Wer Abstriche beim Schutz vor Pestizidbelastungen fordert, schadet den Beschäftigten in der Landwirtschaft und zukünftigen Generationen

Hamburg 13. Juni 2024. Pressemitteilung. Morgen, am 14. Juni, wird der Bundesrat über die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung abstimmen und damit ein Stück weit darüber, wie verantwortungsvoll in Deutschland zukünftig Pflanzenschutz betrieben wird. Die nun zur Verabschiedung vorgelegten Änderungen der Anwendungsverordnung betreffen vor allem Auflagen für die Anwendung von Glyphosat. Andere, von PAN Germany im Februar dringend empfohlene Anpassungen in der Verordnung, haben es gar nicht erst in den Entwurf geschafft. Nun droht ein weiterer Rückschritt: Auf Initiative einiger Bundesländer, darunter Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen, wurde ein Änderungsantrag eingebracht, der u.a. die Streichung der bestehenden Glyphosat-Restriktionen in Wasserschutzgebieten vorsieht. Ignoriert wird hier offenbar die nachweislich schädigende Wirkung von Glyphosat auf die biologische Vielfalt, auf den Bodenhaushalt und die Gesundheit. 

Während Wissenschafter*innen davor warnen, dass die Kontamination von Böden und Gewässern und die Schädigung von Nützlingen durch chemisch-synthetische Pestizide der Landwirtschaft die Zukunftsperspektive raubt und langfristig die Ernährungssicherheit gefährdet und während kranke Berufskolleg*innen dafür kämpfen, dass ihre durch langjährige Pestizidanwendung verursachte Parkinson-Erkrankung im Einzelfall als Berufserkrankung anerkannt wird, fordern 30 Agrar- und Wirtschaftsverbände – darunter der Bauernverband und der Industrieverband Agrar – das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) anlässlich der anstehenden Bundesratsentscheidung auf, gleich sein komplettes Zukunftsprogramm Pflanzenschutz zurückzunehmen. Sie kritisieren die „pauschale Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln“ und fordern eine grundlegende Neuausrichtung der Pflanzenschutzpolitik.

„Pestizidreduktion ist kein Selbstzweck. Sie dient dem Schutz der Gesundheit der Beschäftigten und der Bevölkerung insgesamt, dem Schutz unserer Ressourcen vor Kontamination und dem Schutz der Umwelt und biologischen Vielfalt, die wir brauchen, um auch zukünftig noch erfolgreich Landwirtschaft betreiben zu können“ sagt Susan Haffmans, Referentin bei PAN Germany.

„Man muss sich fragen, wer hier wirklich die Interessen der Beschäftigten in der Landwirtschaft vertritt. Sie sind es doch, die in besonderem Maße Pestiziden ausgesetzt sind und die an vorderster Front auch mit solchen Pestiziden in Kontakt kommen, die von der EU als „besonders gefährlich“ eingestuft wurden und längst durch ungefährlichere Alternativen hätten ersetzt werden sollen“ sagt Dr. Peter Clausing, Toxikologe bei PAN Germany.

Das BMEL hält in seiner Zukunftsstrategie Pflanzenschutz am 30-Prozent Ökolandbau-Ziel fest. Damit setzt es aus Sicht von PAN Germany die richtigen Akzente. Welche Maßnahmen zur Umsetzung des Ziels notwendig sind, hat PAN Germany in seiner ausführlichen Stellungnahme zum Zukunftsprogramm dargelegt. PAN Germany widerspricht vehement dem Vorwurf der 30 Verbände, das Zukunftsprogramm des BMEL würde Technik, Innovation und Fortschritt ignorieren. „Für zahlreiche Innovationen im Pflanzenschutz der vergangenen Jahrzehnte war der ökologische Landbau die treibende Kraft – sowohl, was technische Innovationen im Unkrautmanagement angeht, als auch innovative Methoden zur Schädlingsabwehr wie Pheromonfallen und Züchtungen pilzwiderstandsfähiger Sorten“ so Haffmans von PAN Germany.

PAN Germany erwartet vom Bundesrat, am 14. Juni an den geltenden Glyphosat-Restriktionen festzuhalten und sich stärker dafür zu engagieren, dass Betriebe dabei unterstützt werden, auf nicht-chemische Pflanzenschutzverfahren umzusteigen.

Pressekontakte:

  • Susan Haffmans, Referentin für Pestizide, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Tel.: +49 157 31 56 04 017, E-Mail: susan.haffmans@pan-germany.org
  • Peter Clausing, Toxikologe, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Tel.: +49 176 4379 5932, peter.clausing@pan-germany.org

 Weitere Informationen:




Erfahren Sie, was Kandidat*innen der EU-Wahl über Pestizide denken

Eine europaweite Umfrage forderte die Kandidat*innen der Europawahl auf, ihre Positionen zu den Themen Pestizide, Landwirtschaft und Umweltschutz darzulegen. Initiiert wurde die Umfrage von PAN Europe, Friends of the Earth Europe und der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ – und wurde in Deutschland von PAN Germany, BUND, Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe und dem WWF unterstützt. In Deutschland wurden 64 Spitzen-Kandidat*innen der großen Parteien persönlich eingeladen, im Rahmen der Umfrage ihre Sicht zu Pestiziden, Landwirtschaft und Umweltschutz darzulegen.

Die Antworten der Kandidat*innen auf unseren Fragebogen und weitere Informationen finden Sie hier und im Detail für Deutschland, sortiert nach Mitgliedsstaaten in der Gesamtübersicht.

Eine weitere Auswertung zeigt, wie die Parteien über pestizidrelevante Gesetzesvorschläge 2023 abgestimmt haben.

Angesichts der bevorstehenden Europa-Wahlen am 9. Juni 2024 rufen wir die Bürgerinnen und Bürger auf, wählen zu gehen: Nutzen Sie Ihre Stimme, um sich für eine nachhaltigere Zukunft in Europa einzusetzen!

Ihre Stimme nimmt Einfluss auf die EU-Politik, denn die Entscheidungen der EU-Abgeordneten haben direkten Einfluss auf ein breites Spektrum von Politikbereichen, wie Umweltschutz, öffentliche Gesundheit, nachhaltige Landwirtschaft und den Einsatz von Pestiziden.

Indem Sie eine informierte Entscheidung treffen, können Sie dazu beitragen, dass das EU-Parlament eine Politik unterstützt, die Umwelt und Gesundheit schützt und eine nachhaltige Entwicklung vorantreibt.

Nutzen Sie Ihre Stimme, um sich für eine nachhaltigere Zukunft in Europa einzusetzen!




EU-Parlament & Pestizide: Wer unterstützt Landwirt*innen, Verbraucher*innen und Natur?

Ihre Stimme zählt!

Die folgende Analyse zeigt die Positionen der im EU-Parlament vertretenen Fraktionen und der deutschen Parteien zu dieser Frage.

Der hohe Pestizideinsatz ist ein großes Problem in unserem derzeitigen Lebensmittelsystem, das Natur, Landwirt*innen, Verbraucher*innen und künftigen Generationen schadet und sie im Stich lässt. Um den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden und die damit verbundenen Risiken in der EU bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren und Menschen und Natur besser zu schützen, legte die EU Kommission einen Entwurf zur Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (SUR) vor. Dieser Vorschlag wurde jedoch stark verwässert und scheiterte schließlich im November 2023 im EU Parlament. Die Forderungen von mehr als einer Million Bürger*innen nach einer drastischen Reduzierung des Pestizideinsatzes in der EU und nach Unterstützung der Landwirt*innen bei dieser Umstellung wurden somit nicht erfüllt.

Wenn die Bürger*innen am 9. Juni in ganz Europa zu den EU-Wahlen an die Urnen gehen, sollten sie sich darüber im Klaren sein, wie politische Gruppen ihre Interessen bislang vertreten haben. Aus unserer Sicht schadet die Ablehnung dringend notwendiger Maßnahmen zur Reduzierung des Pestizideinsatzes dem Wohlbefinden aller EU Bürger*innen, der Gesundheit unserer Ökosysteme, einer langfristigen Perspektive für Landwirt*innen und unserer Ernährungssicherheit.

Im Vorfeld der EU-Wahlen analysierten die Nichtregierungsorganisationen PAN Europe, Friends of the Earth Europe und Corporate Europe Observatory das Abstimmungsverhalten zum SUR-Vorschlag nach politischen Gruppierungen im EU-Parlament. Für die Auswertung wurden die Abstimmungsergebnisse der einzelnen Abgeordneten für sechs Änderungsanträge zu einer Reihe von Schlüsselaspekten des Gesetzesvorschlags ausgewählt.

Das Ergebnis: Bei allen Themen stimmte die große Mehrheit oder alle Fraktionen der christlich-demokratischen EVP, der konservativen (bis rechtsextremen) EKR und der rechtsextremen ID-Fraktion konsequent gegen die Interessen der EU Bürger*innen. Diese Fraktionen unterstützen nicht einmal eine regelmäßige unabhängige Beratung für Landwirt*innen zu Pestiziden und ihren Alternativen oder eine stärkere Reduzierung der gefährlichsten Pestizide!

Zusätzlich erfolgte eine Auswertung des Abstimmungsverhaltens der deutschen Abgeordneten bzw. Parteien im EU-Parlament zu 5 Schlüsselaspekten des Gesetzesvorschlags:

(Für eine größere Ansicht der Infografiken: Bitte mit rechter Maustaste ‚Bild vergrößern‘ oder ‚Bild in neuem Tab öffnen‘ auswählen.)

 

1. Pestizide dürfen nur als letzte Maßnahme eingesetzt werden

Der integrierte Pflanzenschutz (IPM) ist ein Instrument zur Verringerung des Pestizideinsatzes, indem präventive agronomische Maßnahmen in den Mittelpunkt der Schädlingsbekämpfung gestellt werden und chemisch-synthetische Pestizide nur als allerletzte Maßnahme eingesetzt werden. Obwohl IPM bereits durch die derzeitige EU-Richtlinie (über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden) seit rund 10 Jahren verbindlich vorgeschrieben ist, wurde es von den Mitgliedstaaten nicht ordnungsgemäß umgesetzt. Die neue Pestizidverordnung zielte darauf ab, die kulturspezifischen IPM-Regeln zu definieren und verbindlicher zu machen, um sicherzustellen, dass IPM wirksam angewendet wird. Das Schaubild zeigt, welche deutschen Parteien für diese obligatorischen Regeln stimmten oder nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Schutzgebiete und öffentliche Plätze besser vor Pestiziden schützen

Das vorgeschlagene neue Gesetz hätte den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden in sensiblen Gebieten wie Naturschutzgebieten, öffentlichen Räumen, Parks und Spielplätzen verboten. Mit dieser Maßnahme sollten Bürger*innen, insbesondere gefährdete Gruppen wie Kinder und Schwangere, und unsere Ökosysteme besser geschützt werden. Das Schaubild zeigt, welche deutschen Parteien im EU-Parlament diesen wichtigen Schutz unterstützen und welche nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Gewässer besser vor Pestiziden schützen

Die Verschmutzung von Grund- und Oberflächengewässern durch Pestizide stellt ein großes Risiko für die öffentliche Gesundheit und für die Ökosysteme dar und verursacht der Gesellschaft erhebliche Kosten. Das Schaubild zeigt, wie die deutschen Parteien im EU-Parlament für Verbesserungen im Gewässerschutz vor Pestizidverschmutzung gestimmt haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

4. Pestizidreduktion durch jährliche unabhängige Beratung der landwirtschaftlichen Betriebe fördern

In den letzten Jahrzehnten wurde die unabhängige Offizialberatung für landwirtschaftliche Betriebe abgebaut und zum Teil durch private Dienste ersetzt, die ggf. mit Pestizidkonzernen zusammenarbeiten. Dies führt zu Interessenkonflikten. Regelmäßige unabhängige Beratung ist wichtig, um sich aus dem Griff der Pestizidindustrie zu befreien und Landwirt*innen bei der Einführung alternativer Praktiken zu unterstützen. Das Schaubild zeigt, welche deutschen Parteien sich für die Unterstützung der Landwirt*innen durch eine jährlich stattfindende unabhängige Beratung ausspricht (anstatt nur alle drei Jahre) – und welche nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

5. Mehr Anstrengungen zur Reduzierung der schädlichsten Pestizide

Dieses Schaubild zeigt, welche Parteien für und gegen einen Änderungsantrag gestimmt haben, der ein höheres Reduktionsziel für die gefährlichsten Pestizide vorsieht, nämlich eine Reduktion von 65 % bis 2030 anstelle von 50 %.

 

 

 

 

 

 

 

 

Methodik: Die Daten für die Infographiken basieren auf den Ergebnissen der namentlichen Abstimmungen bei der Plenarabstimmung des Europäischen Parlaments über den SUR-Vorschlag, die am 22. November in Straßburg stattfand. Die Ergebnisse wurden durch MEP watch überprüft.

Weitere Informationen bietet der PAN Europe Blog Beitrag „EU citizens asked for less pesticides. Find out which politicians listened. Make your vote count!

Eine Übersichtstabelle bietet zudem die Möglichkeit nachzusehen, wie die einzelnen Abgeordneten abgestimmt haben.




Weitverbreitete Wasserverschmutzung durch langlebiges Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden

Eine von Mitgliedsorganisationen des Europäischen Pestizid Aktions-Netzwerks, darunter PAN Germany, durchgeführte gemeinsame Untersuchung von 23 Oberflächen- und sechs Grundwasserproben in zehn EU-Ländern zeigt alarmierende Werte der wenig bekannten und weitgehend unregulierten „Ewigkeitschemikalie“ TFA (Trifluoracetat). Die Belastung steht weniger im Zusammenhang mit industriellen Hotspots, sondern ist weit verbreitet, mit bemerkenswert hohen Konzentrationen in landwirtschaftlichen Gebieten.

TFA ist ein Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden, F-Gasen und von anderen sogenannten „Ewigkeitschemikalien“ (PFAS). Die in den Wasserproben gefundenen Konzentrationen betrugen im Durchschnitt 1.180 Nanogramm pro Liter (ng/l). Dies ist 70 Mal höher als die durchschnittliche Konzentration aller anderen untersuchten PFAS zusammen, einschließlich der bekannten „Hot-Spot“-PFAS. In 23 der 29 Wasserproben (79 %) überstieg die TFA-Konzentration den in der EU-Trinkwasserrichtlinie vorgeschlagenen Grenzwert für PFAS insgesamt. Der höchste TFA-Wert konnte in der Elbe bei Hamburg mit einem Wert von 3.300 ng/l festgestellt werden.

Die Daten zeichnen ein alarmierendes Bild der weit verbreiteten Wasserverschmutzung durch eine wenig bekannte, aber sehr persistente und sehr mobile „Ewigkeitschemikalie“. Bislang wurde das PFAS-Problem vor allem als Problem hoch kontaminierter, aber lokal begrenzter Hotspots verstanden. Jetzt zeigt sich eine weitreichende Belastung mit TFA in Gewässern.

Das Umweltbundesamt (UBA) hat kürzlich PFAS-Pestizide als die wahrscheinlich wichtigste Quelle für die TFA-Wasserverschmutzung in ländlichen Gebieten identifiziert. Die EU-Pestizidverordnung schreibt vor, dass Pestizide nur dann zugelassen werden dürfen, wenn ihre Wirkstoffe und „relevanten Metabolite“ Konzentrationen von 100 ng/l im Grundwasser nicht überschreiten. TFA wurde allerdings vor über 20 Jahren als ein sog. „nicht-relevanter Metabolit“ von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA eingestuft und ist somit bislang von allen Überwachungspflichten und -grenzwerten ausgenommen.

„Die katastrophale Entscheidung der EFSA, die Grundwasserkontamination durch TFA zu vernachlässigen, sicherte den Herstellern die Vermarktung von PFAS-Pestiziden und legte den Grundstein für die wohl größte und weitreichendste Kontamination des europäischen Oberflächen- und Grundwassers durch eine vom Menschen hergestellte Chemikalie in der Geschichte“, so Salomé Roynel, Policy Officer bei PAN Europe in der englischsprachigen Pressemitteilung.

Aber auch die EU-Wasserrahmenrichtlinie hat diese Kontamination nicht verhindert, obwohl in Artikel 4 die Mitgliedstaaten ausdrücklich aufgefordert werden, „die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um jede signifikante und anhaltende steigende Tendenz der Konzentration eines Schadstoffs, die auf die Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten zurückzuführen ist, umzukehren“. Nach Sicht von PAN hätten diese gesetzlich geforderten „notwendigen Maßnahmen“ zweifellos ein Verbot von PFAS-Pestiziden und den so genannten F-Gasen nach sich ziehen müssen. F-Gase gelangen in Tausenden von Tonnen aus industriellen Kühlmitteln in die Atmosphäre und dann als TFA über den Regen in den globalen Wasserkreislauf.

Der Beweis für die gefährlichen Eigenschaften von TFA wurde kürzlich in einer von der Industrie in Auftrag gegebenen Tierstudie erbracht, in der TFA schwere Missbildungen bei Kaninchenbabys verursachte, deren Mütter während der Schwangerschaft TFA ausgesetzt waren. Auf Initiative Deutschlands wird die ECHA prüfen, ob TFA als reproduktionstoxisch eingestuft werden soll.

Das Ausmaß der festgestellten TFA-Kontamination erfordert rasches und entschiedenes Handeln. PAN Europe, PAN Germany und die anderen beteiligten Mitgliedsorganisationen fordern deshalb

  • ein rasches Verbot von PFAS-Pestiziden,
  • die Umsetzung der allgemeinen PFAS-Beschränkung im Rahmen der REACH-Chemikalienverordnung,
  • die Einstufung von TFA als „prioritärer Stoff“ im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie,
  • und ein umfassendes Monitoring mit Überwachungspflichten und Grenzwerten für TFA.

 

Bericht „TFA in Wasser -Schmutziges PFAS-Erbe unter dem Radar“

Report „TFA in Water – Dirty PFAS Legacy under the Radar”

PAN Europe Pressemitteilung (engl.)

Mehr dazu: Eine kürzlich veröffentlichte Studie von PAN Europe und Partnerorganisationen analysierte das Ausmaß an Rückständen von PFAS-Pestiziden in Lebensmitteln: PAN Germany berichtete




Zum Wohl der Umwelt, Gesundheit und Betriebe: Pestizidreduktion ist kein Selbstzweck

PAN Germany nimmt Stellung zur BMEL-Diskussionsgrundlage „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“

Seit Jahren schafft Deutschland es nicht, trotz entsprechender EU-Vorgaben, die Anwendung chemisch-synthetischer Pestizide wirksam zu reduzieren. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter Bundesminister Cem Özdemir hat nun Verbände eingeladen, sich an der Ausarbeitung eines „Zukunftsprogramms Pflanzenschutz“ zu beteiligen und eine entsprechende Diskussionsgrundlage erstellt. Hierin bekennt sich das BMEL zu den Pestizidreduktionszielen der Farm-to-Fork-Strategie der EU, die eine 50% Pestizidreduktion vorsieht.

PAN Germany begrüßt die Initiative des BMEL, sieht aber dringenden Nachbesserungsbedarf hinsichtlich Konkretisierung, Priorisierung, Kommunikation und Finanzierung der im Diskussionspapier vorgestellten Maßnahmen. PAN Germany hat dies detailliert in seiner Stellungnahme und im Verbund mit dreizehn weiteren Umwelt- und Agrarverbänden in einem gemeinsamen Offenen Brief an Bundesminister Özdemir und einer begleitenden gemeinsamen Pressemitteilung deutlich gemacht.

PAN Germany

  • betont, dass der Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide Menschen, Natur und Umwelt in einem Maß belastet, der nicht kompensierbar ist und dass der Verlust an biologischer Vielfalt, zentrale Ökosystemfunktionen gefährdet, die Funktionen und Fruchtbarkeit von Böden reduziert und unsere Ernährungssicherheit bedroht.
  • begrüßt das Bekenntnis zu den 50% Pestizidreduktionszielen der EU Farm-to-Fork Strategie,
  • fordert, dass auch das zweite Ziel, die Reduktion der besonders gefährlichen Pestizide aufgenommen wird,
  • verweist auf die Zusagen im Koalitionsvertrag, „den Einsatz von Pestiziden deutlich verringern zu wollen“, und kritisiert angesichts der weit fortgeschrittenen Legislaturperiode die späte Vorlage der Diskussionsgrundlage.
  • vermisst in der Diskussionsgrundlage eine bessere Kommunikation dessen, dass eine Reduktion der chemisch-synthetischen Pestizide auch im Eigeninteresse der Landwirtschaft ist und bei entsprechender Ausgestaltung durchaus die bürokratische Belastung der Betriebe reduzieren kann,
  • begrüßt das Ziel, externe Kosten des Pestizideinsatzes zu internalisieren und plädiert für die Einführung einer Pestizidabgabe ohne weitere Verzögerungen,
  • begrüßt das Ziel, die Öko-Landbaufläche auf 30% auszubauen und sieht im Ausbau der Ökofläche die beste Maßnahme, um nicht nur dauerhaft die Ausbringung chemisch-synthetischer Pestizide zu reduzieren, sondern auch, weil der Ökologische Landbau sich auch darüber hinaus vielfältig positiv im Sinne des Gemeinwohls auswirkt.
  • kritisiert, dass unklar bleibt, woher die notwendige finanzielle Unterstützung zur Erreichung des Ziels 30% Öko-Landbaufläche kommen soll. Maßnahmen müssen aus Sicht von PAN die wirtschaftliche Planbarkeit für die Agrarbetriebe verbessern und insgesamt die Entscheidung für eine Umstellung konventioneller Betriebe auf den ökologischen Landbau erleichtern. Hierzu macht PAN Vorschläge im Sinne eines Maßnahmenbündels.
  • begrüßt die in Aussicht gestellte Überarbeitung der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz (gfP) im Sinne eines vorsorgenden, integrierten Pflanzenschutzes und sieht darin eine Maßnahme, die zeitlich noch sehr gut vor Ablauf der Legislaturperiode realisiert werden kann und
  • wünscht sich ein entschlossenes Handeln gegen den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden im Haus- und Kleingarten (HUK).

Weitere Forderungen und Vorschläge von PAN Germany zur Ausarbeitung des Zukunftsprogramms – unter anderem zum Integrierten Pflanzenschutz, für einen besseren Schutz von Gewässern inklusive Trinkwasser, zum digitalen Anwendungskataster, zu Verbesserungen bei der Mittelzulassung wie einem  Nachzulassungsmonitoring und weiteren wichtigen Aspekten, finden sich in unserer ausführlichen Stellungnahme

 Hintergründe / Zum Weiterlesen:

Offener Brief der Verbände an Bundesminister Özdemir zum Zukunftsprogramm Pflanzenschutz

Gemeinsame Pressemitteilung der Verbände vom 6. Mai 2024

PAN Stellungnahme zur BMEL Diskussionsgrundlage für ein Zukunftsprogramm Pflanzenschutz

BMEL Diskussionsgrundlage für die Erarbeitung eines „Zukunftsprogramms Pflanzenschutz“




Parkinson-Krankheit endlich als pestizidbedingte Berufskrankheit anerkannt

Darauf haben betroffene Landwirt*innen in Deutschland sehr lange warten müssen: Das „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ wurde vom zuständigen Sachverständigenbeirat als neue Berufskrankheit anerkannt. PAN Germany begrüßt diese Entscheidung. Mehr als zehn Jahre nachdem in Frankreich Parkinson-Erkrankungen als durch Pestizide verursachte Berufskrankheit von Landwirt*innen anerkannt wurde, können nun endlich auch in Deutschland Betroffene Anspruch auf Anerkennung und Hilfe geltend machen. PAN Germany möchte Betroffene ermutigen, nun entsprechende Anträge zu stellen.

Eine Anerkennung als Berufskrankheit, so das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in seiner Meldung vom 20. März 2024, kommt bei an Parkinson erkrankten Personen in Betracht, die Pestizide langjährig und häufig im beruflichen Kontext selbst angewendet haben. Das Ministerium geht daher davon aus, dass vor allem Landwirt*innen, deren mitarbeitende Familienangehörige sowie Beschäftigte in der Landwirtschaft zu den Betroffenen zählen.

Der ärztliche Sachverständigenbeirat des BMAS macht in seiner wissenschaftlichen Empfehlung sehr deutlich, dass die zur Entscheidung ausgewerteten wissenschaftlichen Studien einen eindeutigen Zusammenhang zwischen beruflicher Pestizidexposition und der Entstehung einer Parkinson-Erkrankung aufzeigen – und das hinsichtlich der Exposition mit allen Funktionsgruppen: Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden.

Das Pestizid Aktions-Netzwerk e.V., das sich seit Jahren für eine entsprechende Anerkennung pestizidbedingter Parkinsonerkrankungen als Berufskrankheit eingesetzt und Betroffene mit Informationen unterstützt, ist erleichtert über die – wenn auch späte – Anerkennung. Auch wenn eine Anerkennung als Berufskrankheit die Erkrankung und das Leid der Betroffenen nicht ungeschehen machen kann, so ist sie doch mit erheblichen Vorteilen verbunden. Hierzu zählen eine umfassendere medizinische Versorgung und Möglichkeiten lebenslanger Rentenzahlung. Das besondere an der Berufskrankheit ist, dass die gesetzliche Unfallversicherung für die hierfür notwendigen Leistungen aufkommt. Zu den Leistungen gehören auch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, der Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft.

Bereits vor Jahren hat PAN darauf hingewiesen, dass das Verfahren der Anerkennung von Berufskrankheiten erhebliche Defizite aufweist. Der Sachverständigenbeirat hatte es langjährig versäumt, eine Bewertung des Wissenstands um die Verursachung von Krankheiten durch Pestizide bei Landwirt*innen vorzunehmen. Dabei war der Zusammenhang so evident, dass Gerichte bereits vor 15 Jahren im Einzelfall Parkinson-Erkrankungen als „Wie eine Berufskrankheit“ anerkannt hatten, obwohl keine Empfehlung des Beirats vorlag (s. hierzu das PAN Informationsplatt zu Berufserkrankungen durch Pestizide).

Es ist völlig unverständlich, warum die Anerkennung des Parkinson-Syndroms durch Pestizide als Berufskrankheit um Jahre verschleppt wurde. Die überwiegende Anzahl der Publikationen, auf die sich der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten jetzt in seiner wissenschaftlichen Empfehlung bezieht, wurde vor 10-20 Jahren publiziert, einschließlich der so genannten Meta-Analysen, die den jeweils aktuellen Wissensstand zusammenfassen.

Es muss befürchtet werden, dass durch den langsamen Prozess und die späte Entscheidung des Beirates manche Rente und Behandlung nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Das zeigt wie dringlich es ist, die Prozesse zur Entscheidung über die Aufnahme von Berufskrankheiten zu überprüfen und deutlich zu verbessern.

Aktuell sind in der Liste der anerkennungsfähigen Berufskrankheiten 82 Berufskrankheiten aufgeführt. (Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung).

 

Meldung des BMAS vom 20.3.2024: Empfehlung für neue Berufskrankheit „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ beschlossen

Wissenschaftliche Empfehlung für die Berufskrankheit „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Berufskrankheiten (ÄSVB) beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales

PAN Germany (2019): PAN Germany Informationsblatt zum Thema Pestizide & Berufskrankheiten.

Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen: Informationen zur Erkrankung

Selbsthilfe Vereinigung Deutsche Parkinson Vereinigung Bundesverband e.V.




NGO-Statement: Die EU muss die Pestizidreduktion umsetzen!

Am 6. Februar 2024 kündigte die Europäische Kommission an, dass sie ihren Vorschlag für eine Verordnung über die nachhaltige Nutzung von Pestiziden (Sustainable Use Regulation, SUR) zurückziehen werde. Damit werden dringend notwendige Maßnahmen zur Verringerung des Einsatzes und der Risiken synthetischer Pestizide in Europa um Jahre verzögert.

125 Organisationen, darunter Umweltgruppen, Imker, Landwirte und Gewerkschaften, haben eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der sie das Scheitern der EU bei der Verabschiedung einer ehrgeizigen Verordnung zur Reduzierung von Pestiziden scharf kritisieren. Die Rücknahme ehrgeiziger Umweltziele sei die falsche Antwort auf die Mobilisierung der Landwirte in ganz Europa und wird die Landwirtschaft nur weiter in nicht nachhaltigen Praktiken festhalten, die die Gesundheit der Landwirte beeinträchtigen und gleichzeitig die biologische Vielfalt und die Ökosysteme zerstören, von denen unsere Lebensmittelproduktion abhängt.

Die Organisationen der Zivilgesellschaft – darunter PAN Germany – fordern die Europäische Kommission auf, sich weiterhin auf die wirklichen Probleme der Landwirte zu konzentrieren, einschließlich fairer Einkommen, und gleichzeitig den Übergang zu widerstandsfähigen Lebensmittelsystemen zu beschleunigen und den Zugang zu sicheren und gesunden Lebensmitteln für alle zu gewährleisten.

Eine ehrgeizige Verordnung auf europäischer Ebene zur Verringerung des Pestizideinsatzes, die mit den „Farm to Fork“-Zielen und den globalen Biodiversitätszielen für die Zeit nach 2020 in Einklang steht, ist dringend erforderlich. Dies muss eine Priorität für die EU-Kommission auch des nächsten EU-Mandats nach der Europawahl im Juni 2024 bleiben.

Joint Statement: The EU must make pesticide reduction a reality!




Veranstaltung: „Pflanzenschutz oder Umweltschmutz?“, 19.01.2024, 10-12 Uhr

Veranstaltungshinweis: Freitag, 19. Januar, 10.00 – 12.00 Uhr 

Pflanzenschutz oder Umweltschmutz? Warum die Welt sich chemisch-synthetische Pestizide schön längst nicht mehr leisten kann.
Podiumsdiskussion in Kooperation mit MdEP Martin Häusling

Ort: In Berlin bei der Heinrich-Böll-Stiftung und im Livestream

Die Diskussionsveranstaltung ist Teil der Veranstaltungsreihe „Landwirtschaft anders – unsere Grüne Woche“ der Heinrich-Böll-Stiftung.

Eine drastische Verringerung des Pestizideinsatzes ist zwingend notwendig, wenn wir einen Zusammenbruch der Ökosysteme vermeiden wollen. Daran besteht aus wissenschaftlicher Perspektive kein Zweifel. Dennoch wird politischen Bemühungen um eine Reduzierung der Pestizide von Seiten der konservativen Parteien, der Lobby der Großbetriebe und der Pestizidindustrie mit einem enormen Widerstand begegnet.

In der Veranstaltung kommen Expert*innen aus dem Bereich der Pestizide aus Deutschland, Europa, Brasilien und Kenia zu Wort. Diskutiert wird, woran es liegt, dass die dringend benötigte Pestizidreduktion und ein verstärkter Ausbau agrarökologischer Bewirtschaftung nur langsam vorangehen, und was es braucht, um einen Systemwechsel in Gang zu bringen.

Podiumsdiskussion mit

  • Martin Häusling, Mitglied des Europäischen Parlaments und Agrarpolitischer Sprecher der Grünen Europafraktion
  • Carsten Rocholl, Co-Autor der Publikation „Weg ist Weg! Warum es keine Alternative zum Erhalt der Artenvielfalt gibt“
  • Silke Bollmohr, Referentin für Welternährung und globale Landwirtschaft bei INKOTA
  • Susan Haffmans, Referentin für Pestizide beim Pestizid Aktions-Netzwerk
  • Larissa Bombardi, Professorin für Geographie an der Universität von São Paulo

Video-Statement von Harun Warui, Programmleiter Recht auf Nahrung und Agrarökologie der Heinrich-Böll-Stiftung Nairobi

Moderation: Lena Luig, Heinrich-Böll-Stiftung

Die Veranstaltung wird im Livestream übertragen. Sprachen: Deutsch und Englisch. Für Nachfragen: berlin@martin-haeusling.eu

Mehr Infos zur Veranstaltung finden Sie hier bei der Heinrich-Böll-Stiftung

Zur Anmeldung




PAN-Report: Pestizide können aus „geschlossenen“ Gewächshäusern entweichen

Brüssel, Hamburg, 12. Dezember 2023. Pressemitteilung. Probenahmen von Regen- und Oberflächenwasser in der Umgebung von Gewächshäusern in Belgien, den Niederlanden, Spanien und Deutschland zeigen eine alarmierend hohe Belastung durch Pestizide. Dazu gehören Stoffe, die üblicherweise in Gewächshäusern verwendet werden, aber auch solche, die schon vor Jahren verboten wurden. Der Bericht “It rains pesticides from greenhouses!” wurde heute vom Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) Europa veröffentlicht. Er unterstreicht das Problem, dass Gewächshäuser keine geschlossenen Räume sind und insofern nicht weniger strenge Vorschriften bei der Pestizidzulassung verdienen.

Dutzende von Pestiziden wurden in Proben von Regen- und Oberflächenwasser nachgewiesen, die in Gebieten entnommen wurden, in denen der Anbau in Gewächshäusern die einzige oder vorherrschende landwirtschaftliche Tätigkeit ist. In einer Regenwasserprobe aus den Niederlanden wurden 35 verschiedene Pestizide nachgewiesen, in einer Oberflächenwasserprobe aus Spanien 23. Die Zahl der nachgewiesenen Pestizide war in dieser Momentaufnahme in allen vier EU-Mitgliedstaaten hoch.

Die Konzentrationen der einzelnen Pestizide lagen zwar unter den – sofern überhaupt vorhandenen –  Umweltqualitätsnormen für Oberflächengewässer, aber ihr kombiniertes Vorhandensein gibt Anlass zur Sorge. In der Studie wurden Pestizidgemische von bis zu 90 μg/l in belgischem Oberflächenwasser und 21 μg/l in Regenwasserproben festgestellt. Das sind 180 bzw. 42 Mal mehr als der kürzlich vorgeschlagene Summengrenzwert von 0,5 μg/l für Pestizide in Oberflächengewässern.¹

Dies ist besorgniserregend, da die (Öko-)Toxizität in Form von Mischungseffekten noch immer nicht ausreichend in die Risikobewertung im Rahmen der EU-Pestizidregulierung² einbezogen wird, obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass kumulative – additive oder sich verstärkende – Effekte berücksichtigt werden müssen.

Entsprechende Pestizidemissionen in die Umwelt stellen somit ein Risiko für die Ökosysteme, die biologische Vielfalt und die menschliche Gesundheit dar. Dennoch gehen viele nationale und die europäischen Behörden weiterhin davon aus, dass Gewächshäuser geschlossene Räume sind, die die Freisetzung von Pestiziden in die Umwelt verhindern. Hans Muilerman, Koordinator für Chemikalien bei PAN Europe, appelliert: „Die EU sollte dringend aufhören, ansonsten verbotene Pestizide für den Einsatz in Gewächshäusern zu genehmigen. Gewächshäuser sind nicht geschlossen und müssen einer angemessenen Risikobewertung unterzogen werden.“

Die Probenbefunde fügen sich in bereits vorhandene Untersuchungen ein, die im aktuellen Bericht dargestellt werden. Demnach ist der Einsatz von Dauergewächshäusern als Schutzmaßnahme gegen Freisetzungen in die Umwelt für Pestizide, die laut Genehmigungsprüfung für einen Einsatz auf offenem Feld zu gefährlich sind, mehr als fragwürdig. Dieses gängige Verfahren zeigt eine relevante Rechtslücke in der Pestizidverordnung (EU/1107/2009) auf und verstößt außerdem nach Ansicht von PAN Europe gegen das Vorsorgeprinzip des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

„Es ist zu begrüßen, dass die deutschen Zulassungsbehörden durch eine realistischere Definition von Gewächshäusern die Möglichkeit geschaffen haben, Pestizidemissionen aus solchen Anwendungen im Rahmen der nationalen Produktzulassung zu bewerten“, betont Susanne Smolka, Referentin für Pestizide und Biozide beim Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany). „Allerdings muss Deutschland oft Zulassungsentscheidungen aus anderen Mitgliedsstaaten anerkennen. Deshalb ist es notwendig, endlich ein einheitliches und ein gleichbleibend hohes Niveau bei den nationalen Zulassungsprüfungen zu gewährleisten oder zumindest sicherzustellen, dass der Umweltschutz in Staaten wie Deutschland nicht ausgehebelt wird“, so die Biologin Smolka. Das Umweltbundesamt kritisiert, dass im Zuge der geltenden Rechtslage der „gegenseitigen Anerkennung“ Pestizide in Deutschland Zulassungen erhalten müssen, obwohl sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen der Umwelt schaden.3

Genannt werden in diesem Zusammenhang unter anderem der Unkrautvernichter Flufenacet und S-Metolachlor. Beide Pestizide konnten in vergleichsweise hohen Konzentrationen von 0,097 µg/l und 0,31 µg/l im Rahmen dieser Studie in deutschen Regenwasserproben nachgewiesen werden. Weitere nachgewiesene Pestizide, die aus der Anwendung aus Gewächshäusern stammen können, sind u.a. Tetrahydrophthalimid, ein Metabolit des Fungizids Captan, das im Erdbeer- und Zierpflanzenanbau eingesetzt wird, das PFAS-Fungizid Fluopyram4 sowie Fluxapyroxad. Das Ackerbaufungizid Boscalid (0,11 µg/l) sowie das Herbizid Terbutylazin (0,21 µg/l) und sein Metabolit Desethylterbutylazin (0,24 µg/l) fielen mit besonders hohen Konzentrationen in den deutschen Proben auf. Zu erwähnen ist auch der Fund von Dimethomorph, ein für Mensch und Umwelt identifiziertes hormon- und fruchtbarkeitsschädigendes Pestizid. Wie langwierig Gewässerbelastungen mit Pestiziden sein können, verdeutlicht der Nachweis des seit rund 30 Jahren verbotenen Herbizids Atrazin im beprobten Bach (0.091 µg/l). In den deutschen Proben wurden jeweils 20 verschiedene Pestizide im Regenwasser nachgewiesen und im beprobten Bachlauf insgesamt 17.

PAN Europe (Belgien) führte zusammen mit seinen Mitgliedern und Partnern: Ecologistas en Acción (Spanien), PAN Germany (Deutschland), Natuur en Milieufederatie Zuid-Holland und PAN Netherlands (Niederlande) in zwei Runden im April und im Mai/Juni 2023 Oberflächen- und Regenwasserprobenahmen in der Umgebung von Gewächshäusern durch. Die Proben wurden auf eine Auswahl von 164 zugelassenen und verbotenen Pestiziden untersucht. Die EU-Datenbank verzeichnet derzeit etwa 450 zugelassene Pestizide. Insofern ist somit wahrscheinlich, dass die Gewässerbelastung durch Pestizide tatsächlich noch höher ist.

Der Bericht belegt, dass Gewächshäuser keine geschlossenen Systeme darstellen und stützt sich auf Recherchen nationaler Vorschriften und Pestizidzulassungen, die von den PAN Europe-Mitgliedern und Partnern in den vier betrachteten Ländern durchgeführt wurden.

 Quellen:

1) Proposal for a Directive amending the Water Framework Directive, the Groundwater Directive and the Environmental Quality Standards Directive: https://environment.ec.europa.eu/publications/proposal-amending-water-directives_en

2) Pestizidzulassungsverordnung EG/1107/2009: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:309:0001:0050:de:PDF

3) Umweltbundesamt (2022) Pestizidzulassungen hebeln Umweltschutz aus: https://www.umweltbundesamt.de/themen/pestizidzulassungen-hebeln-umweltschutz-aus

4) PAN Europe (2023) New report exposes hidden threat: PFAS presence in pesticides: https://www.pan-europe.info/press-releases/2023/11/new-report-exposes-hidden-threat-pfas-presence-pesticides

Kontakt:

  • Manon Rouby, Policy Officer / Legal Adviser, Pesticides Action Network (PAN) Europe, manon@pan-europe.info, +336 43 24 33 79
  • Hans Muilerman, Chemicals Coordinator, Pesticides Action Network (PAN) Europe, hans@pan-europe.info, +316 55807255
  • Susanne Smolka, Referentin Pestizide / Biozide, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Susanne.smolka@pan-germany.org, +49 (0)40 399 19 10-24

 




Warum die Klima-COP28 der Agrarökologie Priorität einräumen muss

Heute wurde sie eröffnet: Die 28. UN-Weltklimakonferenz. Zwei Wochen lang beraten um die 200 teilnehmende Staaten in den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Ziele, die im Pariser Klimaschutzabkommen 2015 festgelegt wurden, darüber was bisher erreicht wurde und welche Maßnahmen dringend notwendig sind, um das Ziel einer globalen Erderwärmung von maximal 1,5° Celsius noch zu erreichen. Als Beobachter mit dabei sind auch diesmal wieder hunderte von NGO-Vertreter*innen – bei der COP27 waren es gut 3000 (!).

Eine erhebliche klimarelevante Rolle spielen die Landwirtschafts- und Ernährungssysteme, die mehr als ein Drittel der globalen klimaschädlichen Emissionen verursachen. Um die globale Erwärmung im Einklang mit den Zielen des Pariser Abkommens zu begrenzen, müssen die Landwirtschaft- und Ernährungssysteme umgestaltet werden. Die Abkehr von der industriellen Landwirtschaft, die auf fossile chemische Stoffe wie synthetische Pestizide und Düngemittel angewiesen ist, ist hierfür essentiell.. Die UN-Klimakonferenz COP28 ist aufgerufen, diesen zentralen Bereich der Landwirtschafts- und Ernährungssysteme im Blick zu haben und agrarökologische, klimaschonende Anbaumethoden stärker zu fordern und zu fördern.

Dass Landwirtschaft in einer Weise betrieben werden kann, die zugleich zum Wohl der Menschen, der Natur und Umwelt ist, das Klima schützt und gleichzeitig resilient auf Klimaveränderungen reagieren kann, zeigen Biobetriebe und agrarökologisch wirtschaftende Betriebe auf der ganzen Welt. Eine Untersuchung der Technischen Universität München belegte erst Anfang des Jahres die positiven Klima- und Umweltwirkungen der ökologischen Bewirtschaftung und wie hierdurch zudem die Kosten für die Gesellschaft verringert werden.

Der Weltklimarat IPCC berichtet, dass die Einführung agrarökologischer Anbaumethoden die klimarelevanten Emissionen um 2,8 bis 4,1 Gigatonne CO2-Äquivalent (Gt CO2e) pro Jahr reduzieren könnte, was dem Umfang von bis zu 10 % der globalen energiebezogenen Emissionen bezogen auf das Jahr 2021 entspräche. Der Rat weist auch darauf hin, dass Agrarökologie dazu beiträgt, produktive und gerechte Nahrungsmittelsysteme zu erhalten, die an den bereits eingeleiteten Temperaturanstieg besser angepasst seien. Die meisten Unterzeichnerstaaten des Pariser Abkommens haben sich bereits verpflichtet, agrarökologische Anbaumethoden deutlich auszubauen, den Einsatz von chemischen Düngemitteln und Pestiziden sowie die Umweltverschmutzung erheblich zu reduzieren und hochgefährliche Pestizide in der Landwirtschaft auslaufen zu lassen. Diese Verpflichtungen wurden in ergänzenden UN-Vereinbarungen wie dem Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework und dem neuen Global Framework on Chemicals (SAICM-Nachfolgeabkommen) aufgegriffen. Die Vorteile dieser Reformen für die Gesellschaft, die biologische Vielfalt, den Klimaschutz und die Klimaanpassung sind evident.

PAN Germany unterstützt die Klima-bezogene Arbeit des PAN International Netzwerks und insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von PAN Asien und Pazifik, die mit der Global Peoples’ Caravan for Food, Land, and Climate Justice vor Ort in Dubai sind. Gemeinsam fordern wir die Vertragsparteien des Pariser Abkommens auf, ihrer Verpflichtungen nachzukommen und Maßnahmen gegen HHPs und für Agrarökologie in ihre nationalen Klimaschutzpläne aufzunehmen.

PAN International Positionspapier „Food System Transformation at COP28 – Why agroecology must be prioritised“