Weltchemikalienkonferenz: Ehrgeizige Maßnahmen zur schrittweisen Abschaffung der gefährlichsten Pestizide der Welt angemahnt

Bonn, 25. September 2023. Pressemitteilung. 373 Organisationen der Zivilgesellschaft und indigener Völker aus 74 Ländern fordern die Staats- und Regierungschefs auf der bedeutenden internationalen Weltchemikalienkonferenz dazu auf, dringend zu handeln, um hochgefährliche Pestizide (HHP)[1] aus dem Verkehr zu ziehen. HHPs sind eine bestimmte Gruppe von Pestiziden, die der menschlichen Gesundheit und der Umwelt in besonderer Weise schaden und als zu gefährlich für den Einsatz gelten.

Der gemeinsame Appell an Regierungen und andere Akteure des Strategischen Ansatzes für ein internationales Chemikalienmanagement (SAICM) wurde bei der heutigen Eröffnung der Weltchemikalienkonferenz (ICCM5) unterbreitet. Der Appell fordert, in den neuen SAICM-Rahmen „Beyond2020“ ein ehrgeiziges Ziel für den Ausstieg aus der Verwendung von HHPs in der Landwirtschaft bis 2030 aufzunehmen. Auf der Konferenz wird die zukünftige Rahmenvereinbarung abgestimmt, die für die nächsten Jahrzehnte die Richtung der globalen Chemikalienpolitik vorgeben wird.

„Von allen Sektoren setzt der Agrarsektor systematisch und beabsichtigt die größte Menge giftiger Chemikalien – Pestizide – in die Umwelt frei, wodurch jährlich Milliarden Hektar Land verschmutzt werden und erhebliche Schäden für die biologische Vielfalt, das Klima, die Gesundheit und die Menschenrechte entstehen. Die Konferenz hat die Möglichkeit und die Verpflichtung, dieser Belastung zu begegnen und Lösungen festzuschreiben, damit die alltägliche Vergiftung endlich gestoppt wird.“, sagt Susan Haffmans, Referentin für Pestizide und Internationale Angelegenheiten bei PAN Germany.

Zu den Unterstützern des Appells zählen Organisationen aus aller Welt, die Landwirt*innen, Landarbeiter*innen, indigene Völker und ländliche Bevölkerungsgruppen vertreten, Wissenschaftler*innen und Akademiker*innen, Opfer von Pestizidvergiftungen, Verbraucher- und Menschenrechtsaktivist*innen, Umwelt- und Gesundheitsgruppen und Gewerkschaften. Gemeinsam rufen sie die Teilnehmenden an der ICCM5 dazu auf, sich für folgende Kernpunkte im neuen Regelwerk einzusetzen:

  • Die Aufnahme eins Ziels für alle Länder, die Ausfuhr von Stoffen zu untersagen, die sie auf nationaler Ebene verboten haben. Bei vielen dieser Stoffe handelt es sich um Pestizide.
  • Die Aufnahme eines Ziels für alle Länder, Strategien und Programmen zur Förderung sichererer und nachhaltigerer, nicht-chemischer Alternativen zu HHPs, umzusetzen, insbesondere von Agrarökologie.
  • Den Vorschlag von 54 afrikanischen Ländern mitzutragen, eine Globale Allianz für hochgefährliche Pestizide[2] zu gründen, die sich für den Ausstieg aus der Verwendung hochgefährlicher Pestizide einsetzt.

„Wenn die Ziele für nachhaltige Entwicklung erreicht, der ökologische Kollaps abgewendet und die Menschenrechte gewahrt werden sollen – einschließlich des Rechts auf Nahrung und des Rechts künftiger Generationen auf eine saubere und gesunde Umwelt – müssen alle zusammenarbeiten, um die gefährlichsten Pestizide der Welt zu beseitigen und sicherere agrarökologische Alternativen einzuführen und zu verbreiten“, heißt es in dem gemeinsamen Schreiben.

Die Gruppen entgegneten Befürchtungen, die Abschaffung von HHPs könne die Ernährungssicherheit gefährden, und erklärten, dass im Gegenteil die toxischen Auswirkungen von HHPs, die Ökosysteme und die Produktivität negativ beeinflussen. HHPs wurden in der Landwirtschaft in einer Reihe von Ländern schrittweise abgeschafft, ohne die landwirtschaftliche Produktivität zu beeinträchtigen. Dies wurde auch von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannt.[3] Es gibt bereits sicherere Alternativen zu synthetischen Pestiziden. Vor allem agrarökologische Ansätze haben sich als wirksame und nachhaltige Alternativen erwiesen.[4]

Jedes Jahr werden fast 400 Millionen Landwirt*innen und Landarbeiter*innen durch Pestizide vergiftet, was zu etwa 11.000 Todesfällen führt – die meisten davon ereignen sich im globalen Süden. Weil sie äußerst giftig sind, sind HHPs für eine große Zahl dieser akuten Vergiftungsfälle verantwortlich[5].

Nur ein Bruchteil der weltweit auf dem Markt befindlichen Pestizide wird über verbindliche Konventionen reguliert. Das jetzt verhandelte neue Chemikalienabkommen unter dem Dach des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) soll Lösungen erarbeiten, für die zunehmende Belastung unseres Planeten und der Gesundheit aller Menschen mit Chemikalien und Abfällen.

Kontakt für deutsche Medien: Susan Haffmans, susan.haffmans@pan-grmany.org, mobil: +49 157 315 640 17

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[1] Highly Hazardous Pesticides (HHPs) are pesticides that present particularly high levels of acute or chronic hazards to health or the environment according to internationally accepted hazard classification systems, their listing in relevant binding international agreements or conventions, or under conditions of use in a country

[2] Die Global Alliance on HHPs ist ein freiwilliger Multi-Stakeholder-Mechanismus zum schrittweisen Ausstieg aus der Verwendung von hochgefährlicher Pestizide, der von 54 Regierungen aus der afrikanischen Region bei der ICCM5 vorgeschlagen wurde. Die Allianz soll mit der Entwicklung und Umsetzung eines globalen Aktionsplans mit klaren Zielen und Meilensteinen für den Fortschritt bei der Erreichung eines weltweiten Ausstiegs aus der Verwendung von HHPs beauftragt werden.

[3] FAO and WHO. 2019. Detoxifying agriculture and health from highly hazardous pesticides – A call for action. Rome

[4] Pesticide Action Network UK and IRET (2017). Alternatives to Highly Hazardous Pesticides; GIST Impact Report (2023). Natural Farming Through a Wide-Angle Lens.

[5] Boedeker, W., Watts, M., Clausing, P. et al. (2020) The global distribution of acute unintentional pesticide poisoning: estimations based on a systematic review. BMC Public Health.




Glyphosat: Schlüsselmechanismus für Krebsentstehung wurde von der EU nicht angemessen berücksichtigt

Eine neue wissenschaftliche Studie belegt schwerwiegende Mängel in der EU-Gesundheitsbewertung von Glyphosat und macht deutlich, dass die europäische Chemikalienagentur ECHA (European Chemicals Agency) die Karzinogenität von Glyphosat nicht angemessen bewertet und sein Potenzial, Krebs zu verursachen, unterschätzt hat. Die ECHA hat nicht nur die in Krebsstudien beobachtete Häufigkeit von Tumoren als irrelevant abgetan, sondern auch Hinweise aus unabhängiger Literatur außer Acht gelassen, dass Glyphosat oxidativen Stress verursacht, einen Mechanismus, der anerkanntermaßen zu Krebs führen kann. Wenn man die Beweise aus Krebsstudien und oxidativem Stress kombiniert, ist das Krebspotenzial von Glyphosat nicht zu leugnen.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA (European Food Safety Authority), die basierend auf der ECHA-Einstufung die Risikobewertung für Pestizidwirkstoffe vornimmt, stützte sich in ihrer Schlussfolgerung somit zu Unrecht auf eine Einstufung als „nicht krebserregend“ durch die ECHA. Dies ist ein entscheidender Fehler. Die Anerkennung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse müsste unweigerlich zu dem Schluss führen, dass die Zulassung von Glyphosat nach EU-Recht nicht verlängert werden kann.

Die Wissenschaftler der Studie zum Oxidativen Stress durch Glyphosat verdeutlichen, wie die beiden EU-Regulierungsbehörden ihre im EU-Pestizidrecht (Verordnung (EG) Nr. 1107/2009) festgesetzte Aufgabe, ein höheres Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu gewährleisten, nicht erfüllen.

Peter Clausing, Toxikologe und Co-Autor der Studie, sagt dazu:

„In unserer Studie zeigen wir, dass oxidativer Stress bei der Bewertung im Vorfeld der RAC-Stellungnahme der ECHA nicht angemessen berücksichtigt wurde. Dies führt zu sehr schwerwiegenden Mängeln bei der Bewertung der potenziellen Gefahren von Glyphosat und der ihnen zugrunde liegenden Mechanismen. Da oxidativer Stress nicht von den OECD-Testrichtlinien abgedeckt wird, ist es von entscheidender Bedeutung, die Ergebnisse von Studien über oxidativen Stress, die in der von Fachleuten überprüften wissenschaftlichen Literatur veröffentlicht wurden, ordnungsgemäß in die Gefahrenbewertung zu integrieren. Die ECHA hat dies in ihrem im Mai 2022 veröffentlichten Gutachten zu Glyphosat versäumt, und die EFSA hat es versäumt, diesen Mangel zu beheben.“

Dies gibt Anlass zu ernster Besorgnis, zumal die Kommission den Vertreter*innen der Mitgliedstaaten auf der bevorstehenden Ad-hoc-Sitzung des SCoPAFF (Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed) Ende dieser Woche ihren Verordnungsvorschlag für die Erneuerung der Zulassung von Glyphosat vorlegen wird.

Umfrage in 6 EU-Ländern zeigt: Bürger*innen lehnen eine Neuzulassung von Glyphosat ab

Die Veröffentlichung der wissenschaftlichen Studie fällt zusammen mit der Veröffentlichung der Ergebnisse einer Umfrage in sechs EU-Ländern (Dänemark, Frankreich, Deutschland, Polen, Rumänien und Spanien), nach der sich zwei Drittel (62 %) der EU-Bürger*innen in diesen Ländern dafür aus sprachen, die Verwendung von Glyphosat in Europa zu beenden. Der Zuspruch für ein Glyphosatverbot war mit 70,5% in Frankreich am höchsten.

Offener Brief an EU-Gesundheitskommissar Kyriakides

In einem offenen Brief an EU-Gesundheitskommissar Kyriakides vom 7. September 2023 informierten die Mitglieder der europäischen „StopGlyphosate“-Koalition die EU Kommission über die neue Studie und betonten, dass Glyphosat  allein aufgrund der Krebsnachweise die Kriterien für eine Zulassung nicht erfüllt.

Die StopGlyphosate Koalition und PAN Germany fordern EU Kommissar Kyriakides in dem Schreiben nachdrücklich auf, die beschleunigte Wiederzulassung von Glyphosat auf der Grundlage der dargelegten Beweise zu stoppen und das Vorsorgeprinzip anzuwenden, das den Kern des EU-Pestizidrechts bildet.

Weitere Informationen:




Kleingewässer durch Pestizide stark belastet

Eine neue Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes bestätigt die hohe Pestizid-Belastung von Kleingewässern im ländlichen Raum. Ausgewertet wurden Proben aus dem Kleingewässermonitoring von über 100 Gewässerabschnitten in Deutschland. Das Ergebnis ist: Weder die Risikoprüfung im Rahmen der Pestizid-Zulassung noch die bestehenden Anwendungsauflagen für die Ausbringung von Pestiziden verhindern, dass Kleingewässer erheblich mit Pestiziden belastet werden – mit negativen Folgen für Pflanzen, Tiere und Wasserqualität.

Die vom UBA beauftragte und vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) durchgeführte Studie deckt auf, dass 80 % der untersuchten Bäche zu hohe Pestizidrückstände aufweisen. Jede zweite Wasserprobe war mit Pestizid-Wirkstoffen belastet, die die im Rahmen der Zulassung festgelegten akzeptablen Werte überschritten. Biologische Untersuchungen ergaben zudem, dass der ökologische Zustand der untersuchten Gewässer, der sich u.a. am Insektenvorkommen zeigt, in vier von fünf untersuchten Bächen mäßig bis schlecht war.

Für die Studie wurden erstmalig auch die Pestizid-Anwendungsdaten landwirtschaftlicher Betriebe an zehn Messstellen erfasst. Die Auswertung zeigt, dass Pestizidrückstände regelmäßig in bedenklichen Konzentrationen in angrenzende Gewässer gelangten. Folglich wiesen auch die Gewässer, deren umliegende landwirtschaftliche Flächen stärker gespritzt wurden, eine höhere Pestizidbelastung auf. Einen wesentlichen Eintragsweg stellt dabei von den Feldern abfließendes, mit Pestiziden belastetes Oberflächenwasser bei Regen dar. Bewachsene Gewässerrandstreifen können diese Einträge nachgewiesenermaßen reduzieren. Die Studie zeigt deutlich, dass Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, die im Rahmen des Pestizid-Zulassungsverfahrens festgelegt werden, sich in der Praxis als unzureichend herausstellen und nicht den gewünschten Schutz-Effekt erzielen. Das Kleingewässermonitoring konnte den schlechten Zustand der Gewässer im ländlichen Raum belegen und zeigen, dass unsere Kleingewässer und ihre Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren nicht ausreichend vor Pestizidbelastungen geschützt sind. Auch gelangen die Pestizidrückstände aus den kleineren Bächen in größere Gewässer. Werden diese zur Trinkwassergewinnung genutzt, betreffen die Rückstände auch direkt uns Menschen.

Die Auswertungen der Belastungsdaten haben deutlich gezeigt: Das Zulassungsverfahren schützt die Umwelt und Biodiversität unzureichend und ist aus Sicht von PAN Germany dringend nachzubessern. Basierend auf den Monitoringdaten muss zudem eine kontinuierliche Rückkopplung zum Zulassungsverfahren sichergestellt werden. PAN Germany fordert, das Kleingewässermonitoring fortzuführen und zu verstetigen – nur so lassen sich auch zukünftig Erfolge beim angestrebten besseren Schutz der Gewässer vor Einträgen erzielen.

Die Studienergebnisse unterstreichen zudem die dringende Notwendigkeit, den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide insgesamt zu reduzieren. Hierzu kann eine ambitionierte Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) beitragen, indem sie verbindliche Pestizidreduktionsziele festlegt.

Wir brauchen zudem eine stärkere Förderung und Honorierung des ökologischen Landbaus, der – dies bestätigen die Erfahrungen der Wasserversorger“bislang das einzige System ist, mit dem der Schutz der Trinkwasserressourcen zuverlässig gelingt” und der schon heute zur Reduzierung von Umweltbelastungen und Mikroverunreinigungen beiträgt. Nur eine nachhaltige, ressourcenschonende Landwirtschaft kann langfristig unsere Ernährung und eine lebenswerte Umwelt sichern.

Für alle, die sich engagieren möchten, hat PAN Germany ein Tool bereitgestellt, mit dem Abgeordnete im EU Parlament aufgefordert werden können, die SUR nicht weiter zu verzögern und sich für Pestizidreduktion stark zu machen.

Den Abschlussbericht zum Kleingewässermonitoring, verfasst vom Team um Prof. Dr. Matthias Liess vom Helmholtz-Institut für Umweltforschung und herausgegeben vom Umweltbundesamt, finden Sie hier.

 

 




Helfen Sie jetzt mit, Pestizide zu reduzieren!

„Save Bees and Farmers“ braucht Ihre Hilfe – senden Sie eine Nachricht

Über 1 Million europäische Bürgerinnen und Bürger fordern mit PAN Germany und der Initiative „Bienen und Bauern retten“: Schluss mit chemisch-synthetischen Pestiziden! Jetzt dürfen wir nicht nachlassen, die EU zum Handeln zu bewegen. Dafür ist Ihre Unterstützung unerlässlich.

Unterstützen Sie die Forderung nach einer umweltschonenden Landwirtschaft zum Wohl der Gesundheit und dem Schutz der biologischen Vielfalt. Fordern Sie eine nachhaltige Produktion gesunder Lebensmittel und die Unterstützung von Landwirtinnen und Landwirten, die auf Pestizide verzichten und mit der Natur arbeiten.

Die EU-Kommission hat zwei Gesetzesvorschläge zur Reduzierung von Pestiziden und zur Wiederherstellung der Natur vorgelegt. Diese stehen unter heftigem Beschuss durch zahlreiche Politiker*innen und Lobbyist*innen, die die Interessen der chemischen Industrie über das Gemeinwohl stellen.

Nutzen Sie das Tool, um den deutschen Abgeordneten im EU-Parlament zu schreiben. Bitten Sie die Abgeordneten mit einem Klick um mehr Engagement zugunsten einer gesunden, zukunftsfähigen Landwirtschaft ohne schädliche Pestizide. Nutzen Sie gerne den bereitgestellten Text und ergänzen Sie, wo Sie mögen, Ihnen wichtige Punkte.
Senden Sie auf diese Weise gemeinsam mit vielen anderen Menschen aus ganz Europa eine starke Botschaft für Pestizidreduktion.

Ihre Stimme zählt für eine gesunde Zukunft für uns, unsere Kinder und Enkelkinder.




Empörung über „grünes Licht“ für Glyphosat durch EFSA – trotz eingestandener Datenlücken

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gab heute bekannt, dass sie in ihrer Risikoeinschätzung zu Glyphosat trotz relevanter Datenlücken und ungeklärter Fragen „keine kritischen Problembereiche“ identifizieren könne. Umweltorganisationen kritisieren vehement, dass die EFSA bei ihrer Bewertung zahlreiche unabhängige wissenschaftliche Studien vernachlässigt, die Glyphosat mit schwerwiegenden Gesundheits- und Umweltproblemen in Verbindung bringen. Die derzeitige EU-Genehmigung von Glyphosat läuft im Dezember 2023 aus. Bei der bevorstehenden Entscheidung über eine weitere Genehmigung des umstrittenen Herbizidwirkstoffs stützen sich die EU-Mitgliedsstaaten auch auf die Empfehlung der EFSA. 

München/Berlin/Hamburg, 06. Juli 2023. Pressemitteilung: Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL), Greenpeace, das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany), die Coordination gegen BAYER-Gefahren, Slow Food Deutschland und Ekō fordern die deutsche Bundesregierung und alle EU-Mitgliedstaaten auf, trotz fragwürdiger Einschätzung durch die EFSA, gegen die Wiedergenehmigung von Glyphosat auf EU-Ebene zu stimmen. Die EFSA konnte wegen fehlender Daten unter anderem die Risikobewertung für Verbraucher nicht abschließen und benennt hohe Risiken für Säugetiere.

Stephan Paulke, zweiter Vorsitzender im Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft sagt: „Die EFSA ignoriert in ihrer Empfehlung unabhängige Studien, die die Folgen von Glyphosat für Gesundheit und Umwelt belegen. Unsere Studie zur Pestizidbelastung der Luft[1] beweist, dass sich der Wirkstoff über die Luft überall hin verbreitet. Laut EFSA gilt eine Verfrachtung von Glyphosat über die Luft jedoch als ausgeschlossen. Das zeigt einmal mehr: Das EU-Pestizid-Zulassungssystem ist lückenhaft. Deutschland muss stark bleiben und trotz der Einschätzung der EFSA auf EU-Ebene für ein Glyphosat-Verbot stimmen. Denn nur wenn Glyphosat in der gesamten EU verboten wird, ist auch das im Koalitionsvertrag vereinbarte Glyphosat-Verbot rechtssicher.“

Peter Clausing, Toxikologe beim Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) sagt: „Die Schlussfolgerung  der EFSA ist ein Schlag ins Gesicht vieler unabhängiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die seit der Bewertung durch die Krebsagentur IARC im Jahr 2015[2] zahlreiche Studien veröffentlicht haben, die das Gefahrenpotenzial von Glyphosat belegen[3]. Unabhängige Forschungsergebnisse haben einen Mechanismus für die Krebsverursachung durch Glyphosat offenbart und belegen, dass der Wirkstoff gentoxisch und neurotoxisch ist, das Darmmikrobiom schädigt und schwerwiegende negative Auswirkungen auf das Bodenleben, Amphibien und die Artenvielfalt hat. Die EFSA verlässt in ihrer Beurteilung die wissenschaftliche Ebene.[4]

Christiane Huxdorff, Landwirtschafts-Expertin bei Greenpeace fügt hinzu: „Glyphosat ist nach wie vor das weltweit am häufigsten verwendete Totalherbizid[5] und macht ca. 30% des gesamten Herbizid-Einsatzes in der EU aus.  Eine Verlängerung von Glyphosat steht in direktem Widerspruch zum EU-Ziel einer Halbierung des Pestizideinsatzes im Rahmen der EU-Biodiversitätsstrategie und der Farm-to-Fork-Strategie[6].“

Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, haben das BEL und Greenpeace zusammen mit weiteren Organisationen eine Petition gestartet, die Umweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir dazu auffordert, im zuständigen EU-Ausschuss gegen die Wiederzulassung von Glyphosat zu stimmen. Über 60.000 Bürger*innen haben bereits unterzeichnet.

Zudem wurde heute von der europäischen Stop-Glyphosate-Koalition die neue Homepage stopglyphosate.eu eingerichtet. Sie bietet wissenschaftliche Informationen über Glyphosat und dient als zuverlässige und unabhängige Plattform.

Kontakte für Presseanfragen: 

 

[1] In der deutschlandweiten Studie zur Pestizidbelastung der Luft konnte Glyphosat und sein Metabolit AMPA in sämtlichen technischen Sammlern (Passivsammler und Filtermatten) nachgewiesen werden. Als Feststoff gilt Glyphosat laut EU-Zulassung als „nicht flüchtig“. Das Herbizid verbreitet sich jedoch an Staubkörner haftend über die Luft.

[2] Im März 2015 stufte die IARC (International Agency for Research on Cancer) Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ (Gruppe 2A) ein.

[3] Die Krebsbewertung von Glyphosat durch die IARC wird durch wissenschaftliche Publikationen aus jüngerer Zeit unterstützt, d.h. eine Re-Analyse der Krebsstudien an Ratten und Mäusen, durch Studien zum Mechanismus der Krebsverursachung und so genannte Meta-Analysen von epidemiologischen Studien. Während die EU-Behörden eine Krebsgefahr durch Glyphosat kategorisch ausschließen, kam das französische Regierungs-Institut INSERM bezüglich epidemiologischer Studien zur gleichen Schlussfolgerung wie die IARC. Ferner zeigen neuere Studien, dass Glyphosat und Glyphosatprodukte neurotoxisch sein können (was möglicherweise zur Entwicklung der Parkinson’schen Krankheit beiträgt), Nierenerkrankungen verursachen und – mit entsprechenden Folgewirkungen – das Mikrobiom von Menschen und Tieren beeinträchtigen kann.

[4] Der Verbleib von Glyphosat in der Umwelt ist nach dem neuesten Stand der Wissenschaft gut dokumentiert. Glyphosat schädigt die Ökosysteme, einschließlich Bestäuber und Nutzinsekten, Regenwürmer und Bodenbiota, und verursacht direkte Schäden in der Landwirtschaft. Glyphosat kann das endophytische und rhizosphärische Mikrobiom von Pflanzen verändern. Es ist gefährlich für die aquatische Umwelt – Sowohl Glyphosat als auch sein Metabolit AMPA stellen ein Risiko für die aquatische Umwelt dar, und Glyphosat ist bereits als giftig für aquatisches Leben mit langanhaltenden Auswirkungen eingestuft (Aquatic Chronic 2; H411), eine strengere Einstufung auf der Grundlage von Daten aus der wissenschaftlichen Literatur wäre sogar gerechtfertigt.

[5] Globalen Markterhebungen zufolge wurde der Weltmarkt für Glyphosat im Jahr 2020 auf 7,6 bis 9,3 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll im Jahr 2030 zwischen 10,6 und 17,7 Milliarden US-Dollar erreichen, mit prognostizierten jährlichen Wachstumsraten zwischen 3 und 6 %. Eine aktuelle Studie von PAN Europe zeigt detailliert, dass es für alle bekannten Hauptanwendungen von glyphosathaltigen Herbiziden wesentlich sicherere, nicht-chemische Alternativen gibt.

[6] Glyphosat ist ein nicht-selektives Totalherbizid, das nicht nur unerwünschte Unkräuter, sondern alle Pflanzen sowie Algen, Bakterien und Pilze abtötet und damit unannehmbare Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem hat. In einem Beschluss aus dem Jahr 2016 hatte das Europäische Parlament bereits darauf hingewiesen, dass „Glyphosat als solches nicht mit Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe e Ziffer iii der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vereinbar ist“.




Redebeitrag auf der Bayer-Hauptversammlung vom 28.04.2023

Rede von Dr. Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerk, (PAN Germany), auf der Hauptversammlung der Bayer AG am 28.04.2023 

Sehr geehrte Damen und Herren Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats.

Mein Name ist Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerks e.V. und ich spreche als Bevollmächtigter der Coordination gegen Bayergefahren. Ich bin promovierter Toxikologe und mit den gesundheitsschädigenden Eigenschaften des Wirkstoffs, über den ich hier sprechen werde, gründlich vertraut. Bereits vor 2 Jahren haben wir kritisiert, dass bestimmte Wirkstoffe, die in der EU aus Gesundheits- oder Umweltgründen verboten sind, von Bayer Cropscience in anderen Teilen der Welt weiterhin vermarktet werden. Bayers damalige Erwiderung ist nach wie vor auf der Website des Unternehmens nachzulesen. Ich zitiere: „Wenn wir es für sinnvoll halten, nehmen wir Produkte freiwillig vom Markt.“ Das bezog sich damals auf Methiocarb- und Carbendazim-Produkte. Produkte mit anderen, in der EU verbotenen Wirkstoffen werden von Bayer CropScience weiterhin vertrieben. Dazu ein Beispiel.

Thiacloprid ist in der EU so, wie das vom Markt genommene Carbendazim, als „wahrscheinlich reproduktionstoxisch beim Menschen“ eingestuft. Das heißt, dieser Wirkstoff ist fruchtbarkeitsschädigend und gefährdet das Kind im Mutterleib – eine Gefahreneinstufung, die mit einer Vermarktung in der Europäischen Union nicht kompatibel ist.

Meine Bitte an Herrn Baumann: Wiederholen Sie bitte nicht das Argument, dass in Ländern des globalen Südens andere klimatische Verhältnisse herrschen und deshalb andere oder sogar mehr Pestizide notwendig seien, denn Sie verschwiegen die andere Seite der Medaille: die deutlich höhere Exposition der Menschen im globalen Süden. Das betrifft einerseits schwächere Standards bzw. fehlendes Monitoring bei den Rückstandshöchstwerten in Lebensmitteln. Vor allem aber betrifft das die extrem höhere Exposition der in der Landwirtschaft Tätigen. Das wird durch die 385 Millionen unbeabsichtigten akuten Pestizidvergiftungen belegt, die sich einer wissenschaftlichen Studie zufolge alljährlich ereignen, denn über 90% dieser Vergiftungen ereignen sich im globalen Süden.

Thiacloprid ist wegen seiner Reproduktionstoxizität sowie aufgrund der Gefährdung des Grundwassers in der EU verboten. Global sind Thiacloprid-haltige Produkte aber weiterhin Teil von Bayers Portfolio, z.B. in Indien mit den Produkten Alanto und Belt Expert bzw. in Mexiko mit dem Produkt Calypso. Während Thiacloprid in der EU unter anderem wegen seiner Reproduktionstoxizität verboten ist, wird diese Gefahr im entsprechenden Abschnitt des mexikanischen Sicherheitsdatenblatts nicht einmal erwähnt. Somit ist die auf dem Sicherheitsdatenblatt erhobene Behauptung, dass die Klassifizierungen der mexikanischen Norm entsprechen, falsch, denn während andere, weniger gravierende Gefahrenmomente Erwähnung finden, wird die Klassifizierung als H360FD, zu Deutsch „kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und das Kind im Mutterleib schädigen“ verschwiegen.

Ich habe deshalb folgende Fragen:

  1. Welche Kriterien verwendet die Unternehmensleitung, um zu bestimmen, wann es für sinnvoll gehalten wird, gesundheitsgefährdende Produkte vom Markt zu nehmen?
  2. Welche Maßnahmen trifft das Unternehmen, um zu gewährleisten, dass die Sicherheitsdatenblätter in allen Ländern den notwendigen Standards entsprechen?
  3. Beabsichtigt die Unternehmensleitung, Thiacloprid enthaltende Produkte sowie Thiacloprid selbst, in absehbarer Zeit aus dem globalen Portfolio zu nehmen und so zumindest punktuell seiner Verantwortung für die menschliche Gesundheit gerecht zu werden?

Ich bitte daher die Aktionär*innen, stimmen Sie bei allen Anträgen mit der CBG ab gegen die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.




Redebeitrag auf der BASF-Hauptversammlung vom 27.04.2023

Rede von Dr. Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerk, (PAN Germany), auf der Hauptversammlung der BASF AG am 27.04.2023 

Sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre, sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats.

Mein Name ist Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerks e.V., ich bin Toxikologe und mit den gesundheits- und umweltschädigenden Eigenschaften der Wirkstoffe, über die ich hier sprechen werde, gründlich vertraut. Bereits vor 2 Jahren haben wir kritisiert, dass bestimmte Wirkstoffe, die in der EU aus Gesundheits- oder Umweltgründen verboten sind, von der BASF in anderen Teilen der Welt weiterhin vermarktet werden. Dazu gehören Fungizide mit dem Wirkstoff Epoxiconazol und Herbizide mit dem Wirkstoff Glufosinat. Beide Wirkstoffe wurden von den Behörden der EU als „vermutlich reproduktionstoxisch beim Menschen“ eingestuft. Das heißt, diese Wirkstoffe sind fruchtbarkeitsschädigend und gefährden das Kind im Mutterleib.

Es gibt einen besonderen Grund, warum es unverantwortlich ist, diese in der EU verbotenen Wirkstoffe in den Ländern das globalen Südens weiter zu vermarkten. Es gibt wissenschaftliche Publikationen, die belegen, dass Menschen im globalen Süden deutlich stärker gegenüber Pestiziden ausgesetzt sind als hier bei uns. Es ist nur logisch anzunehmen, dass dies auch bei Glufosinat und Epoxiconazol der Fall ist. Selbst unter europäischen Verhältnissen wurde in einer wissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 1998 für Glufosinat ein 2,5-fach höheres Risiko für Geburtsschäden ermittelt (García et al 1998). Umso höher dürfte das Risiko unter den Arbeits- und Lebensbedingungen im globalen Süden ausfallen.

Epoxiconazol wurde von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA bereits im Jahr 2008 als ein „vermutlich beim Menschen reproduktionstoxischer Wirkstoff“ eingestuft. Vor zwei Jahren verwiesen Sie in der BASF-Hauptversammlung auf die Frage, warum der Antrag auf Wiedergenehmigung von Epiconazol in der EU zurückgezogen wurde, darauf, dass mit dem Wirkstoff Revysol (Mefentrifluconazol) eine nachhaltigere Alternative zur Verfügung steht. Aus meiner Perspektive als Toxikologe kann ich bestätigen, dass Revysol ein deutlich weniger toxisches Fungizid ist. Umso unverständlicher ist der Sachverhalt, dass das reproduktionstoxische Epoxiconazol nach wie vor in zahlreichen lateinamerikanischen Ländern angeboten wird.

Ich habe deshalb folgende Fragen:

  1. An welchem Produktionsstandort der BASF wird der herbizide Wirkstoff Glufosinat produziert und gibt es Pläne, angesichts der Gesundheitsgefahren von Glufosinat auf die Vermarktung dieses Wirkstoffs zu verzichten?
  2. Wo erfolgt derzeit die Produktion von Epoxiconazol?
  3. Warum werden trotz einer verfügbaren, weniger toxischen Alternative weiterhin epoxiconazol-haltige Fungizide in Ländern Lateiamerikas vermarktet?

Bis zu einer zufriedenstellenden Klärung dieser Fragen fordere ich die Aktionäre auf, den Vorstand und den Aufsichtsrat NICHT zu entlasten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 




EU-Kommission antwortet der Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“

Es ist noch lange nicht vorbei. Heute hat die Europäische Kommission ihre offizielle Antwort an die 1,1 Millionen Bürgerinnen und Bürger übermittelt, die die Europäische Bürgerinitiative (EBI) „Bienen und Bauern retten!“ unterzeichnet haben. Die Kommission begrüßt darin die Initiative als ein deutliches Zeichen für die breite Unterstützung der Öffentlichkeit für Maßnahmen zugunsten von Bestäubern, biologischer Vielfalt und nachhaltiger Landwirtschaft. Die Kommission fordert zudem das Europäische Parlament und den Rat auf, rasch eine ehrgeizige Einigung über die Legislativvorschläge zur Reduzierung von Pestiziden (SUR = Sustainable Use Regulation) und zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt zu erzielen.

Die Organisator*innen der EBI betonen als Reaktion auf die Antwort der Kommission in einer gemeinsamen Pressemitteilung die Dringlichkeit und Bedeutung der Reduzierung von Pestiziden für den Schutz der Gesundheit der Europäischen Bürgerinnen und Bürger, für den Schutz der biologischen Vielfalt und für das Gelingen einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion. Dem schließt sich PAN Germany als EBI-Unterstützerorganisation an. Die EBI-Vertreter*innen verweisen auf eine stetig wachsende Zahl an wissenschaftlichen Belegen für die verbreiteten negativen Auswirkungen von synthetischen Pestiziden auf wichtige Schutzgüter. Die Organisator*innen der EBI erwarten vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten mehr Ehrgeiz beim Schutz vor Pestizidbelastungen und der Unterstützung landwirtschaftlicher Betriebe, die auf chemisch-synthetische Pestizide verzichten. Gemeinsam fordern sie von der Politik, stärker auf die Wissenschaft zu hören und dies auch entsprechend in Gesetzgebungsprozesse einzubeziehen, bis das Ziel „Bienen und Bauern retten!“ erreicht sein wird. Noch ist das Ziel nicht erreicht.




Frühstücken mit der EBI “Bienen und Bauern retten“

Die erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative EBI “Bienen und Bauern retten“ wurde heute bei einem parlamentarischen Frühstück im Paul-Löbe-Haus in Berlin interessierten Abgeordneten, Mitarbeitenden und Vertreterinnen und Vertretern aus Verbänden vorgestellt. Die Veranstaltung fand unter der Schirmherrschaft des Bundestagsabgeordneten Karl Bär, Bündnis 90/die Grünen statt und wurde initiiert von den EBI-Unterstützungsorganisationen BUND, Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL), Aurelia-Stiftung, Umweltinstitut München und PAN Germany.

Mehr als eine Millionen Europäer*innen einschließlich rund 600.000 deutsche Bürgerinnen und Bürger hatten mit ihrer Unterstützung der EBI den schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung chemisch-synthetischer Pestizide, den Schutz der Biodiversität in ländlichen Gebieten und die Unterstützung von Bäuerinnen und Bauern beim Übergang zu einer resilienten, naturverträglichen Landwirtschaft gefordert. Ein Appell, der bei der heutigen Vorstellung noch einmal in Richtung der deutschen Politik bekräftigt wurde.

Nachdem die beteiligten Verbände kurz und knapp die Forderungen der EBI vorgestellt hatten, brachten die eingeladenen Experten spannende und fundierte Hintergrundinformationen ein: Dr. Carsten Brühl vom Institut für Umweltwissenschaften der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität in Landau veranschaulichte das Problem der Auswirkungen von Pestiziden auf die terrestrische Umwelt, u.a. den dramatischen Schwund von Insektenpopulationen  und machte deutlich, dass es durch Pestizidabdrift selbst in Naturschutzgebieten zu  vielfältigen Pestizidbelastungen kommt. Jan Wittenberg berichtete als Agrarwissenschaftler und aktiver Bio-Landwirt über die Möglichkeit und Vorzüge eines pestizidfreien, pfluglosen Ackerbaus. Immer mehr Landwirte zeigten Interesse an den pestizidfreien Verfahren und wollten mehr erfahren, wie mit einer ökologisch wertvollen Fruchtfolge die Bodenfruchtbarkeit verbessert werden kann. Die Kaskade der Abhängigkeiten der Landwirte von Pestiziden und das „Wettrüsten gegen die Natur“ müsse endlich beendet werden, so sein Appell. Zum Abschluss erläuterte der Diplom-Agraringenieur Georg Stöckl das Betriebskonzept auf seinem Bio-Streuobsthof in Niederbayern. Er beschrieb den Teilnehmer*innen wie er Äpfel, Birnen, Kirschen und Zwetschgen ohne den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide anbaut und regional vermarktet.

Wie geht es mit der EBI weiter? Nach der im Januar stattgefundenen Anhörung vor Abgeordneten der Umwelt- und Landwirtschaftsausschüssen des Europäischen Parlaments, fand eine Aussprache zur EBI in der Plenarsitzung des EU-Parlaments am 16. März statt. Im April wird nun die Antwort der EU Kommission zu den EBI-Forderungen erwartet. Das EU-weite EBI-Bündnis aus über 250 Organisationen wird dies aufmerksam verfolgen und sich auch darüber hinaus weiter engagieren, um eine zukünftige Landwirtschaft ohne chemisch-synthetische Pestizide einzufordern.

Hintergrund: Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) ist ein durch den Vertrag von Lissabon beschlossenes Instrument der politischen Teilhabe von EU-Bürger*innen. EU-Bürger*innen können auf diese Wiese erzwingen, dass sich die Europäische Kommission mit einem bestimmten Thema auseinandersetzt und sich dazu verhält. Die EBI „Bienen und Bauern retten“ hatte die hierfür erforderliche Unterstützung von insgesamt mindestens eine Million gültiger Unterstützungsbekundungen in sieben EU-Mitgliedstaaten erreicht




Ackern ohne Glyphosat – Neuer Bericht zeigt, dass es für alle Anwendungen Alternativen gibt

In diesem Jahr wird die EU über die Wiederzulassung von Glyphosat entscheiden. Das Herbizid ist ein weltweiter Verkaufsschlager und gleichzeitig hochumstritten. Im Zentrum der Diskussion stehen Risiken für die menschliche Gesundheit, für eine Vielzahl von Lebewesen und die negativen Auswirkungen von Glyphosat auf die biologische Vielfalt. Europäische Bürger*innen hatten bereits 2017 per Bürgerinitiative ein EU-weites Verbot von Glyphosat gefordert. Nun gibt es ein „Kochbuch“ für die Arbeit ohne Glyphosat.

Die Bekämpfung von ungewolltem Bewuchs ist eine große Herausforderung in der Landwirtschaft, insbesondere im Acker- und Gemüseanbau. Der neue Bericht von PAN Europe in Zusammenarbeit mit der europäischen Fraktion der Grünen/EFA zeigt, dass es für alle bekannten Hauptanwendungen von Herbiziden auf Glyphosatbasis wesentlich sicherere nicht-chemische Alternativen gibt, sowohl Low- als auch Hightech-Verfahren. Der Bericht schlägt zudem Maßnahmen vor, wie der Übergang zu einer glyphosatfreien Landwirtschaft wirtschaftlich tragfähig machbar ist.

Gergely Simon, Chemikalienbeauftragter bei PAN Europe, betont: „Die Wissenschaft zeigt eindeutig: Glyphosat schädigt die Ökosysteme, einschließlich Bestäuber und nützliche Insekten, Regenwürmer und Bodenlebewesen, und verursacht direkte Schäden in der Landwirtschaft. Unser Bericht über verfügbare Alternativen zu Glyphosat liefert eine klare Botschaft: Einem Verbot dieser schädlichen chemischen Substanz steht nichts im Wege.“

Report WEED MANAGEMENT: ALTERNATIVES TO THE USE OF GLYPHOSATE

Beiträge von PAN Germany zu Glyphosat