Globales Netzwerk veröffentlicht relevante Instrumente für den weltweiten Ausstieg aus hochgefährlichen Pestiziden

Das Internationale Pesticide Action Network (PAN) hat heute die neuen Updates zweier relevanter Listen veröffentlicht: Die Liste der hochgefährlichen Pestizide (HHP) und die konsolidierte Liste der verbotenen Pestizide. Damit leistet das Netzwerk einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des globalen Ziels, hochgefährliche Pestizide weltweit abzuschaffen. Ein sogenanntes Phase-out von HHPs hatten zuletzt die Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) in ihrer Resolution über hochgefährliche Pestizide sowie die kürzlich verabschiedete Globale Rahmenvereinbarung über Chemikalien (GFC) „Für eine Welt ohne Schäden durch Chemikalien und Abfälle“ gefordert.

Die PAN HHP-Liste bietet einen transparenten Überblick über Pestizidwirkstoffe, die die gemeinsam von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Welternährungsorganisation (FAO) festgelegten HHP-Kriterien und einige ergänzende Kriterien erfüllen, die vom globalen PAN-Netzwerk festgelegt wurden und in der Liste erläutert sind. Die konsolidierte Liste der verbotenen Pestizide enthält länderspezifische Informationen über Pestizidwirkstoffe, die auf nationaler Ebene verboten sind.

Die Liste der verbotenen Pestizide führt insgesamt 568 verschiedene Pestizidwirkstoffe auf, die in einem oder mehreren Ländern der Welt verboten sind. Bei den meisten dieser verbotenen Pestizide handelt es sich um hochgefährliche Pestizide. Dies zeigt, dass die Verwendung von HHP in vielen Ländern bereits schrittweise eingestellt wird. Trotz bereits erzielter Fortschritte sind alle Länder aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um hochgefährliche Pestizide zu verbieten, insbesondere in Asien, Afrika und Lateinamerika, wo die Menschen am meisten unter ihrem Einsatz leiden und wo die meisten dieser Pestizide verwendet werden.

Zu den hochgefährlichen Pestiziden zählen solche, die akut extrem giftig sind, die Krebs verursachen, die Fruchtbarkeit schädigen oder Kinder im Mutterleib schädigen können oder die unter Anwendungsbedingungen schwerwiegende Gesundheits- und Umweltschäden bewirken.

„Die beiden wichtigen Listen, die PAN-International veröffentlicht hat, sind eine große Unterstützung für Afrikas Engagement, HHPs aus der Region und darüber hinaus zu verbannen.“ sagt Dr. Tadesse Amera, Direktor von PAN Äthiopien und Co-Koordinator von PAN International.

„Wir rufen alle am Pestizidhandel Beteiligten auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und zum Ausstieg aus der Nutzung hochgefährlicher Pestizide beizutragen und nicht-chemische Alternativen zu fördern. Die Werkzeuge zur Identifizierung von hochgefährlichen Pestiziden stehen zur Verfügung und Erfahrungen, wie ein Ersatz von HHPs erfolgen kann, ist in zahlreichen Ländern vorhanden. Die Zeit der Ausreden, nicht handeln zu können, ist vorbei.“ sagt Susan Haffmans, Referentin bei PAN Germany und Vorsitzende von PAN International.

Hintergrundinformationen:

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Umwelt-NGOs bringen Glyphosat vor den Europäischen Gerichtshof

Rechtliches Engagement für einen vorzeitigen Zulassungsstopp

Brüssel, Hamburg 11.12.2024. Gemeinsame Pressemitteilung. Gemeinsam mit dem Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) Europe und seinen Mitgliedern – ClientEarth, Générations Futures, Global 2000 und PAN Niederlande – ficht PAN Germany heute die Zulassung von Glyphosat durch die Europäische Union vor dem Europäischen Gerichtshof an.

Die von den NGOs dem Gerichtshof vorgelegte “Klage auf Nichtigerklärung“ basiert auf einer umfassenden wissenschaftlichen und rechtlichen Analyse und benennt gravierende Mängel im Bewertungsverfahren von Glyphosat. Die NGOs belegen: Die EU-Kommission und ihre wissenschaftlichen Agenturen haben wiederholt kritische Studien, die schädliche Wirkungen von Glyphosat dokumentieren, unbegründet ausgeschlossen oder deren Ergebnisse systematisch heruntergespielt und dabei Richtlinien und internationale Standards der Risikobewertung verletzt. Hierdurch wurden Gesundheits- und Umweltrisiken systematisch unterschätzt und die Genehmigung des umstrittenen Unkrautvernichters bis 2033 erneuert.

Es ist enttäuschend, dass die Behörden das Prinzip „Alter Wein in neuen Schläuchen“ verfolgen. Im Januar wurde die EU-Kommission formell von uns aufgefordert, ihre Entscheidung, Glyphosat erneut zu genehmigen, anhand wissenschaftlicher Kriterien zu überprüfen. Was sie jedoch tat, war, die alten Argumente zu wiederholen, um vom wahren Tatbestand abzulenken und auf ihrer zweifelhaften Entscheidung zu beharren.“ erklärt Peter Clausing, Toxikologe beim Pestizid Aktions-Netzwerk Germany.

Antoine Bailleux, der Anwalt der NGO-Koalition, betont: „Es ist legitim, dass die Kommission einen gewissen Spielraum beim Risikomanagement in Zusammenhang mit der Zulassung von Wirkstoffen in Pestiziden hat. Einem solchen Ermessensspielraum sind jedoch Grenzen gesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung muss die Risikobewertung beispielsweise den Grundsätzen der Exzellenz, Transparenz und Unabhängigkeit genügen. Wir sind der Meinung, dass die Bewertung von Glyphosat diesen Qualitätsstandards nicht gerecht geworden ist.

Angeliki Lysimachou, Leiterin des Bereichs Wissenschaft und Politik bei PAN Europe, ergänzt: „Die wissenschaftlichen Agenturen der EU beugten die Regeln, um zu dem Schluss zu kommen, dass Glyphosat sicher sei. Zahlreiche wissenschaftliche Studien, auch von der Industrie, bringen Glyphosat mit möglichen schwerwiegenden schädlichen Auswirkungen wie Krebs und neurologischen Erkrankungen, insbesondere bei Kindern, in Verbindung.

Zu den wichtigsten Argumenten in dem von den NGOs an den EuGH übermittelten Antrag auf Annullierung zählen:

  • Ignorierte Neurotoxizitätsrisiken: Dokumente zeigen, dass renommierte Wissenschafter*innen die EU-Behörden vor einem Zusammenhang zwischen Glyphosat und neurologischen Erkrankungen wie Parkinson oder Autismus, sowie vor kognitiven Defiziten bei Kindern warnten. Diese Risiken wurden im Zulassungsverfahren nicht widerlegt, da die Behörden Studien, die diese Risiken identifizierten, unberücksichtigt ließen.
  • Fehlerhafte Statistiken: Die von EU-Behörden für die Beurteilung von Krebsstudien angewendeten statistischen Verfahren entsprachen – wie schon im vorhergehenden Zulassungsverfahren – nicht den geltenden Leitlinien und führten dazu, dass die statistische Aussagekraft positiver Tumorbefunde aus Tierexperimenten fälschlich herabgestuft wurde.
  • Krebseinstufung durch WHO: Die Bewertung der EU-Behörden von Glyphosat als “nicht DNA-schädigend” und “wahrscheinlich nicht krebserregend” steht nach wie vor in ungelöstem Widerspruch zur Krebseinstufung durch die WHO-Krebsforschungsagentur IARC. Letztere sah erst kürzlich nach Überprüfung des aktuellen Stands der Forschung ihre Einstufung bestätigt und erklärte, dass eine Neubewertung derzeit nicht erforderlich sei.

Hintergrund: Im Dezember 2023 verlängerte die EU-Kommission in einer umstrittenen Entscheidung die Zulassung von Glyphosat um weitere zehn Jahre. Im Jänner 2024 hatten die NGOs bei der EU-Kommission eine interne Überprüfung der Zulassungsentscheidung von Glyphosat beantragt. Diese wurde von der Kommission zurückgewiesen. Nun legen das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) Europe, ClientEarth, Générations Futures, Global 2000, PAN Niederlande und PAN Germany beim EuGH eine “Klage auf Nichtigerklärung” vor. Unterstützt wird die Klage durch Organisationen wie EKO, FoodWatch, ISDE Italy und dem Umweltinstitut München.

Pressekontakte:

 

 

 

 

 




Schutz vor hormonell schädigenden Stoffen noch immer unzureichend

Schutz vor hormonell schädigenden Chemikalien: Ein Jahr nach dem eigenen Aktionsplan – doch die Regierung bleibt untätig

Hamburg/München, 15.10.2024. Gemeinsame Pressemitteilung. Nichtregierungsorganisationen fordern mehr Engagement von der Bundesregierung bei der Umsetzung ihres Aktionsplans zum Schutz vor hormonell schädigenden Chemikalien.

Ein Jahr nach der Vorstellung des Fünf-Punkte-Plans der Bundesregierung zum Schutz vor hormonell schädigenden Chemikalien (Endokrine Disruptoren) ziehen Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen eine ernüchternde Bilanz. Trotz klarer wissenschaftlicher Warnungen und der Zusicherung, den Schutz der Bevölkerung zu verstärken, fehlt es weiterhin an konkreten Maßnahmen und ausreichender Finanzierung. Die gesundheitliche Gefährdung durch Endokrine Disruptoren, die u. a. in Alltagsprodukten wie Plastik, Kosmetika und Reinigungsmitteln enthalten sind, bleibt ungebremst.

Nichtregierungsorganisationen fordern dringendes Handeln

Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen kritisieren die Untätigkeit der Regierung scharf und beschreiben in ihrem heute veröffentlichten Papier konkrete Maßnahmen, um den Schutz der Bevölkerung und der Umwelt sicherzustellen. An jedem weiteren Tag, an dem die Bundesregierung nicht handelt, werden diese schädlichen Chemikalien weiterhin freigesetzt – das geht auf Kosten der Gesundheit heutiger und zukünftiger Generationen sowie unserer Umwelt, kritisieren die Initiatoren CHEM Trust Europe, Health and Environmental Justice Support (HEJSupport), das Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany) und Women Engage for a Common Future (WECF). Die Forderungen werden bisher von 17 Organisationen unterstützt.

Bei der Ankündigung des Fünf-Punkte-Plans der Bundesregierung versprach Bundesumweltministerin Steffi Lemke einen umfassenden Schutzplan gegen hormonell schädigende Stoffe mit einem Bündel an Maßnahmen und Zielen. Von einem umfassenden Schutzplan kann aber keine Rede sein, da der Plan im Wesentlichen lediglich bestehende Maßnahmen zusammenfasst. Das reicht aber nicht aus, wie wissenschaftliche Studien zur Belastung der Bevölkerung und der Umwelt zeigen.

Forderungen an die Politik

Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Bundesregierung dazu auf, endlich konkrete Maßnahmen umzusetzen und den Schutz vor hormonell schädigenden Chemikalien ernst zu nehmen. Zu den Forderungen gehören:

  • Reduktion der Belastung (Exposition) und/oder Phase-out von hormonell schädigenden Chemikalien in allen relevanten Produkten sowie Förderung nachhaltiger Alternativen,
  • Kennzeichnungspflicht für Produkte, die endokrine Disruptoren enthalten,
  • Aufklärungskampagnen für besonders betroffene Gruppen, wie z. B. Schwangere,
  • Beschleunigung der Regulierung von hormonell schädigenden Pestiziden und Bioziden.

Zitate

„Es reicht nicht aus, auf dem Papier in fünf Punkten grobe Absichten zu formulieren und im Anschluss die Detailplanung, den Dialog und letztlich das Handeln zu unterlassen. Dies geht an der Notwendigkeit, die Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern sowie wichtige natürliche Ressourcen vor diesen gefährlichen Stoffen zu schützen, gänzlich vorbei“, kritisiert Susanne Smolka von PAN Germany.

„Der Fünf-Punkte-Plan der Bundesregierung bleibt ein Papiertiger. In der Praxis fehlt es an konsequentem Handeln. Es ist alarmierend, dass die Bundesregierung trotz klarer wissenschaftlicher Beweise weiterhin zögert, wirksame Maßnahmen zum Schutz vor hormonell schädigenden Chemikalien umzusetzen. Unsere Gesundheit wird durch politische Untätigkeit gefährdet, während gefährliche Substanzen weiter unkontrolliert im Umlauf sind“, sagt Alexandra Caterbow von HEJSupport.

„Die hohe Belastung von Mensch und Umwelt mit hormonell schädigenden Stoffen zeigt, dass die aktuelle Gesetzgebung keinen ausreichenden Schutz gewährleistet. ‚Business as usual’, wie im Fünf-Punkte-Plan beschrieben, wird daran nichts ändern. Deutschland muss unter anderem zusätzliche Ressourcen bereitstellen, um Gruppen hormonell schädigender Stoffe zu identifizieren und auf EU-Ebene Beschränkungen zu erarbeiten”, fordert Antonia Reihlen von CHEM Trust Europe.

„Schwangere Frauen und Kinder zählen zu den am stärksten gefährdeten Gruppen, wenn es um die Auswirkungen hormonell schädigender Chemikalien geht. Die Untätigkeit der Politik setzt die Gesundheit sowohl der heutigen als auch der kommenden Generationen aufs Spiel. Es ist entscheidend, dass die Regierung den Fünf-Punkte Plan zu EDCs konsequent umsetzt und nicht länger passiv bleibt, denn sie hat die Pflicht, ihre Bürger*innen zu schützen”, betont Johanna Hausmann von WECF, Women Engage for a Common Future.

Hintergrund

Hormonell wirksame Chemikalien, auch als endokrine Disruptoren bekannt, kurz EDCs, sind Substanzen, die das Hormonsystem von Mensch und Tier negativ beeinflussen können. Sie sind u. a. in alltäglichen Produkten wie Plastikverpackungen, Körperpflegeprodukten, Textilien und Pestiziden enthalten und wurden mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen wie Unfruchtbarkeit, Entwicklungsstörungen und Krebs in Verbindung gebracht.

Kontakte

Links zu weiteren Informationen

 




Zukunftsprogramm Pflanzenschutz – Gut gemeint aber unzureichend

[Hamburg, 4.9.2024] Heute stellte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz des BMEL vor. Aus Sicht von PAN Germany fehlt es dem „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ an Klarheit und Verbindlichkeit. Bei PAN Germany überwiegen bei einer ersten Bewertung die Zweifel, dass das Programm die notwendigen Impulse in Richtung Pestizidreduktion und nachhaltige Pflanzenschutzverfahren geben kann.

„Das Programm sollte schnellstmöglich Klarheit hinsichtlich der Finanzierung von Maßnahmen sowie der gewählten Indikatoren zur Erfolgskontrolle schaffen. Zudem erwarten wir Nachbesserungen beim Schutz der Biodiversität auf Agrarflächen und zum Schutz unseres wichtigsten Lebensmittels, dem Trinkwasser. Hier schließen wir uns der bei der Programmvorstellung geäußerten Kritik von Seiten der Wasserversorger und der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser an, dass insbesondere der Trinkwasserschutz – anders als noch im Entwurf – nicht mehr berücksichtigt wird, obgleich die Regierung sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet hat.“, sagt Susanne Smolka, Referentin für Pestizide und Biozide beim PAN Germany.

„Wir wiederholen an dieser Stelle: Pestizidreduktion ist kein Selbstzweck. Sie dient dem Schutz der Gesundheit der Beschäftigten und der Bevölkerung insgesamt, dem Schutz unserer Ressourcen vor Kontamination und dem Schutz der Umwelt und biologischen Vielfalt, die wir brauchen, um auch zukünftig noch erfolgreich Landwirtschaft betreiben zu können. Auch vor dem Hintergrund internationaler Verpflichtungen – Stichwort Biodiversitätskonvention – muss Deutschland in Sachen Pestizidreduktion liefern.“ sagt Susan Haffmans, Referentin für Pestizide und Internationales bei PAN Germany.

Positiv merkt PAN Germany an, dass das Programm an den Reduktionszielen der Farm-to-Fork Strategie von minus 50 Prozent für chemisch-synthetische Pestizide bis 2030 festhält. Auch, dass eine Evaluierung des Progammerfolgs und mögliche Nachjustierung geplant sind, ist gut.

Mehr dazu:

BMEL Zukunftsprogramm Pflanzenschutz

PAN-Stellungnahme als Diskussionsgrundlage zum „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“, 03.05.2024

PAN PM 13 Juni 2024: Wer Abstriche beim Schutz vor Pestizidbelastungen fordert, schadet den Beschäftigten in der Landwirtschaft und zukünftigen Generationen

Gemeinsame Presseerklärung: Zukunftsprogramm ohne Zukunft? Verbände fordern: Pestizidreduktion wirksam angehen!

Ein Zukunftsprogramm ohne Zukunft? – Offener Brief an Bundesagrarminister Cem Özdemir zum Vorschlagsentwurf eines Zukunftsprogramms Pflanzenschutz des BMEL. 3. Mai 2024

 

PAN-Pressekontakt:

Susanne Smolka, Referentin für Pestizide und Biozide, Susanne.smolka[a]pan-germany.org, +49(0)40 399 19 10-24

Susan Haffmans, Referentin für Pestizide und Internationales, susan.haffmans[at]pan-germany.org, +49(0)40 399 19 10-25




Menschen, Umwelt und Ökosysteme müssen wirksamer vor Pestizid-Abdrift geschützt werden

Hamburg, 30. Juli 2024. Pressemitteilung. Neuer Report zeigt: Trotz rechtlicher Auflagen und technischer Neuerungen, kommt es in der Folge von Pestizid-Abdrift unbeabsichtigt zu gesundheitlichen Folgen oder wirtschaftlichen und ökologischen Schäden. PAN Germany hat Meldungen von Abdrift-Fällen aus über 10 Jahren dokumentiert und analysiert. Mit dem heute veröffentlichten Bericht „Giftiger Dunst – Betroffen von Pestizid-Abdrift“ gibt PAN Germany den Betroffenen eine Stimme und fordert einen wirksameren Schutz von Menschen, Umwelt und Ökosysteme vor Pestizid-Belastungen.

Der Einsatz von Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft gehört zur gängigen Praxis, um Kulturpflanzen vor schädlichen Insekten und Pilzen zu schützen, aber auch unerwünschte Wildpflanzen auf den Feldern zu beseitigen. Trotz behördlicher Prüfung und Zulassung kann es beim Einsatz der chemisch-synthetischen Mittel zu ungewollten Belastungen und Schädigungen von unbeteiligten Personen, von Pflanzen und Tieren sowie zu Belastungen der Umwelt kommen. Denn abhängig von der eingesetzten Substanz, der Spritz-Technik, der Fahrgeschwindigkeit und den Wetterverhältnissen gelangt ein Teil der Pestizide beim Spritzen in die Luft. Von dort werden die Wirkstoffe auf Feldwege und andere Felder, in Gewässer und Schutzgebiete, aber auch in Siedlungen, auf Spielplätze, in private Gärten und Wohnhäuser transportiert. Ihrem Zweck nach sind die Pestizide dort ebenso wirksam und können ungewollt andere Lebewesen und sogar uns Menschen schaden.

Tamara Gripp, Referentin für Landwirtschaft und Umwelt bei PAN Germany, sagt: „Bei der Pestizid-Abdrift handelt es sich nicht um Einzelfälle. Jedes Jahr vom Frühling bis zum Herbst melden sich Menschen bei uns, die von Pestizid-Abdrift betroffen sind und in der Folge dieser Ereignisse gesundheitliche Probleme erlitten haben, Schäden an Pflanzen, Nutztieren oder Haustieren beklagen oder Schäden in der Natur beobachtet haben. Wir haben über 200 Meldungen dokumentiert.“

Mehr als 70 % aller Betroffenen, die sich an PAN Germany gewandt haben, berichten von gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach einem Abdrift-Vorfall. Hinzu kommt, dass das Bewusstsein über mögliche Gesundheitsgefahren und die Sorge um Familienmitglieder, insbesondere Kinder, bei vielen Betroffenen zu erhöhtem Stress führt. Diese Menschen fühlen sich nicht mehr wohl in ihrem Lebensumfeld und leiden zumindest zeitweilig unter Symptomen wie Schlaflosigkeit, Unruhe und Gereiztheit.

Um das Ausmaß von Pestizid-Abdrift zu reduzieren, gelten allgemein einzuhaltende und produktspezifische Anwendungsbestimmungen und Auflagen zum Schutz der Umwelt und des Menschen. Ein wirksames Werkzeug zur Einschätzung und Regulierung von Pestizid-Ferntransport fehlt bislang. Dass es trotz der Einhaltung der geltenden Vorgaben zu Abdrift-bedingten Belastungen und gesundheitlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Schäden kommen kann, zeigen die Berichte Betroffener an PAN Germany ebenso wie Studien zur Pestizid-Belastung der Luft und öffentlicher Flächen wie Spielplätze.

Susanne Smolka, Referentin für Pestizide und Biozide bei PAN Germany sagt: „Für PAN Germany steht fest: Pestizid-Abdrift ist ein ernstzunehmendes Problem und die geltenden Vorgaben zum Schutz vor Abdrift und Ferntransport reichen nicht aus, um Menschen, Umwelt und Ökosysteme ausreichend vor Pestizid-Belastungen zu schützen. Hier erwarten wir mehr Engagement auch von Seiten der zuständigen Behörden.“

Pressekontakte:

  • Tamara Gripp, Referentin für Landwirtschaft und Umwelt, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Tel.: +49 (40) 399 19 10-23, E-Mail: tamara.gripp@pan-germany.org
  • Susanne Smolka, Referentin für Pestizide und Biozide, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Tel.: +49 (40) 399 19 10-24, E-Mail: susanne.smolke@pan-germany.org

 

 

 

Hier geht es zum PAN Germany Abdrift-Meldebogen




Wer Abstriche beim Schutz vor Pestizidbelastungen fordert, schadet den Beschäftigten in der Landwirtschaft und zukünftigen Generationen

Hamburg 13. Juni 2024. Pressemitteilung. Morgen, am 14. Juni, wird der Bundesrat über die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung abstimmen und damit ein Stück weit darüber, wie verantwortungsvoll in Deutschland zukünftig Pflanzenschutz betrieben wird. Die nun zur Verabschiedung vorgelegten Änderungen der Anwendungsverordnung betreffen vor allem Auflagen für die Anwendung von Glyphosat. Andere, von PAN Germany im Februar dringend empfohlene Anpassungen in der Verordnung, haben es gar nicht erst in den Entwurf geschafft. Nun droht ein weiterer Rückschritt: Auf Initiative einiger Bundesländer, darunter Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen, wurde ein Änderungsantrag eingebracht, der u.a. die Streichung der bestehenden Glyphosat-Restriktionen in Wasserschutzgebieten vorsieht. Ignoriert wird hier offenbar die nachweislich schädigende Wirkung von Glyphosat auf die biologische Vielfalt, auf den Bodenhaushalt und die Gesundheit. 

Während Wissenschafter*innen davor warnen, dass die Kontamination von Böden und Gewässern und die Schädigung von Nützlingen durch chemisch-synthetische Pestizide der Landwirtschaft die Zukunftsperspektive raubt und langfristig die Ernährungssicherheit gefährdet und während kranke Berufskolleg*innen dafür kämpfen, dass ihre durch langjährige Pestizidanwendung verursachte Parkinson-Erkrankung im Einzelfall als Berufserkrankung anerkannt wird, fordern 30 Agrar- und Wirtschaftsverbände – darunter der Bauernverband und der Industrieverband Agrar – das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) anlässlich der anstehenden Bundesratsentscheidung auf, gleich sein komplettes Zukunftsprogramm Pflanzenschutz zurückzunehmen. Sie kritisieren die „pauschale Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln“ und fordern eine grundlegende Neuausrichtung der Pflanzenschutzpolitik.

„Pestizidreduktion ist kein Selbstzweck. Sie dient dem Schutz der Gesundheit der Beschäftigten und der Bevölkerung insgesamt, dem Schutz unserer Ressourcen vor Kontamination und dem Schutz der Umwelt und biologischen Vielfalt, die wir brauchen, um auch zukünftig noch erfolgreich Landwirtschaft betreiben zu können“ sagt Susan Haffmans, Referentin bei PAN Germany.

„Man muss sich fragen, wer hier wirklich die Interessen der Beschäftigten in der Landwirtschaft vertritt. Sie sind es doch, die in besonderem Maße Pestiziden ausgesetzt sind und die an vorderster Front auch mit solchen Pestiziden in Kontakt kommen, die von der EU als „besonders gefährlich“ eingestuft wurden und längst durch ungefährlichere Alternativen hätten ersetzt werden sollen“ sagt Dr. Peter Clausing, Toxikologe bei PAN Germany.

Das BMEL hält in seiner Zukunftsstrategie Pflanzenschutz am 30-Prozent Ökolandbau-Ziel fest. Damit setzt es aus Sicht von PAN Germany die richtigen Akzente. Welche Maßnahmen zur Umsetzung des Ziels notwendig sind, hat PAN Germany in seiner ausführlichen Stellungnahme zum Zukunftsprogramm dargelegt. PAN Germany widerspricht vehement dem Vorwurf der 30 Verbände, das Zukunftsprogramm des BMEL würde Technik, Innovation und Fortschritt ignorieren. „Für zahlreiche Innovationen im Pflanzenschutz der vergangenen Jahrzehnte war der ökologische Landbau die treibende Kraft – sowohl, was technische Innovationen im Unkrautmanagement angeht, als auch innovative Methoden zur Schädlingsabwehr wie Pheromonfallen und Züchtungen pilzwiderstandsfähiger Sorten“ so Haffmans von PAN Germany.

PAN Germany erwartet vom Bundesrat, am 14. Juni an den geltenden Glyphosat-Restriktionen festzuhalten und sich stärker dafür zu engagieren, dass Betriebe dabei unterstützt werden, auf nicht-chemische Pflanzenschutzverfahren umzusteigen.

Pressekontakte:

  • Susan Haffmans, Referentin für Pestizide, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Tel.: +49 157 31 56 04 017, E-Mail: susan.haffmans@pan-germany.org
  • Peter Clausing, Toxikologe, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Tel.: +49 176 4379 5932, peter.clausing@pan-germany.org

 Weitere Informationen:




Über 150.000 Menschen fordern Exportstopp für verbotene Pestizide

Gemeinsame Pressemitteilung von Misereor, INKOTA-netzwerk und PAN Germany

(Berlin, 5. Juni 2024) Über 150.000 Menschen fordern von den Regierungsparteien, das angekündigte Exportverbot für in Deutschland hergestellte, in der EU aber verbotene Pestizide endlich umzusetzen. Den unterzeichneten Appell „Giftexporte stoppen“ haben Misereor, das INKOTA-netzwerk und das Pestizid Aktions-Netzwerk heute an Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL), übergeben. Der Export von Pestiziden, die in der EU aus gesundheitlichen Gründen verboten wurden, gefährdet Menschen in den Importländern.

Obwohl die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag ein Exportverbot für bei uns verbotene, gesundheitsgefährdende Pestizide vereinbart hatten, wird ein entsprechender Verordnungsentwurf koalitionsintern ausgebremst – und das nun schon seit einem Jahr. „Die Koalition hatte lange Zeit, offene Fragen zu klären und einen rechtssicheren Verordnungstext abzustimmen. Als einer der weltweit größten Exporteure von Pestiziden muss Deutschland Verantwortung übernehmen und den Export von Pestiziden, die Menschen nachweislich krankmachen und zum Schutz der eigenen Bevölkerung und Beschäftigten in der Landwirtschaft vom Markt genommen wurden, endlich rechtssicher unterbinden.“ sagt Susan Haffmans, Pestizidreferentin bei PAN Germany. „Vor dem Hintergrund der breiten Zustimmung der Bevölkerung sollten sich die Regierungsmitglieder endlich einigen und die Ausfuhrverordnung auf den Weg bringen“, so Haffmans.

Jährlich exportieren deutsche Unternehmen tonnenweise Pestizide, die in der EU verboten sind, nach Afrika, Asien und Lateinamerika. Dort sind viele Millionen Menschen den Giften schutzlos ausgesetzt. „Vor allem Landarbeiter*innen, Kleinbäuerinnen und -bauern leiden unter den Folgen von Pestizidvergiftungen. Die Fälle von Krebs- und Atemwegserkrankungen häufen sich und auch Missbildungen bei Neugeborenen sind keine Seltenheit“, erklärt Markus Wolter, Referent für Landwirtschaft und Welternährung bei Misereor. Menschen, die in der Nähe von Feldern oder Plantagen leben, bekommen die Folgen der Agrargifte besonders zu spüren. Pestizide belasten ihre Nahrung und das Grundwasser. „Wir fordern den gleichen Schutz vor gefährlichen Pestiziden für alle Menschen weltweit und eine deutliche Reduktion des Einsatzes“, so Wolter.

Über 150.000 Menschen fordern mit ihren Unterschriften von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, Justizminister Marco Buschmann und Wirtschaftsminister Robert Habeck, Verantwortung zu übernehmen und mit der angekündigten Verordnung dazu beizutragen, die menschenverachtende Praxis zu stoppen. Stellvertretend für die zahlreichen Unterstützer*innen fordert Silke Bollmohr vom INKOTA-netzwerk bei der Übergabe: „Menschenrechte müssen endlich vor Profite gestellt werden. Es ist inakzeptabel, dass trotz vorhandener innovativer Alternativen weiterhin giftige Pestizide exportiert werden. Ein ‘Weiter so wie bisher‘ schadet Menschen und Umwelt. Von den angesprochenen Ministern erwarten wir eine sofortige Durchsetzung der versprochenen Ausfuhrverbotsverordnung.“ In Frankreich und Belgien sind Exportverbote für verbotene Pestizide bereits national umgesetzt.

Weitere Informationen:

Bildmaterial von der Unterschriftenübergabe vor dem BMEL von heute: https://www.flickr.com/photos/campact/albums/72157683808780084/

https://www.inkota.de/themen/welternaehrung-landwirtschaft/pestizide/giftexporte-stoppen

https://www.misereor.de/informieren/pestizide

https://pan-germany.org/tag/export/

https://weact.campact.de/petitions/giftexporte-stoppen-4

 Ansprechpartner*innen:

  • Silke Bollmohr, INKOTA-netzwerk, Referentin für Welternährung und globale Landwirtschaft, Tel. +49 174 56 20 107, E-Mail: Bollmohr@inkota.de
  • Markus Wolter, Misereor, Referent für globale Landwirtschaft und Welternährung, Tel.: +49 151 19 78 00 45, E-Mail: wolter@misereor.de
  • Susan Haffmans, PAN Germany, Referentin für Pestizide, Tel.: +49 157 31 56 04 017, E-Mail: susan.haffmans@pan-germany.org



Zukunftsprogramm ohne Zukunft? Verbände fordern: Pestizidreduktion wirksam angehen!

14 Verbände reagieren mit einen Offenen Brief an Cem Özdemir auf die „Diskussionsgrundlage für die Erarbeitung eines Zukunftsprogramms Pflanzenschutz“ des BMEL.

Berlin/Hamburg 6. Mai 2024. Pressemitteilung. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter Bundesminister Cem Özdemir bekennt sich weiter zu den Pestizidreduktionszielen aus der Farm-to-Fork-Strategie der EU. Ein Verbände-Bündnis appelliert an den Agrarminister, umgehend konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Ziele einzuleiten, statt den Prozess weiter in die Länge zu ziehen.

„Nutzen Sie die verbleibende Zeit dieser Legislaturperiode und ergreifen Sie verbindliche, erreichbare und messbare Maßnahmen, um die notwendige Reduktion von chemisch-synthetischen Pestiziden zum Wohle der Landwirtschaft, der Bevölkerung und unserer Umwelt umzusetzen! Unterlegen Sie die Pestizidreduktionsziele mit wirksamen Maßnahmen, mit einer Priorisierung von Vorhaben, die noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden können. Sorgen Sie für eine ausreichende Finanzierung!“, fordern die Bündnispartner in einem gemeinsamen Statement.

Dies sei umso wichtiger, da zurzeit die EU-Agrarpolitik von Bemühungen zu einem Rollback der Umweltstandards geprägt sei, so die Verbände. Einstimmig sprechen sie sich für die Einführung einer Pestizidabgabe aus, die ohne bürokratischen Aufwand für Betriebe Gelder für deren Unterstützung generieren kann. Die Wirkung eines solchen Instruments sei durch Studien und Erfahrungen in anderen Ländern erfolgreich belegt.

Die bisherigen Bemühungen um eine Pestizidreduktion sehen die Verbände als nicht ausreichend an. Schon im November 2022 wurde ein „Pestizid-Reduktionsprogramm” angekündigt. Passiert ist bisher wenig – ein Rückgang des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pestiziden ist nicht zu verzeichnen. Stattdessen wurde erst Mitte März 2024 eine „Diskussionsgrundlage für die Erarbeitung eines Zukunftsprogramms Pflanzenschutz“ seitens des BMEL vorgelegt – das könnte man als taktische Verzögerung werten.

Mittlerweile wurde zudem begrifflich abgeschwächt: aus dem ursprünglichen „Pestizid-Reduktionsprogramm“ ist das „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ geworden. Dass das Programm nun nicht mehr nach dem Zweck benannt ist, dem es eigentlich dienen soll, sehen die Bündnispartner als Warnsignal. Sie appellieren an Cem Özdemir, dem falschen Narrativ des „Pestizide ernähren die Welt“ und „Umweltschutzauflagen gefährden die Betriebe“ entschlossener entgegenzuwirken.

Folgende Verbände haben den Offenen Brief an den Agrarminister unterzeichnet: Bioland e.V., Biopark e.V., Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL), Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Demeter, Deutsche Umwelthilfe, Deutscher Naturschutzring e.V., Naturland, Naturschutzbund (NABU), Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Slow Food Deutschland, Umweltinstitut München e. V., WWF Deutschland.

Hintergrund:

Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
E-Mail: presse@pan-germany.org
Tel.: 040 – 39919100




Exportstopp für in der EU verbotene Pestizide schadet der europäischen Wirtschaft nicht und kommt Drittländern zugute

Hamburg/Brüssel 18.04.2024. Pressemitteilung.
Ein europäischer Ausfuhr-Stopp von in der EU verbotenen Pestiziden würde weder massiv Arbeitsplätze gefährden noch die Wirtschaft in Europa belasten. Dies ist die Schlussfolgerung eines heute veröffentlichten Berichts, der von einer Koalition zivilgesellschaftlicher Organisationen in Auftrag gegeben wurde. Ein solcher Exportstopp würde sich positiv auf die Gesundheit der Menschen und die Umwelt in den Importländern auswirken. Für die Landwirtschaft in der EU würde er den unfairen Wettbewerb beenden und EU-Bürger*innen besser vor giftigen Rückständen in importierten Lebensmitteln schützen.

Die Doppelmoral hinsichtlich gefährlicher Pestizide muss ein Ende haben. Es gibt keine Gründe, die die EU daran hindert, strenge Maßnahmen zu ergreifen. Ein Exportverbot wird sich kaum auf die EU-Wirtschaft auswirken, aber ein deutliches Zeichen gegen die Verbreitung giftiger Chemikalien in Drittländern setzen, in denen Pestizidunternehmen die laxe Gesetzgebung ausnutzen. Die EU muss jetzt handeln“, betont Rina Guadagnini, Policy Officer bei PAN Europe, im Namen der Koalitionsmitglieder.

„Der Bericht sollte auch in Deutschland ein Weckruf und Ansporn für alle politischen Entscheidungspersonen sein, die bislang den Entwurf des Agrarministeriums für eine entsprechende Verordnung blockieren.“ sagt Susan Haffmans, Referentin bei PAN Germany.

Während bestimmte Pestizide in Europa verboten sind, weil sie als zu gefährlich für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt eingestuft wurden, dürfen Unternehmen in der EU sie weiterhin herstellen und in andere Teile der Welt exportieren. Die EU versprach in ihrer Chemikalienstrategie, Maßnahmen zu ergreifen, um solche Exporte zu unterbinden. Die Industrie reagierte und schürte Ängste vor dramatischen Auswirkungen auf die EU-Wirtschaft. Doch der Bericht zeigt: die Auswirkungen auf die Wirtschaft der EU wären minimal, die positiven Auswirkungen in den Drittländern wären erheblich.

Basierend auf den Exportdaten von 2022 der wichtigsten Ausfuhrländer der EU – darunter Deutschland, Frankreich und Belgien – und den Erfahrungen mit dem französischen Ausfuhrverbot kamen die Autoren zu dem Schluss, dass ein Exportverbot in der gesamten Europäischen Union 25 Arbeitsplätze gefährdet hätte. Diese Arbeitsplätze ließen sich sehr wahrscheinlich vollständig erhalten, wenn Personal intern verlagert oder mit anderen Aufgaben betraut würde. Das Exportverbot könnte zudem Anreize für Unternehmen schaffen, in die Produktion von sichereren, nachhaltigen Alternativen zu investieren.

Die EU ist der weltweit führende Exporteur von Pestiziden. Strengere Regeln für die Ausfuhr besonders gefährlicher Pestizide hätte daher weitreichende positive Auswirkungen auf globaler Ebene. Ein Ausfuhr-Stopp von in der EU verbotenen Pestiziden würde die Exposition gegenüber hochgefährlichen Pestiziden und alle damit verbundenen Risiken für die Gesundheit von Landarbeiter*innen, der Landbevölkerung und der Umwelt verringern. Davon würden insbesondere Länder mit geringem und mittlerem Einkommen (LMIC) profitieren, in denen spezifische Vorschriften, Kontrollen und Schulungen für den Einsatz von Pestiziden häufig fehlen oder nicht umgesetzt werden, ein höherer Anteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeitet, der Anteil hochgefährlicher Pestizide hoch ist, es Kinderarbeit gibt und Schutzausrüstungen für die Arbeiter*innen nicht oder unzureichend zur Verfügung stehen.

Pressekontakte:

  • Deutsch: Dr. Peter Clausing, Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany), Tel +49 176 4379 5932, peter.clausing@pan-germany.org
  • Englisch: Angeliki Lyssimachou, PAN Europe, Tel +32 496 392 930, angeliki@pan-europe.info

Weiterführende Informationen:




Europäische Bevölkerung ist über Obst und Gemüse zunehmend PFAS-Pestiziden ausgesetzt

Hamburg / Brüssel, 27.02.2024. Pressemitteilung.
Ein heute veröffentlichter Bericht des Europäischen Pestizid Aktions-Netzwerks (PAN Europe) und seinen Mitgliedsgruppen enthüllt eine bittere Wahrheit: Europäische Bürger*innen sind über ihre Lebensmittel zunehmend Cocktails von PFAS-Pestiziden ausgesetzt. Der Anteil dieser für Gesundheit und Umwelt hoch problematischen Stoffe hat sich in den untersuchten Lebensmitteln in nur einem Jahrzehnt nahezu verdreifacht. Dies ergibt die Auswertung der Befunde aus dem amtlichen EU-Monitoring von Pestizidrückständen in Lebensmitteln der Jahre 2011 bis 2021,   in dem heute vorgestellten Bericht „Toxic Harvest: The rise of forever pesticides in fruit and vegetables in Europe“.

Die Ergebnisse geben Anlass zu ernster Sorge für die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Als Reaktion darauf fordern die herausgebenden Organisationen ein zügiges EU-weites Verbot aller PFAS-Pestizide.

Zu den wichtigsten Erkenntnissen der Studie gehören:

  • Zwischen 2011 und 2021 wurden in Obst und Gemüse in der EU Rückstände von 31 verschiedenen PFAS-Pestiziden nachgewiesen;
  • Die Zahl der Obst- und Gemüsesorten, die Rückstände von mindestens einem PFAS-Pestizid enthalten, hat sich in der EU innerhalb von 10 Jahren verdreifacht;
  • Im Jahr 2021 waren in Europa angebaute Früchte wie Erdbeeren (37 %), Pfirsiche (35 %) und Aprikosen (31 %) besonders häufig kontaminiert und enthielten oft Cocktails aus drei bis vier verschiedenen PFAS in einer einzigen Probe;
  • Innerhalb der EU stammen die am stärksten mit PFAS-kontaminierten Lebensmitteln aus den Niederlanden, Belgien, Österreich, Spanien, Portugal und Griechenland, bei den in die EU importierten Lebensmitteln aus Costa Rica, Indien und Südafrika.

In den deutschen Obst- und Gemüseproben wurden insgesamt 26 verschiedene PFAS-Pestizide detektiert, dabei sind auch deutsche Produkte betroffen wie Erdbeeren oder Blattsalat. „Das am häufigsten in Deutschland nachgewiesen PFAS-Pestizid ist das Insektizid lambda-Cyhalothrin. Der Wirkstoff ist immer noch in 22 Mitteln zugelassen, obwohl er als sogenannter „Substitutionskandidat“ längst hätte durch weniger problematische Alternativen ersetzt werden sollen. Außerdem bilden viele von den PFAS-Pestiziden das für unsere Trinkwasserressourcen problematische Abbauprodukt Trifluoracetat (TFA)“, kritisiert Susanne Smolka, Referentin für Pestizide und Biozide beim Pestizid Aktions-Netzwerk Germany.

 „Die Daten zeigen eindeutig, dass wir ein Problem haben. Obst und Gemüse sollte rückstandsfrei produziert werden, und in der Umwelt sollten die sehr langlebigen Pestizide und deren Abbauprodukte nicht vorkommen. Sie sind ein bleibendes Risiko.“ betont Lars Neumeister, Pestizidexperte.

„Unsere Studie zeigt, dass europäische Konsument*innen einem Cocktail von PFAS-Pestiziden in Obst und Gemüse ausgesetzt sind“, erklärt Salomé Roynel, Policy Officer bei PAN Europe und Studienkoordinatorin: „Wenn man sich die am häufigsten nachgewiesenen PFAS-Pestizide genauer ansieht, sind die Beweise für ihre Persistenz in der Umwelt und ihre Toxizität für den Menschen gut dokumentiert. Dazu zählen insbesondere Risiken für ungeborene Kinder, Hirnschäden, Beeinträchtigung des Immunsystems, hormonelle Störungen und Krebs.”

Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), die wegen ihrer außergewöhnlichen Langlebigkeit als „Ewigkeits-Chemikalien“ bezeichnet werden, verursachen erhebliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken, besonders  für empfindliche Gruppen wie Kinder und Schwangere, so die Europäische Umweltagentur. Sie verschmutzen Wasserressourcen und reichern sich in Böden an, belasten Nahrungsmittelpflanzen und lebende Organismen. Der aktuelle Bericht zeigt, dass die europäische Landwirtschaft zu dieser PFAS-Belastung beiträgt.

Im Rahmen des European Green Deal hat sich die Europäische Union verpflichtet, PFAS-Chemikalien im Einklang mit ihrem Ziel einer schadstofffreien Umwelt schrittweise zu verbieten. Im Februar 2023 veröffentlichte die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) einen Vorschlag für ein Verbot der Herstellung, der Verwendung und der Einfuhr von mindestens 10.000 Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS). Nicht erfasst von diesem Vorschlag sind allerdings jene 37 von der ECHA als PFAS eingestufte, derzeit in der EU genehmigte Pestizidwirkstoffe, da deren Zulassung in der EU-Pestizidverordnung “geregelt” werde.

„Landwirt*innen sind sich wohl selten bewusst, dass sie unter anderem „ewige Pestizide“ auf ihre Pflanzen und damit in die Umwelt sprühen, denn dies wird auf dem Etikett nicht angegeben. Rund 16 % aller genehmigten synthetischen Pestizide in der EU sind PFAS-Pestizide. Sie müssen schnellstens verboten und am besten durch nicht-chemische,  biologische und agrarökologische Pflanzenschutzmethoden ersetzt werden“, so Susanne Smolka abschließend.

Zur Studie:

Die Studie konzentriert sich auf Obst und Gemüse aus konventionellem (d.h. nicht ökologischem) Anbau. Sie stützt sich auf amtliche Überwachungsdaten von Pestizidrückständen in Lebensmitteln aus den Mitgliedstaaten, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden, um eine repräsentative Exposition der EU-Verbraucher widerzuspiegeln. Die Analyse erfolgte sowohl für die europäische Ebene (nach Aggregation aller nationalen Daten) als auch für jeweils acht verschiedene Mitgliedstaaten (Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Niederlande, Spanien). Der Bericht stellt die Ergebnisse der Studie vor. Er wird in Zusammenarbeit mit Ecocity, Ecologistas en Acción, Magyar Természetvédők Szövetsége (Friends of the Earth Hungary), Générations Futures, Global 2000 (Friends of the Earth Austria), PAN Netherlands,  Nature & Progrès Belgique und PAN Germany veröffentlicht.

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