Jahresbilanz: Zu wenig Engagement der GroKo bei der Umsetzung einer kohärenten Agrar- und Handelspolitik

Die ökologische Krise zeigt, wie dringend ein grundlegender Wandel der Agrar- und Ernährungssysteme durch holistische Ansätze wie Agrarökologie notwendig ist. Eine weltweit zukunftsfähige Landwirtschaft zu schaffen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Doch bislang mangelt es an einer kohärenten Agrar- und Handelspolitik, sind sich die Organisationen und Verbände aus Umwelt, Entwicklung, bäuerliche Landwirtschaft, Ökolandbau und Lebensmittelhandwerk in ihrer heute veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme „Jahresbilanz Agrarökologie“ einig. Vor rund einem Jahr hatten die sie ihren Forderungskatalog „Agrarökologie stärken“ veröffentlicht und u.a. gefordert, dass die Bundesregierung sich national und international für Agrarökologie als zentrales Förderkonzept sowohl in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit als auch beim Klimaschutz im Agrar- und Ernährungsbereich einsetzt und im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU die ökologischen und sozialverträglichen Ansätze der Agrarökologie aufgreift und ein entsprechendes Fördersystem vorantreibt. Die aktuelle Stellungnahme ist eine Analyse der jüngsten Entwicklungen und des bisherigen politischen Bestrebens, den gestellten Forderungen gerecht zu werden.

 

 

 




Gemeinsame Stellungnahme: JAHRESBILANZ AGRARÖKOLOGIE – Analyse ein Jahr nach Veröffentlichung des Positionspapiers „Agrarökologie stärken“ 2019

Im Januar 2019 – vor einem Jahr – haben 59 Organisationen und Verbände aus Umwelt, Entwicklung, bäuerliche Landwirtschaft,
Ökolandbau und Lebensmittelhandwerk ihren Forderungskatalog an die Bundesregierung veröffentlicht.2 Die dramatischen
Entwicklungen zeigen: Eine grundlegende Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme durch holistische Ansätze wie
Agrarökologie ist weltweit dringend erforderlich. Im Folgenden sollen nun – ein Jahr später – Licht und Schatten der Regierungspolitik
des Jahres 2019 aufgezeigt werden. Damit ist kein Anspruch auf eine umfassende Bewertung des Regierungshandelns verbunden. Auch wenn vereinzelt positive Entwicklungen sichtbar sind, kann noch nicht von einer Trendumkehr in der Regierungspolitik gesprochen werden. Ein kohärenteres Regierungshandeln zur Stärkung holistischer Ansätze, wie der Agrarökologie, ist bisher nicht erkennbar.




Europäischer Green Deal: Umweltverbände fordern Pestizidreduktion und Förderung für Agrarökologie

Seit Jahrzehnten stützt die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU die industrielle Landwirtschaft und die damit verbundenen negativen Folgen für Umwelt und Gesundheit. In einem offenen Brief an den Vizepräsidenten der EU Kommission Frans Timmermans, sowie an die verantwortlichen EU Kommissare Kyriakides, Wojciechowski und Sinkevičius untermauern die Unterstützer*innen der europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“, darunter auch PAN Germany, ihre Forderungen nach einem Europäischen Green Deal, der den Pestizideinsatz in der europäischen Landwirtschaft deutlich reduziert und Anbaumethoden nach agrarökologischen Prinzipien fördert.

Es ist mittlerweile wissenschaftlich und gesellschaftlich anerkannt, dass das industrielle Modell der Nahrungsmittelproduktion eine bedeutende Triebkraft für den Rückgang der Artenvielfalt ist. Diese Form der Landwirtwirtschaft ist vom regelmäßigen Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide abhängig. Der Einsatz solcher Chemikalien kann außerdem erhebliche negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit bewirken. Hierzu zählen die Häufungen von Krankheiten in ländlichen Gemeinden, die Pestiziden in ihrer Umgebung direkt ausgesetzt sind, Krankheiten ausgelöst durch Pestizidrückstände in Lebensmitteln, und die Belastung durch Pestiziddrift in der Luft und dem Abfluss in Böden und Grundwasser. Eine weitere Folge der industriellen Nahrungsmittelproduktion ist der Rückgang der sozialen und wirtschaftlichen Vielfalt in der Landwirtschaft, was wiederum in einem Verlust an Widerstandsfähigkeit, wertvollem regionalem Wissen und Traditionen resultiert.

Wissenschaftliche Untersuchungen widerlegen die Argumente der Chemie- und Lebensmittellobby und zeigen, dass die Ernährung der Welt auf der Grundlage einer pestizidfreien Landwirtschaft möglich ist. Es ist in erster Linie eine politische Entscheidung. Nicht-chemische Alternativen zum Pestizideinsatz existieren. Das stellen ökologisch wirtschaftende Betriebe und die Bewirtschaftung nach agroökologischen Prinzipien täglich unter Beweis. Ob politische Instrumente der EU wie die kurz vor der Veröffentlichung stehende „Farm to Fork“ Strategie und die Biodiversitätsstrategie nach 2020 zweckdienlich sind und zu einem Wandel hin zu einer Pestizidreduktion und Umstellung auf Agrarökologie beitragen können, hängt von einer ambitionierten Zielsetzung und der Formulierung konkreter Maßnahmen ab. Deshalb fordern die insgesamt 87 unterzeichnenden europäischen NGOs die EU Kommission auf, die Forderungen der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“, die bereits von mehr als einer Viertelmillion EU-Bürger*innen unterstützt wird, in diese Strategien einzubetten. Insbesondere die drei Kernziele sollen kompromisslos anerkannt und umgesetzt werden:

  1. den Ausstieg aus der Verwendung chemisch-synthetischer Pestizide in der EU Landwirtschaft einleiten, indem sie sich das Ziel setzen, den Einsatz bis 2030 um 80 % zu reduzieren und bis 2035 auslaufen zu lassen.
  2. ehrgeizige Ziele zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt, insbesondere in landwirtschaftlichen Gebieten, festlegen. Landwirtschaft und biologische Vielfalt schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern müssen sich gegenseitig befruchten.
  3. die Landwirt*innen beim Übergang zu einer naturverträglichen Landwirtschaft unterstützen. Die Reformvorschläge der GAP müssen stark aufgewertet werden, um die Landwirt*innen finanziell und technisch zu unterstützen, indem der kleinräumigen, vielfältigen und nachhaltigen Landwirtschaft auf der Grundlage der Agrarökologie Vorrang eingeräumt wird.

 

 

Unterstützen auch Sie mit Ihrer Unterschrift die europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ – Jede Stimme zählt!




Open NGO letter: European Green Deal needs to cut pesticides and switch to agroecology (EN)

We are writing to you as supporters of the European Citizens Initiative Save Bees and Farmers1 which has been already supported by over a quarter of a million EU citizens.

The significant decline of bees and pollinators in Europe and worldwide, together with the wider collapse of biodiversity we are currently witnessing has rightly raised alarm in the scientific community and general public. Experts have declared that “business as usual” cannot remain an option2,3. It is now finally widely accepted that our food production model is a major driver of this ecology collapse, largely because of the massive use of synthetic pesticides it relies upon.




Schwächung von Verbraucherschutzstandards durch die Hintertür?

Die Brüsseler NGO Corporate Europe Observatory (CEO) informiert in ihrem aktuellen Bericht „Toxic residues through the back door. Pesticide corporations and trade partners pressured EU to allow banned substances in imported crops“ über das Bemühen der Pestizidindustrie, das Vorsorgeprinzip im europäischen Pestizidrecht auszuhebeln und so genannte Importtoleranzen für Pestizidrückstände in Lebensmittel aus Drittstaaten zuzulassen. Das wäre nicht nur ein Angriff auf die Gesundheit der europäischen Verbraucher*innen, sondern auch auf die Wirtschaftlichkeit der konventionellen Betriebe in der EU.

Der CEO-Report eröffnet tiefe Einblicke in den Lobby-Feldzug, den internationale Konzerne wie BASF, Bayer und Syngenta sowie Drittländer u.a. Kanada, Brasilien und die USA seit 2017 gegen den in der EU-Pestizidverordnung verankerten „gefahrenbasierten Ansatz“ führen. Ziel der Lobbyisten ist, den Import von landwirtschaftlichen Erzeugnissen in die EU auch dann zu ermöglichen, wenn diese Erzeugnisse Pestizide enthalten, die aufgrund dieses Ansatzes in der EU verboten wurden.

Außerdem deckt der CEO-Report auf, dass ausgerechnet Deutschlands Landwirtschaftsministerin Klöckner (ebenso wie die Minister*innen aus AT, UK, PL, LT, PT, NL) „Beihilfe“ zum Lobby-Feldzug der Pestizidindustrie gegen das Vorsorgeprinzip der EU geleistet hat. Damit hat sie sowohl die Interessen der Verbraucher*innen an hohe Gesundheitsschutzstandards, als auch die Interessen der EU-Landwirt*innen für einen wirksamen Schutz vor unfairem Wettbewerb den Interessen der internationalen Pestizid-Lobby unterordnet.

Allerdings ist hierzu das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn die Position der EU-Kommission zu Importtoleranzen ist noch nicht entschieden. Derzeit wird daran gearbeitet, bis zur Präsentation der „Farm to Fork Strategie“ Ende März, eine einheitliche Position vorlegen zu können. Öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema ist daher gerade jetzt besonders wichtig.




Toxikologische Bewertung der Pestizidbelastung über die Luft deckt ungenügende Risikobewertung auf

In einer 2019 veröffentlichten Studie zu einem bundesweiten Monitoring der Immissionsbelastung der Luft durch Pestizide wurden insgesamt 104 verschiedene Pestizide in Baumrinden nachgewiesen. Der Toxikologe Dr. Peter Clausing (Mitglied von PAN Germany) hat in einer toxikologischen Bewertung 15 der am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffe näher betrachtet. Dabei handelt es sich um Boscalid, Clomazon, Diflufenican, Epoxiconazol, Ethofumesat, Flufenacet, Glyphosat, Metalaxyl, Metazachlor, Pendimethalin, Prosulfocarb, Prothioconazol, S-Metolachlor, Tebuconazol, Terbuthylazin. Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft hat die Analyse in einem Bericht „Baumrinden-Monitoring der Pestizid-Belastung über die Luft: Eine toxikologische Bewertung“ am 12.02.2020 veröffentlicht.

Aufgrund der Ergbnisse kommt Dr. Peter Clausing zu dem Schluss, dass die Kriterien der Bewertung einer möglichen Exposition des Menschen dringend überprüft werden müssen. Die Bewertung einer möglichen Krebsgefahr zeigte in der Analyse bei sieben von 13 der am häufigsten in Baumrindenproben gefundenen Wirkstoffe Mängel. Das Risiko einer verharmlosenden Bewertung durch eine falsche Anwendung oder Nichtberücksichtigung von Bewertungskriterien, ist inakzeptabel. Dr. Peter Clausing warnt, dass das Behördenversagen bei der Krebsbewertung von Glyphosat kein Einzelfall war. Weil die Risikobewertung einer Pestizidexposition über die Atemluft bislang nur nicht umfassend genug erfolgt, bedarf es einer Aktualisierung des Vorgehens, so wie es auch bei der ungenügenden Bewertung von Mehrfachrückständen in Lebensmitteln der Fall ist.




Gefährliches Vertrauen in die Gute Laborpraxis

Im Oktober 2019 schockierte in Deutschland das investigative Nachrichtenmagazin FAKT der ARD mit schweren Betrugsvorwürfen gegen ein großes deutsches Tierversuchslabor, das LPT – Laboratory of Pharmacology and Toxicology in Hamburg. Eine jetzt durchgeführte Analyse zeigt, dass im Rahmen des Glyphosat-Genehmigungsverfahrens rund 10 Prozent der neu eingereichten Studien LPT zugeordnet werden können. Das Factsheet „Gefährliches Vertrauen in die Gute Laborpraxis (GLP)“ beschreibt die Situation bei LPT im Detail und befasst sich mit der Frage, was generell geändert werden muss, um das Vertrauen in diese Art von Studien wieder herzustellen.

Factsheet - GEFÄHRLICHES VERTRAUEN IN DIE „GUTE LABORPRAXIS“

Factsheet - GEFÄHRLICHES VERTRAUEN IN DIE „GUTE LABORPRAXIS“

Datum: 11. Februar 2020 3.46 MB

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Factsheet - DANGEROUS CONFIDENCE IN “GOOD LABORATORY PRACTICE”

Factsheet - DANGEROUS CONFIDENCE IN “GOOD LABORATORY PRACTICE”

Datum: 11. Februar 2020 3.42 MB

Our authorisation system for chemicals is based on the principle that manufacturers must prove, by means...
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Pressemitteilung von PAN Europe (Englisch)




Factsheet – DANGEROUS CONFIDENCE IN “GOOD LABORATORY PRACTICE”

Our authorisation system for chemicals is based on the principle that manufacturers must prove, by means of scientifc studies, that their products do not pose unacceptable risks to public health and the environment. It is therefore also the responsibility of manufacturers to
commission certifed contract laboratories to carry out the toxicological studies necessary for the approval procedure. As a guarantee against manipulation and falsifcation of these „regulatory“ studies, regulatory authorities worldwide rely on the certifed standard of „Good
Laboratory Practice“ (GLP). This standard provides for strict documentation requirements and regular internal and external controls. However, the current fraud scandal involving a German contract laboratory certifed according to GLP, shows that this trust is unlikely to be justifed. According to reports, GLP studies have been manipulated and falsifed there since 2005.




Factsheet – GEFÄHRLICHES VERTRAUEN IN DIE „GUTE LABORPRAXIS“

Unser Zulassungssystem für Chemikalien basiert auf dem Grundsatz, dass die Hersteller anhand von Studien beweisen müssen, dass ihre Produkte keine inakzeptablen Risiken für Gesundheit und Umwelt bergen. Daher obliegt es auch den Herstellern, zertifzierte Vertragslabors mit den für das Zulassungsverfahren notwendigen toxikologischen Studien zu beauftragen. Als Garant gegen Manipulation und Fälschung dieser “regulatorischen“ Studien vertrauen Zulassungsbehörden weltweit auf den zertifzierten Standard der „Guten Laborpraxis“ (GLP). Dieser sieht strenge Dokumentationspfichten und regelmäßige interne und externe Kontrollen vor. Doch der aktuelle Betrugsskandal an einem deutschen GLPzertifzierten Vertragslabor zeigt, dass dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt ist. Berichten zufolge wurden dort seit 2005 GLP-Studien manipuliert und gefälscht.




Tier- und Umweltschutzverbände appellieren an Agrarausschuss: „Setzen Sie sich gegen rechtswidrigen Verordnungsentwurf ein!“

Rechtliche Vorgaben zur Haltung von Muttersauen seit 28 Jahren ignoriert

Agrarausschuss des Bundesrates berät über die Fortsetzung der rechtswidrigen Haltungsform des Kastenstandes in der Schweinehaltung

Hamburg, 23.01.2019. Gemeinsame Pressemitteilung. Ein breites Bündnis aus über 20 Tier- und Umweltschutzverbänden fordert die Mitglieder des Agrarausschusses des Bundesrates auf, die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) zurückzuweisen und sich nicht an der Legalisierung tierquälerischer Haltungsbedingungen zu beteiligen und damit eine Verletzung des Staatsziels Tierschutz in Kauf zu nehmen, um rein ökonomische Interessen über den Schutz und das Wohlbefinden der Tiere zu stellen. Die Empfehlung des Ausschusses wird Grundlage für die finale Entscheidung der Bundesländer zum Verordnungsentwurf am 14. Februar im Bundesrat sein.

Nutztiere werden auf engstem Raum gehalten, weil in der Lebensmittelproduktion allein die Kostenminimierung zählt. Die konventionellen Haltungspraktiken werden den natürlichen Ansprüchen der Tiere nur unzureichend gerecht. Vielfach müssen Medikamente wie Antibiotika eingesetzt werden, um Defizite in der Haltung und im Management auszugleichen. „Der unkritische Einsatz von Tierarzneimittel birgt außerdem die Gefahr, Böden und Gewässer zu belasten und andere Lebewesen und Ökosysteme zu schädigen. Eine vorsorgliche Erhaltung der Tiergesundheit durch tiergerechte Haltungsbedingungen kommt also nicht nur der Verpflichtung des Tierwohls zu Gute, sondern führt außerdem zu einer Entlastung der Umwelt durch eine verantwortungsvolle Reduktion des Bedarfs an Tierarzneimitteln“, sagt Tamara Gripp, Referentin für Landwirtschaft und Umwelt von PAN Germany.

Bereits zum 30.05.1988 wurden rechtliche Anforderungen seitens des Gesetzgebers zur Haltung von Sauen geschaffen, die auch nach einer eingeräumten Übergangsfrist bis zum 31.12.1991 nicht durch die Sauenhalter eingehalten und durch die Kontrollbehörden flächendeckend ignoriert wurden. Durch das sogenannte „Kastenstandurteil“ des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) vom 08.11.2016 – 3 B 11/16 – wurde diese Rechtsverletzung höchstrichterlich bemängelt.

Kastenstände müssen derzeit so ausgestaltet sein, dass jedes Schwein – wie in der TierSchNutztV vorgeschrieben – ungehindert in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann. Das Ausstrecken der Gliedmaßen in Seitenlage ist eine wesentliche Haltungsvoraussetzung, da Schweine nur in dieser Position in die Tiefschlafphase gelangen. Dies kann, so die Richter am BVerwG, nur sichergestellt werden, wenn die Breite des Kastenstandes der Widerristhöhe des Schweines entspricht oder es seine Gliedmaßen ohne Behinderung in die benachbarten leeren Kastenstände ausstrecken kann.

Statt nun eine tragbare Tierhaltung ohne Kastenstand umzusetzen, missachtet der Bundesgesetzgeber ein höchstrichterliches Urteil und beabsichtigt nun mit der anstehenden Änderung der TierSchNutztV, die Anforderung des „Ausstreckens der Gliedmaßen in Seitenlage“ zu streichen und den seit 01.01.1992 widerrechtlich bestehenden Kastenständen Übergangsfristen von weiteren 15 und mehr Jahren einzuräumen.

Diese beabsichtigte Änderung hat einen rein monetären Ansatz, ohne sich mit den tatsächlichen Bedürfnissen eines Schweines zu befassen, und stellt eine erhebliche Verschlechterung der Haltungssituation für die Sauen dar. Die wirtschaftlichen Interessen des Tierhalters finden nach der aktuellen Rechtsprechung des BVerwG ggf. dort ihre Grenzen, wo Belange des Tierschutzes betroffen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.06.2019 – 3 C 28/16 – Rn. 18).

Durch diese Änderung sollen die widerrechtlich genehmigten Kastenstände legalisiert werden. Dies verstößt jedoch eklatant gegen das Staatsziel Tierschutz aus Art. 20a GG und das damit verbundene Verschlechterungsverbot sowie gegen die verhaltensgerechte Unterbringung von Tieren gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG.

Wie bereits in mehreren Stellungnahmen ausgeführt, ist nicht nur die vorgesehene Änderung der TierSchNutztV zum Kastenstand aus Tierschutzsicht völlig unzureichend. Vielmehr entspricht die Haltung von Sauen in Kastenständen grundsätzlich nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Verhaltensbiologie und ist somit als Ganzes als verfassungs- und tierschutzrechtswidrig einzustufen.

 

Zusammenschluss Tier- und Umweltschutzverbände

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