinsame Erklärung von NGOs und Gewerkschaften zum Exportverbot

Siehe auch original der Englischen Pressemitteilung des NGO-Bündnisses vom 1.12.22




1 Million EU-Bürger*innen fordern von der EU-Kommission: Rettet Bienen und Bauern

Am Freitag, den 25. November 2022, überbrachten Vertreter*innen der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ offiziell die Botschaft von 1,1 Mio. EU-Bürger*innen an EU Vizepräsidentin Jourová und EU Kommissar Kyriakides: Wir wollen ein Ende des chemisch-synthetischen Pflanzenschutzes! Um die biologische Vielfalt wiederherzustellen und die Gesundheit der Bürger*innen zu schützen, muss der Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden bis 2030 stark reduziert und bis 2035 vollständig beendet werden. Landwirt*innen müssen dabei unterstützen und müssen dabei unterstützt werden, diese Ziele zu erreichen. EU Kommission und EU Parlament sind nun in die Pflicht genommen, sich mit den Forderungen der erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative zu befassen. Dies geschieht zu einem wichtigen Zeitpunkt, da der Verordnungsentwurf der EU Kommission zur Pestizidreduktion „SUR“ von der Agrarindustrie und einigen EU-Mitgliedstaaten im EU Rat heftig angegriffen wird.

Der regelmäßige und weitverbreitete Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden belastet Böden und Gewässer, ist Treiber des Artenverlusts und kann zu Vergiftungen mit zum Teil schwerwiegenden Folgen für Anwender*innen, Anrainer*innen und Konsument*innen führen. Ohne gesunde Böden, sauberes Wasser und Artenvielfalt ist eine nachhaltige Landbewirtschaftung und zukünftige Ernährungssicherung nicht möglich.

Über 1 Million EU Bürger*innen unterstützen die Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ und befürworten eine giftfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, die nicht vom Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide abhängig ist. Ihre Kernforderungen sind:

  1. Ein schrittweiser Ausstieg aus der Verwendung synthetischer Pestizide: Bis 2030 soll der Einsatz von synthetischen Pestiziden in der EU-Landwirtschaft schrittweise um 80% reduziert werden. Bis 2035 soll die Landwirtschaft in der gesamten EU ohne synthetische Pestizide arbeiten.
  2. Maßnahmen zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt: Lebensräume sollen wiederhergestellt werden und landwirtschaftliche Flächen sollen zu einem Vektor für die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt werden.
  3. Unterstützung für Landwirt*innen: Die Landwirt*innen müssen bei der notwendigen Umstellung auf Agrarökologie unterstützt werden. Kleine, vielfältige und nachhaltige landwirtschaftliche Betriebe sind zu fördern, der ökologische Landbau und die Forschung im Bereich der pestizid- und gentechnikfreien Landwirtschaft wird unterstützt.

Die Europäische Bürgerinitiative „Biene und Bauern retten“ wurde von Organisationen der Zivilgesellschaft aus verschiedenen Ländern der EU organisiert. In allen EU Mitgliedsstaaten wurden Unterschriften mit den erforderlichen Daten gesammelt, zehn Länder haben die von der EU festgelegte Mindestschwelle erreicht, und die Gesamtanzahl der gültigen Unterschriften wurde erreicht, um die Initiative zu einem offiziellen Antrag auf der Tagesordnung der EU Kommission und des EU Parlaments zu machen. Nach der offiziellen Bestätigung der erfolgreichen Bürgerinitiative muss die EU Kommission nun eine förmliche Stellungnahme dazu geben. Für Januar 2023 wird eine offizielle Anhörung im EU Parlament erwartet.

Offizielle Pressemitteilung der Organisator*innen der ECI vom 28.11.2022




EVENT: An EU-wide ban on the export of banned pesticides and hazardous chemicals: Why do EU policymakers need to act & how?

Hosted by Pesticide Action Network Europe (PAN Europe), SumOfUs, Public Eye, The European Environmental Bureau (EEB), Health and Environment Alliance (HEAL), PAN Germany and Corporate Europe Observatory (CEO).

Where: Residence Palace (Passage room) & Online Webstreaming

When: 1 December 2022, 09:15 – 12:30 CET

Language: English

Programme: The meeting will be chaired by Hans van Scharen & Martin Dermine

09:15 – 10:45 Session 1 The EU’s exports of banned pesticides and their impacts on importing countries

  • Opening by the Chair Session 1, Hans van Scharen, Corporate Europe Observatory, Researcher and campaigner (5 mins)
  • Introduction by Dr. Marcos A. Orellana, United Nations Special Rapporteur on toxics and human rights (prerecorded video) (5 mins)
  • “The impact of pesticides on farmworkers in Africa” (10mins)
    • Mopholosi Morokong, IUF, Occupational Health and Safety Officer for Africa (online)
  • “The EU’s-banned pesticide exports” (10 mins)
    • Laurent Gaberell, Public Eye, Agriculture and food expert, Switzerland
  • “Main findings of a new study on exports of banned pesticides from Belgium” (5 mins)
    • Jonas Jaccard, SOS Faim/Pesticide coalition, Advocacy Officer, Belgium
  • “The voices of the impacted communities” (25 mins)
    • Operação Amazônia Nativa (OPAN) (prerecorded video),
    • Larissa Mies Bombardi, Researcher at the Department of Geography, University of São Paulo, Brazil
    • Fobi Miterand Asoh, Founder of NANNY Africa
    • Member of the One Health Network of Civil Society Organizations of Cameroon (ROOHCAM), Cameroon (prerecorded video)
    • Ahmed Tiamiyu, Executive Director of Community Action Against Plastic Waste (CAPWs), Nigeria (prerecorded video)
  • “Q&A session with participants” (20 mins)

10:45 – 11:00 Coffee break

11:00 – 12:30 Session 2 Why an EU ban on the export of banned pesticides and hazardous chemicals is needed and how to do it.

  • Opening by Chair Session 2, Martin Dermine, PAN Europe, Executive Director (5 mins)
  • “Member States and export bans on pesticides and hazardous chemicals” (20 mins)
    • Ms. Zakia Khattabi, Minister of Climate, the Environment, Sustainable Development, and Green Deal, Belgium
    • Crispin Dowler, Acting Co-Editor, Unearthed, The French pesticide export ban, France
  • “NGOs Joint-Statement, time to put an end to double standards” (10 mins)
    • Nina Holland, Corporate Europe Observatory
  • “Petition to Commissioner Sinkevičius” (5 minutes)
    • Eoin Dubsky, SumOfUs, Senior Campaign Manager
  • “An EU-wide export ban, what is the European Commission planning?” (10 minutes)
    • Patrick Child, Deputy Director General DG ENVI, European Commission
  • “Closing remarks from Members of the European Parliaments (MEPs)” (10 minutes)
    • MEP Maria ARENA (S&D)
    • MEP E. Andrieu (S&D) (TBC)
  • “Q&A session with participants” (20 mins)

 

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Kein Blankoscheck für Glyphosat

Aus dem EU-Berufungsausschuss kommt heute ein wichtiges Signal: Die EU-Mitgliedstaaten verhindern in einer Abstimmung, dass das Auslaufen der Glyphosat-Genehmigung, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, automatisch um ein weiteres Jahr hinausgezögert wird. PAN Europe und PAN Germany begrüßen diese Entscheidung. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Glyphosat ein inakzeptables Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellt.

Gergely Simon, Chemikalienbeauftragter bei PAN Europe, sagt: „PAN Europe gratuliert den Mitgliedstaaten, die sich mutig gegen eine Verlängerung der Glyphosatgenehmigung ausgesprochen haben. Die heutige Abstimmung ist ein starkes Signal an die Europäische Kommission, dass wir Glyphosat ein für alle Mal abschaffen müssen. Die Kommission sollte jetzt auf die europäischen Bürgerinnen und Bürger hören, die in zwei erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiativen das Ende von Glyphosat und schädlichen Pestiziden gefordert haben“.

Glyphosat ist in der EU bis zum 15. Dezember 2022 zugelassen. Die EFSA kündigte im Mai diesen Jahres an, ihre Schlussfolgerungen zu Glyphosat um ein Jahr zu verschieben. Am 14. Oktober gab der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (ScoPAFF) jedoch kein grünes Licht für den Vorschlag der Kommission, die derzeitige Zulassung von Glyphosat um ein Jahr zu verlängern. Die EU-Kommission legte daraufhin Berufung ein, und der Vermittlungsausschuss trat darum heute am 15. November 2022 zur Abstimmung zusammen. Im Ausschuss kam keine Mehrheit für den Vorschlag der Kommission zustande – das ist ein Zeichen für eine kritische Haltung einiger Mitgliedstaaten – wie Deutschland – gegenüber Glyphosat.

Damit ist der Ball erst einmal wieder bei der EU Kommission, die im Fall einer nicht qualifizierten Mehrheit Glyphosat um ein Jahr verlängern kann. Im Falle einer Verlängerung der aktuellen Zulassung um ein Jahr würden die Vertreter der Mitgliedstaaten in der zweiten Jahreshälfte 2023 auf Grundlage der dann vorliegenden Schlussfolgerungen der EFSA und des Kommissionsvorschlags über die Zukunft von Glyphosat entscheiden.

Mehr dazu: siehe Pressemeldung von PAN Europe von heute.




Ausgezeichnet! Pestizidatlas erhält Sonderpreis des Salus-Medienpreises

PAN Germany, BUND und die Heinrich-Böll-Stiftung sind für den Pestizidatlas 2022 mit dem Otto Greither Sonderpreis des Salus-Medienpreises für ihre journalistische Leistung und Aufklärungsarbeit über Pestizide ausgezeichnet worden. Die Jury hatte keine einfache Aufgabe: Über 190 Beiträge wurden eingereicht, so viele wie nie zuvor.

Die Preisverleihung fand gestern im Kulturhaus in München statt. Mitglied der Jury Martina Gatzka würdigte in ihrer Laudatio alle Beteiligten an dem Pestizidatlas. Sie unterstrich die bildungspolitische Bedeutung des Altas, der das Thema Pestizide für ein breites Publikum erreichbar mache und eine wichtige Basis für eine gesellschaftliche Diskussion zu diesem Thema liefere.

„Wir freuen uns über diese Auszeichnung und Würdigung unserer Arbeit, die allen gilt, die an dem Werk mitgewirkt haben. Das sind neben den herausgebenden Organisationen, die vielen Wissenschaftler*innen, deren Studien Eingang gefunden haben, die Landwirt*innen weltweit, die alternative Wege gehen und mit ihrem Praxiswissen zeigen, wie ein „anderes Wirtschaften“ möglich ist, die Autor*innen der Kapitel, das Recherche- und Redaktionsteam sowie die Grafiker*innen und viele Menschen im Hintergrund, ohne die der Pestizidatlas nicht gelungen wäre.“ sagt Susan Haffmans von PAN Germany.

Besonders freut PAN Germany auch, dass der Pestizidatlas zur Inspiration des Instagram-Kanals nachhaltig.kritisch von Ann-Sophie Henne, Robin Jüngling und Annika Le Large diente, die für ihren Instagram Post „Der Pestizidatlas 2022“ mit dem Salus-Nachwuchspreis ausgezeichnet wurden.

  • Der Pestizidatlas informiert auf 50 Seiten in Beiträgen, Karten und Infographiken über den weltweiten Einsatz, den Handel und die Auswirkungen von Pestiziden in der Landwirtschaft
  • Mit dem Salus Medienpreis werden journalistische Leistungen ausgezeichnet, die rund um das Thema nachhaltige Zukunft das Bewusstsein für ökologische Landwirtschaft und eine klimafreundliche, gesunde Lebensweise stärken.

 

 

Videoeinspieler zur Preisverleihung © Salus Gruppe




Pestizide in fast jeder dritten Haarprobe nachgewiesen

Initiiert vom europäischen Netzwerk „Good Food Good Farming“ ließen europawiet 300 Menschen ihre Haare auf Pestizidrückstände testen. Das Ergebnis: In fast jeder dritten Haarprobe (89 von 300 bzw. 29 Prozent) wurden Pestizide nachweisen. Bei Landwirt*innen und anderen in der Landwirtschaft Tätigen lag die Belastung mit 43,5% sogar deutlich höher. Insgesamt konnte die Haaranalyse zeigen, dass Menschen auf dem Land (39.5%) gegenüber Bewohner*innen von kleinen (25.9%) bzw. mittleren und großen Städten (21.8%) deutlich stärker betroffen sind.

Die TOP drei der nachgewiesenen Pestizde waren das Herbizid Prosulfocarb, das Fungizid Tebuconazol und das Insekizid Acetaminiprid.

Mehr Infos beim Netzwerk „Good Food Good Farming“

Zum Bericht




Pesticide Atlas – englische Ausgabe jetzt erhältlich

Seit 1990 ist der weltweite Einsatz von Pestiziden um 80% gestiegen, jährlich erleiden rund 385 Millionen Menschen weltweit Pestizidvergiftungen und manche Pestizide werden mit der Luft über Tausend Kilometer weit verfrachtet.

Diese und weitere Fakten und Daten präsentiert der überarbeitete und heute in englischer Sprache veröffentlichte „Pesticide Atlas – facts and figures about toxic chemicals in agriculture“.

Der Atlas enthält Beiträge und Infographiken zum weltweiten Einsatz und Handel von Pestiziden, beschreibt die negativen Auswirkungen auf Mensch, Gesundheit und Umwelt und zeigt alternative Lösungen auf. Der englische Atlas basiert auf dem deutschsprachigen „Pestizidatlas – Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft“, der im Januar 2022 von BUND, Heinrich-Böll-Stiftung und PAN Germany veröffentlicht wurde.

Für die nun vorliegende englische Ausgabe wurde der Fokus um weitere europäische und internationale Aspekte erweitert. Herausgegeben wurde der englische Pesticide Atlas von BUND, Heinrich-Böll-Stiftung, Friends of the Earth Europe und PAN Europe.

Englische Publikation „Pesticide Atlas – facts and figures about toxic chemicals in agriculture“




Erfolg für Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“!

Heute wurde die Europäische Bürgerinitiative (EBI) „Bienen und Bauern retten“ offiziell von der EU Kommission als erfolgreiche Eingabe anerkannt. Das ist ein großer Erfolg! Über eine Millionen Bürger*innen in der EU haben diese Initiative unterzeichnet.
Sehr groß war die Unterstützung aus Deutschland. PAN Germany sagt DANKE für dieses starke Votum, im Namen aller 200 Organisations- und Unterstützergruppen, die diese Initiative mitgetragen haben. Von bislang 97 EBIs haben nur 7 erfolgreich die Hürde von 1 Million Unterschriften genommen, darunter zwei gegen den Einsatz von Pestiziden, die EBI “STOP Glyphosat” im Jahr 2017 und die aktuelle.

Die EBI „Bienen und Bauern retten!“ hat drei Forderungen gegenüber der EU und den EU-Mitgliedsstaaten formuliert:

  • einen schrittweisen Ausstieg aus dem Einsatz synthetischer Pestizide zu 80% bis 2030 und zu 100% bis 2035,
  • die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen sowie
  • eine finanzielle Unterstützung für Landwirte bei der Umstellung auf agrarökologische Verfahren.

Die nächsten Schritte sind ein Gespräch der Vertreter*innen der EBI, darunter PAN Europe als Hauptorganisator, mit der EU-Kommission und die Durchführung einer Anhörung über die EBI-Forderungen im Europäischen Parlament innerhalb der nächsten drei Monate.

Mehr Statements und Hintergrundinformationen stehen in der gemeinsamen Pressemitteilung von PAN Europe und Global 2000.

 




Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen vor Pestizidbelastungen reichen nicht aus

Hamburg, 4. Oktober 2022. Pressemitteilung. Eine neue Studie, die in der italienischen Provinz Bozen-Südtirol durchgeführt wurde, zeigt, dass trotz der von den lokalen Behörden ergriffenen Maßnahmen zur Verringerung der Pestizidbelastung immer noch synthetische Pestizide, die der menschlichen Gesundheit und der Umwelt schaden können, auf Kinderspielplätzen und Schulhöfen nachgewiesen werden.

Die Studie [1,2], eine Zusammenarbeit von Experten der Health and Environment Alliance (HEAL), des Pesticide Action Network (PAN) Europe, PAN Germany und der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU), wurde in einer der wichtigsten europäischen Anbauregionen für Äpfel und Wein durchgeführt. Die Forscher untersuchten die offiziellen Daten von 306 Grasproben, die zwischen 2014 und 2020 auf 88 nicht landwirtschaftlich genutzten öffentlichen Flächen wie Kinderspielplätzen und Schulhöfen gesammelt wurden.

Die Ergebnisse zeigen, dass die bestehenden lokalen Maßnahmen zur Verringerung der Pestizidabdrift in der Region nicht wirksam genug sind, um die Pestizidexposition in öffentlichen Räumen zu verhindern. Zu diesen Maßnahmen gehören Warnschilder und Einschränkungen der Pestizidausbringung in Bezug auf Tageszeit und Entfernung [3].

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Trotz eines leichten Rückgangs der gemessenen Pestizidrückstände zwischen 2014 und 2020 konnten an 73 % der beprobten Standorte immer noch Rückstände von mindestens einem Pestizid nachgewiesen werden, und im Jahr 2020 wurden an 27 % der Standorte Mehrfachrückstände gefunden.
  • Fluazinam, ein Fungizid, das im Verdacht vorgeburtliche Schäden zu verursachen, und das in Tierversuchen mit Krebs in Verbindung gebracht wurde, wurde an 74 % der kontaminierten Standorte nachgewiesen. Andere bedenkliche Pestizide wurden ebenfalls häufig nachgewiesen, so das Fungizid Captan (60 %) und das Insektizid Phosmet (49 %).
  • Der prozentuale Anteil der Rückstände von Pestiziden, die als schädigend für die menschliche Fortpflanzung klassifiziert sind, ist deutlich gestiegen, und zwar von 21 % im Jahr 2014 auf 88 % im Jahr 2020. Der Prozentsatz der Rückstände von Pestiziden mit spezifischer Organtoxizität, stieg ebenfalls von 0 % im Jahr 2014 auf 21 % im Jahr 2020 [4].
  • Der Prozentsatz der Stoffe mit Potenzial zur Hormonschädigung (89 %) oder zur Verursachung von Krebs (45 %), blieb während des Untersuchungszeitraums unverändert.
  • Würden diese Konzentrationen von Pestizidrückständen in lokal angebauten Lebensmitteln gefunden, so lägen sie um ein Vielfaches über den Werten, die in der EU als sicher für den Verzehr gelten.
  • Der Prozentsatz der nachgewiesenen Pestizidrückstände mit akuter Toxizität für Honigbienen blieb während des gesamten Untersuchungszeitraums hoch.

Diese Ergebnisse stützen sich auf eine frühere Studie, in der Pestizidrückstände in Entfernungen zwischen 5 und 600 Metern von den landwirtschaftlichen Standorten, an denen sie ursprünglich eingesetzt wurden, nachgewiesen wurden [2].

„Eine konsequente Überwachung ist unabdingbar, um die Effizienz von Minderungs-maßnahmen und die Verringerung potenzieller Risiken für Mensch und Umwelt durch gefährliche Pestizide zu gewährleisten“, betont Dr. Caroline Linhart, Hauptautorin der Studie.

In der Europäischen Union werden bei der Risikobewertung von Pestiziden Vorhersagemodelle verwendet, um deren Verteilung in der Umwelt abzuschätzen. Diese Modelle berücksichtigen jedoch keine Daten aus der Praxis.

„Unsere Daten zeigen, dass die offiziellen Risikobewertungen die tatsächliche Exposition von Nicht-Zielorganismen, einschließlich des Menschen, gegenüber Pestiziden zu unterschätzen scheinen. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass das, was wir in dieser Studie gezeigt haben, höchstwahrscheinlich die Situation in anderen Regionen mit intensiver Apfel- und Weinproduktion in Europa und weltweit widerspiegelt“, erklärt Professor Johann Zaller, Mitautor von der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU).

„Die Daten deuten darauf hin, dass es in Regionen mit geringem Abstand zwischen Hausgärten und intensiv behandelten Flächen wie Obstplantagen immer wieder zur Kontamination der Gärten und des dort angebauten Obstes und Gemüses kommt. Das EU-Pestizidrecht von 2009 schreibt vor, alle als besonders gefährlich eingestuften Pestizide („Substitutionskandidaten“) durch weniger gefährliche, am besten durch nicht-chemische Verfahren zu ersetzen. Die Befunde zeigen die Dringlichkeit, diese Regelung endlich umzusetzen“, sagt Mitautor Dr. Peter Clausing, Toxikologe und wissenschaftlicher Berater des Pestizid Aktions-Netzwerks (PAN Germany).

Die Ergebnisse der Studie kommen kurz nachdem die Europäische Kommission einen Entwurf für eine neue Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden (SUR) veröffentlicht hat. Darin werden rechtsverbindliche Reduktionsziele festgelegt, um den Einsatz von Pestiziden in allen EU-Mitgliedsstaaten bis 2030 zu halbieren, insbesondere von solchen, die bekanntermaßen gesundheitsgefährdend sind. Der Vorschlag zielt auch darauf ab, den Einsatz von Pestiziden in allen „sensiblen“ Gebieten, die von der Allgemeinheit genutzt werden oder von ökologischer Bedeutung sind, sowie in einem Umkreis von drei Metern zu verbieten.

Interessanterweise sind mehrere dieser vorgeschlagenen EU-weiten Maßnahmen weniger streng als die der Landesregierung von Bozen-Südtirol, wo Pestizide mit gefährlichen Eigenschaften nicht in Bereichen eingesetzt werden dürfen, die von der Allgemeinheit und von Kindern genutzt werden, und auch nicht in einem Umkreis von 30 Metern von ihnen.

„Unsere Studie zeigt, dass regionale Maßnahmen zur Verringerung der Pestizidbelastung, selbst wenn sie strenger sind als die von der EU-Kommission vorgeschlagenen, einfach nicht ausreichen, um die Exposition von Kindern und der Allgemeinheit gegenüber Substanzen zu verhindern, die das Potenzial haben, Krebs zu verursachen oder die Fortpflanzung zu schädigen. Eine drastischere Reduzierung aller Pestizide und eine deutliche Ausweitung der vorgeschlagenen Pufferzonen auf mindestens 50 Meter sind dringend erforderlich, um die Gesundheit zu schützen“, erklärt Dr. Angeliki Lyssimachou, Senior Science Policy Officer bei HEAL und Mitautorin der Studie.

Kontakt zu den Autor*innen:

Quellen:

  1. Pesticide drift mitigation measures appear to reduce contamination of non-agricultural areas, but hazards to humans and the environment remain’, Science of the Total Environment volume 854 (2022) https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969722059137
  2. Die neue Studie baut auf früheren Untersuchungen auf, die sich mit Pestizidrückständen in Abhängigkeit vom Anwendungsort in Südtirol befasst haben: ‘Pesticide contamination and associated risk factors at public playgrounds near intensively managed apple and wine orchards’, Environmental Science Europe Volume 31 (2019) https://enveurope.springeropen.com/articles/10.1186/s12302-019-0206-0
  3. Im Fall von Bozen-Südtirol hat die Regierung 2014 damit begonnen, zusätzliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor der Exposition gegenüber Pestiziden einzuführen. Dazu gehört eine 30-Meter-Pufferzone für Pestizide der Kategorie „hochgefährlich“ für Gesundheit und Umwelt, wenn sie in der Nähe von öffentlichen Flächen, die von Kindern und der Allgemeinheit besucht werden, zum Einsatz kommen. Nur bei zusätzlichen Schutzmaßnahmen (z. B. Barrieren in Form von Bäumen oder Hecken), kann der Abstand auf fünf oder zehn Meter Pufferzonen reduziert werden.
  4. Die Tabellen der Publikation stehen hier zur Verfügung: https://ars.els-cdn.com/content/image/1-s2.0-S0048969722059137-ga1_lrg.jpg

 




Pesticide Paradise – PAN Europe Report verdeutlicht Versagen des EU-Pestizidrechts

Anlässlich des 60. Jahrestages der Veröffentlichung von Rachel Carsons „Silent Spring“, einem bahnbrechenden Werk, das die Entstehung der modernen Umweltbewegung begründete, präsentiert PAN Europe einen neuen Report, der das Versagen des EU-Pestizidrechts verdeutlicht und auf die Rückstandssituation in europäischem Obst hinweist. Der Report zeigt auf, dass sich die Rückstandssituation bei den gefährlichsten Pestiziden in den letzten 10 Jahren deutlich verschlechtert hat.

Diese besonders gefährlichen Pestizide werden nach der europäischen Pestizid-Verordnung als „Substitutionskandidaten“ klassifiziert. Ihre gefährlichen Eigenschaften werden mit Krebs, Fortpflanzungsschäden und anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht. Ebenso sind die meisten Substitutionskandidaten für die biologische Vielfalt und die Umwelt gefährlich [siehe PAN-Germany Pressmitteilung v. 30.06.2022].

Es ist daher leicht nachvollziehbar, warum die Gesetzgeber 2009 beschlossen, sie zugunsten von weniger gefährlichen Alternativen aus dem Verkehr zu ziehen – nur ist dies nicht geschehen: In mindestens 278 Fällen ist diese Regelung gescheitert wie der Bericht darlegt. Die Ursachen für dieses regulatorische Versagen liegt aus Sicht von PAN Europe in zwei Bereichen.

Erstens enthüllt der Bericht, dass die Europäische Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten das Ziel der EU-Pestizid-Verordnung durch die Verabschiedung von Standards konterkariert haben, die das Ziel der Verordnung aushebeln. Diese Standards wurden von einem externen Gremium erarbeitet, der Europäischen und Mediterranen Pflanzenschutzorganisation (EPPO), welche keiner der für Beamte verbindlichen Transparenzanforderungen folgen muss und die von Vertreter*innen der Industrie stark beeinflusst wird.

Als Grundlage der verabschiedeten EU-Leitlinie dient das EPPO-Dokument, an deren Erstellung Unternehmen wie BASF, DuPont und Syngenta beteiligt waren und was eine interessensgeleitete Einflussnahme darauf nahelegt. Es überrascht daher nicht, dass der von der EU erstellte Leitfaden für die Regulierungsbehörden der Mitgliedsstaaten so ausgestaltet ist, dass Mittel mit Substitutionskandidaten eher weiter zugelassen werden als deren weitere Nutzung zu verbieten, obwohl weniger gefährliche Alternativen zur Verfügung stünden.

Für die zweite Ursache des Scheiterns sind die offiziellen Stellen in den Mitgliedsstaaten verantwortlich. Sie lehnen durchaus praktikable, nicht-chemische Pflanzenschutzmaßnahmen als Ersatzverfahren ab, die laut der Forschung den Einsatz von Pestiziden verringern können.

Spätestens seit 2008 wusste die Europäische Kommission vom Scheitern des Ausstiegsprogramms, ergriff aber keine wirksamen Maßnahmen um die sogenannten Substitutionskandidaten tatsächlich zu substituieren.
Die Leitlinien müssen schnellstmöglich überarbeitet und die Wirksamkeit von nicht-chemischen Alternativen anerkannt werden, fordert PAN Europe in dem Bericht. Andernfalls sei jedes neue Pestizid-Reduktionsziel der EU zum Scheitern verurteilt.

Mehr dazu: