Offener Brief an Bundesregierung für besseren Schutz vor hormonschädigenden Stoffen
Bereits in sehr geringen Mengen können EDCs (endocrine disrupting chemicals) in den Hormonhaushalt eingreifen. Besonders gefährdet sind Schwangere, Kinder und andere vulnerable Gruppen. Deshalb muss nach den Zielen der Europäischen Union, die Exposition gegenüber EDCs für die Bevölkerung und für die Umwelt deutlich verringert werden.
In einem gemeinsamen offenen Brief wenden sich CHEM Trust Europe e.V., Health and Environment Justice Support e.V. (HEJSupport), Women Engage for a Common Future Deutschland e.V. (WECF) und das Pestizid-Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany) an die neue Bundesregierung und mahnen dringenden politischen Handlungsbedarf zum Schutz vor hormonell schädigenden Stoffen an. Mit dem Brief an die Bundesminister:innen des BMUKN, BMLEH, BMG, BMWE, BMJV, BMFSFJ und dem BMAS appellieren die Nichtregierungsorganisationen (NROs) an deren Verantwortung, tätig zu werden. Sie erinnern an den – nach Ressortabstimmung – von der Vorgängerregierung verabschiedeten „Fünf-Punkte-Plan zum Schutz vor hormonell schädigenden Stoffen” vom November 2023, der unter anderem als nationale Maßnahme für die Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie genannt wird.
Erinnert wird zudem an den Maßnahmenkatalog des NRO-Bündnisses, der ein Jahr später im Oktober 2024 veröffentlicht wurde und Empfehlungen für die weitere Ausgestaltung des „Fünf-Punkte-Plans“ zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt konkretisiert:
- Entwicklung eines verbindlichen, ausreichend finanzierten Maßnahmenplans mit klaren Zielen und Verantwortlichkeiten.
- Keine nationalen Zulassungen mehr für EDC-haltige Biozide und Pestizide; nationale Verbote von EDCs in besonders kritischen Produkten.
- Engagement für eine zügige Identifizierung und Regulierung von EDCs auch auf EU- Ebene, inklusive der Verdachtsstoffe.
- Mehr Transparenz für Verbraucher:innen, gezielte Aufklärungskampagnen (besonders für Schwangere) und einfache Zugänge zu Informationen.
- Förderung sicherer Alternativen zu EDCs, auch nicht-chemischer Verfahren, und Unterstützung entsprechender Forschung.
- Stärkere ressortübergreifende Zusammenarbeit und Koordinierung, um einheitliches und glaubwürdiges Handeln sicherzustellen.
Lesen Sie hier den gemeinsamen offenen Brief an die Bundesministerien.
EDCs werden mit schwerwiegenden Gesundheitseffekten wie bestimmten Krebserkrankungen, Fortpflanzungsstörungen, neurologischen Effekten auf Intelligenz und Verhalten, chronischen Stoffwechselkrankheiten und Schädigungen des Immunsystems in Verbindung gebracht. EDCs kommen in vielen Alltagsprodukten vor und landen als Pestizidrückstände in der Umwelt und in unseren Lebensmitteln. Auch für die biologische Vielfalt und die Umwelt stellen EDCs – zum Beispiel solche aus der PFAS-Gruppe – eine ernstzunehmende Bedrohung dar. Dies ist mit erheblichen wirtschaftlichen Kosten verbunden, die in der EU auf Hunderte von Milliarden Euro pro Jahr geschätzt werden. Konkrete Maßnahmen der Bundesregierung sind insofern dringend geboten.
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie wendete sich deshalb ebenfalls jüngst mit einem Offenen Brief an Vertreter:innen der deutschen Regierung und formulierte ihre Empfehlungen, unter anderen ein Verbot von EDCs in allen Konsumgütern und die Unterstützung des Vorschlags für eine universelle Beschränkung von den „Ewigkeitschemikalien“ PFAS.
In den Kernbereichen von PAN Germany – der Pestizid- und Biozidpolitik – regeln die entsprechenden EU-Verordnungen bereits seit 2009 bzw. 2012 den Ausschluss von identifizierten hormonschädlichen Wirkstoffen. Allerdings verlaufen die Identifizierung und Regulierung sehr schleppend. Es gibt immer wieder technische Verlängerungen von Wirkstoff-Genehmigungen, oft, weil die notwendigen Daten zu endokrinschädlichen Eigenschaften von den Antragstellern nicht oder unvollständig eingereicht werden. Außerdem sind – insbesondere im Biozidrecht – verschiedene Ausnahmen vom Verwendungsverbot vorgesehen, sofern keine Alternativen zur Verfügung stehen. Daher setzt sich PAN Germany für eine schnellere und konsequentere Umsetzung der Gesetzgebung ein wie z.B. eine ernsthafte vergleichende Bewertung auch von nichtchemischen Alternativen und fordert schnelle und weitergehende nationale Verbote von Pestizid- und Biozidprodukten, die EDCs enthalten.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und die Bereitstellung von Informationen. Hier leistet PAN Germany wichtige Aufklärungsarbeit, beispielsweise mit den aktuellen Materialien zum EDC-Thema für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit.