Verbot des hormonell schädigenden Herbizids Flufenacet beschlossen

Diesen Monat fiel auf EU-Ebene die Entscheidung, die Genehmigung für den problematischen Pestizidwirkstoff Flufenacet nicht zu verlängern. PAN Germany begrüßt diese Entscheidung als einen wichtigen Beitrag für einen besseren Gesundheits- und Umweltschutz.

Im Dezember 2024 hatte die Europäische Kommission einen Verordnungsentwurf zur Nichterneuerung der Wirkstoffgenehmigung des Herbizids Flufenacet vorgelegt [1] und diesem jetzt in der Märzsitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel – kurz SCoPAFF – zugestimmt [2]. Dies ist ein Erfolg des Umwelt- und Verbraucherschutzes, für den sich auch PAN Germany mit anderen Umweltorganisationen eingesetzt hatte [3]. Allerdings wird aller Wahrscheinlichkeit nach damit die Gefahr noch nicht gebannt sein. Der Verordnungsentwurf sieht vor, dass nach Genehmigungsende für Flufenacet am 15. Juni 2025 eine einjährige Abverkaufs- und Aufbrauchsfrist im Rahmen der nationalen Mittelzulassungen ermöglicht werden soll.

Das Herbizid Flufenacet wird in Deutschland derzeit mit einer Absatzmenge von rund 682.000 Tonnen in 34 zugelassenen Mitteln im Ackerbau (Getreide) vermarktet.

Flufenacet kann das Hormonsystem von Menschen und Tieren schädigen. Das Herbizid stört die Funktion der Schilddrüsenhormone und kann u.a. die Entwicklung des Gehirns und somit neurologische Funktionen und Fähigkeiten negativ beeinflussen. Der Wirkstoff zählt zu den PFAS-Ewigkeitschemikalien und baut sich in den sehr persistenten und mobilen Metaboliten TFA (Trifluoracetat) ab. TFA wiederum kann zu Entwicklungsschäden führen. Deshalb wird TFA auf eine Gefahrenklassifizierung als R 1b Stoff – als wahrscheinlich reproduktionstoxisch beim Menschen – geprüft. TFA besitzt ein sehr hohes Potential für Grundwasserkontaminationen und wird bereits in hohen Mengen im Grundwasser sowie in Trinkwasser- und Mineralwasserproben nachgewiesen (PAN Germany berichtete bereits zu dieser Problematik).

Aufgrund dieser besonderen Umwelt- und Gesundheitsrelevanz hatte die Zulassungsbehörde BVL bereits im Herbst 2024 ein vorzeitiges Verbot flufenacethaltiger Mittel in Deutschland geprüft und das BMEL hatte ein nationales Verbot Flufenacet-haltiger Produkte ohne Abverkauffristen in Aussicht gestellt. Trotz gleichbleibender Gefahrenlage änderte die Zulassungsbehörde nach dem Ende der Ampelregierung das Vorgehen und erklärte Anfang Februar, man würde jetzt doch auf die Entscheidung aus Brüssel warten [4].

Bedeutet das für Deutschland, das auch das im Zusammenhang mit dem im Herbst 2024 diskutierten Widerruf der Produktzulassungen ohne Abverkaufs- und Aufbrauchsfristen in Deutschland hinsichtlich dieser Fristen vom Tisch ist und flufenacethaltige Mittel noch bis Juni 2026 eingesetzt werden dürfen?

PAN Germany erwartet von der neuen Bundesregierung und der Zulassungsbehörde BVL ein klares Bekenntnis zum Gesundheitsschutz und insofern den sofortigen Stopp der Mittelzulassungen ohne Aufbrauchfristen mit Ende der EU-Genehmigung am 15. Juni 2025.

Laut EU-Kommission kann eine ungefährliche – „vernachlässigbare“ – Exposition nicht sichergestellt werden. Jegliche weitere Fristverlängerung der Anwendung würde somit ein unnötiges und unakzeptables Risiko für empfindliche Gruppen wie Schwangere und Neugeborene und dies besonders im ländlichen Raum darstellen. PAN Germany mahnt an, dass Menschen nicht weiteren Spritzeinsätzen mit Flufenacet direkt oder indirekt ausgesetzt werden dürfen. Da der Metabolit TFA sich aufgrund seiner hohen Persistenz in der Umwelt akkumuliert, muss der Eintrag über Flufenacet und weiterer TFA-emittierender Pestizide auch zum Schutz unserer Trinkwasserressourcen unverzüglich beendet werden.

Mehr dazu:

[1] EU-Verordnungsentwurf für die nicht-Genehmigung des Pestizids Flufenacet

[2] PAN Europe „EU Member States agree to ban flufenacet – PAN Europe calls for immediate action on all PFAS pesticides

[3] Offener Brief „Hormonelle Schädlichkeit von Flufenacet bestätigt: 49 Umweltgruppen fordern ein sofortiges Verbot“

[4] BVL „Information zu Flufenacethaltigen Pflanzenschutzmitteln: Widerruf nach Abschluss des europäischen Verfahrens“

 

 

 

 

 




Universitäre Studie belegt weitläufige Pestizidbelastung der Landschaft und fordert dringende Pestizidreduktion

Ein Forscherteam der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) Kaiserslautern-Landau belegt anhand von Messdaten, dass synthetisch-chemische Pestizide aus dem konventionellen Landbau sich über weite Strecken verbreiten. Weitläufige Probenahmen belegen eine Kontamination mit Pestizidmischungen entfernt vom Ausbringungsort in der gesamten Landschaft. Um Gebiete um Äcker, Obstplantagen und Weinberge zu schützen, muss der Pestizideinsatz dringend reduziert werden, so die Forscher. Die Studie erschien im Fachmagazin Communications Earth & Environment (2).

In dem durch intensive Landwirtschaft geprägten Untersuchungsgebiet im Oberrheingraben führte das Forschungsteam während der Spritzsaison im Juni und Juli 2022 umfassende Probenahmen durch: Entlang von sechs 30 Kilometer langen Messpfaden wurden an 78 Standorten Oberboden, Vegetation, Fließgewässer und Pfützen beprobt. Den Verbleib eingesetzter Pestizide auf so großer Skala systematisch aufzunehmen und darzustellen, ist ein neuer, am Institut für Umweltwissenschaften Landau entwickelter Ansatz. Mithilfe modernster Analysentechniken, die auch geringste Konzentrationen nachweisen können, erfolgte die Untersuchung auf 93 gängige Pestizide.

In 97 Prozent der Boden- und Vegetationsproben wurden Rückstände gemessen. Insgesamt 63 unterschiedliche Pestizidwirkstoffe wurden in den Probenahmestellen außerhalb der landwirtschaftlichen Nutzflächen nachgewiesen, oft in komplexen Mischungen. Die Forschenden äußerten Besorgnis darüber, dass selbst abgelegene Gebiete nicht frei von Pestiziden seien.

Im Durchschnitt wurden im Oberboden fünf Pestizide gemessen, wobei einzelne Proben bis zu 26 verschiedene Wirkstoffe aufwiesen. Die Vegetation war im Mittel mit sechs Pestiziden belastet, in einigen Fällen mit bis zu 21 Stoffen. Die untersuchten Oberflächenwasserproben aus Flüssen, kleinen Bächen, Teichen oder Pfützen wiesen Belastungen mit 44 Pestizidwirkstoffen auf, darunter 21 Fungizide, 14 Herbizide und 9 Insektizide.

Die in der Studie am häufigsten nachgewiesenen Pestizidwirkstoffe im Oberboden waren die Fungizide Fluopyram (94 % aller Proben), Boscalid (42 %), Spiroxamin (37 %) und Pyraclostrobin (22 %). In der Vegetation wurden am häufigsten die Fungizide Fluopyram (92 %), Spiroxamin (55 %), Cyflufenamid (41 %) und Boscalid (38 %) nachgewiesen. In Oberflächengewässern waren es das Fungizid Fluopyram (77 %), das Insektizid Pirimicarb (67 %), das Herbizid Metazachlor (6 3%), und das Insektizid Tebufenozid (63 %). Jedes dieser häufig entdeckten Pestizide ist in der Pestiziddatenbank (PPDB) der University of Hertfordshire mit einem Warnhinweis in mindestens einer der drei Kategorien „Umweltverhalten“, „Ökotoxizität“ und „Menschliche Gesundheit“ versehen.

„Unsere Ergebnisse sind eindeutig: Pestizide verbreiten sich weit über Felder hinaus. Das ist mehr als ein landwirtschaftliches Problem – es ist eine Realität, die uns alle betrifft. Pestizide können uns beim Spazierengehen, auf Spielplätzen oder im eigenen Garten begegnen“, erklärt Ken Mauser, Erstautor der Studie in Pressemitteilung der RPTU Kaiserslautern-Landau (1). Besonders gefährdet, so heißt es weiter, seien Personen mit direktem Pestizidkontakt, also die Landwirte selbst, sowie empfindliche Gruppen wie Kinder, Schwangere und ältere Menschen. Eines im Rahmen der Untersuchungen am häufigsten gefundene Pestizide war das Fungizid Fluopyram, das in über 90 Prozent aller Proben nachgewiesen wurde. Fluopyram zählt als PFAS-Pestizid zu den sogenannten Ewigkeitschemikalien, deren Abbauprodukte auch das Grundwasser verunreinigen können. „Eine landschaftsweite Verbreitung der Substanz erscheint auf Grund der noch nicht geklärten Auswirkungen auf die Trinkwasserressourcen äußerst bedenklich“, so die Umweltwissenschaftler in der Pressemitteilung der Universität. 

Die Studie und die Forschenden um Professor Carsten Brühl liefern wichtige Daten und wissenschaftliche Belege für die ubiquitäre Verbreitung von Pestiziden auf lebensnotwendige Umweltressourcen wie Böden und Gewässer und die Natur insgesamt. Die Studienergebnisse erscheinen zu einem Zeitpunkt, da es umweltrelevante Themen politisch schwer haben. Es ist zu hoffen, dass insbesondere die politischen Vertreter*innen, die jetzt in den Koalitionsgesprächen die politischen und finanziellen Weichen für die kommenden vier Jahre stellen, die Ergebnisse dieser Studie als Mahnung und Leitschnur nehmen, insbesondere wenn sie über Umweltschutzstandards, über ihr Engagement zum nicht-chemischen Pflanzenschutz, zu PFAS-Verboten und Unterstützungen für den Ökolandbau beraten.

Weiterlesen / Vertiefen:

(1) RTPU Presseerklärung 12. März 2025: Nicht nur auf Feldern: Flächendeckende Pestizidbelastung am Oberrhein von der Ebene bis in Höhenlagen nachgewiesen

(2) Studie, die im Fachmagazin Communications Earth & Environment erschienen: Mauser, K.M., Wolfram, J., Spaak, J.W. et al. Current-use pesticides in vegetation, topsoil and water reveal contaminated landscapes of the Upper Rhine Valley, Germany. Commun Earth Environ 6, 166 (2025). https://doi.org/10.1038/s43247-025-02118-2

PAN Germany zu PFAS: https://pan-germany.org/tag/pfas/

PAN Germany: Schutzgebiete vor Pestiziden schützen

PAN Germany. Giftiger Dunst – Betroffen von Pestizid-Abdrift




Klar, frisch, rein? Wasserverschmutzung durch Pestizide und was alle dagegen tun können

Das neue Faltblatt des Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. gibt einen Überblick über die Pestizid-Belastung von Gewässern und zeigt auf, was dies für unser Trinkwasser bedeutet und wie wir die Situation verbessern können.

Unsere Gesundheit und die Gesundheit aller Lebewesen ist davon abhängig, dass sauberes Wasser verfügbar ist. Geltende Auflagen beim Ausbringen von Pestiziden verhindern nicht, dass in Bächen, Flüssen, Seen, im Meer, Grundwasser und Regen Pestizide nachweisbar sind. Zunehmend Sorgen bereiten insbesondere Belastungen mit PFAS-Pestiziden und ihrem Abbauprodukt TFA, die wegen ihrer extremen Langlebigkeit zur Gruppe der „Ewigkeitschemikalien“ zählen. Sie gefährden unsere Gesundheit und Ökosysteme.

In seiner aktualisierten Auflage des Wasser-Faltblatts „Pestizide: Eine Gefahr für Wasserlebewesen und für unser Trinkwasser“ informiert PAN Germany kurz und verständlich über die Belastungssituation und zeigt: Es gibt wirksame Maßnahmen, unsere Gewässer und unser Trinkwasser nachhaltig vor Pestizideinträgen zu schützen. Dabei legt das Faltblatt Wert darauf, dass alle einen Beitrag leisten können.

Das Faltblatt behandelt ein hochaktuelles Thema: In diesem Monat veröffentlichte die Europäische Kommission mehrere Berichte zum Zustand unserer Gewässer. Ihr Fazit: In den letzten Jahren konnte der Zustand der EU-Gewässer verbessert werden. Doch in wichtigen Bereichen sind weitere Anstrengungen erforderlich. Hierzu zählt auch der chemische Zustand unserer Gewässer. Nur 26.8% der Gewässer erreichen den angestrebten guten chemischen Zustand.

Das PAN Germany Faltblatt: Pestizide: Eine Gefahr für Wasserlebewesen und für unser Trinkwasser steht kostenlos als Download bereit oder kann als Papierversion bestellt werden – per Email an info@pan-germany.org.

Weitere Informationen zum Thema:

Kontakt:




Belastung von Gewässern mit PFAS-Pestiziden – Ein Verbot von Fluopyram ist überfällig

Unsere Gewässer haben vielfältige Funktionen. Sie sind Lebensräume, Lebensadern und Lieferanten unseres wichtigsten Lebensmittels: Trinkwasser. Umso besorgniserregender ist, dass europaweit Gewässer chemisch verunreinigt sind. Eine relevante Rolle hierbei spielen Belastungen durch PFAS-Pestizide. Eines dieser PFAS-Pestizide ist das weit verbreitete Fluopyram. Trotz eindeutiger Beweise für seine Schädlichkeit wurde die EU-Genehmigung für Fluopyram bis 2026 verlängert.

In Deutschland sind derzeit acht fluorypramhaltige Pestizidprodukte zur Bekämpfung von Pilzbefall in einer Vielzahl von Kulturen– u.a. in Weizen, Wein, Raps, Zuckerrüben, Möhren und Erdbeeren – zugelassen.

Als PFAS-Pestizid gehört Fluopyram zu einer Gruppe von Wirkstoffen, die aufgrund ihrer hohen Persistenz in der Umwelt als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet werden. Fluopyram baut sich zu TFA ab, einem ultrakurzen PFAS, das für seine hohe Mobilität und Persistenz bekannt ist. TFA verunreinigen unser Grundwasser, Oberflächengewässer das Trinkwasser und wurde selbst in Mineralwasserproben nachgewiesen. Die Verbreitung von TFA-Belastungen ist besorgniserregend, zumal sich die Hinweise auf die Toxizität von TFA mehren. Derzeit liegt ein Vorschlag vor, TFA als reproduktionstoxisch der Kategorie 1B und als „persistent, mobil und toxisch“ (PMT) einzustufen.

Die geltende EU-Pestizidverordnung 1107/2009 gibt vor, Substanzen nicht zu genehmigen, die toxikologisch „relevante“ Metabolite produzieren, wenn diese das Grundwasser über dem gesetzlichen Grenzwert von 0,1 µg/L verunreinigen. Fluopyram erfüllt diese Bedingung eindeutig: Das von Bayer im Jahr 2021 eingereichte Dossier zeigt, dass die TFA-Konzentrationen im Grundwasser diesen Grenzwert in allen Szenarien überschreiten. Dennoch verlängerte die EU-Kommission die Zulassung von Fluopyram im Januar 2024 um weitere 2,5 Jahre.

Der falsche Umgang mit Fluopyram erinnert an den Fall von Flufenacet, einem anderen PFAS-Pestizidwirkstoff. Trotz wissenschaftlicher Beweise für seine schädlichen Auswirkungen wurde die Genehmigung von Flufenacet 11-mal und damit um 11 Jahre verlängert, bevor im Dezember 2024 ein Vorschlag für die Nichtverlängerung der Genehmigung vorgelegt wurde. Durch diese Verzögerung konnte die umfassende Wasserverschmutzung über mehrere Jahre hinweg fortgesetzt werden.

Wir können uns keine weiteren Verzögerungen beim Verbot von Fluopyram leisten. Gemeinsam mit unseren Kolleg*innen von Générations Futures in Frankreich, PAN Europe und mit zahlreichen weiteren Nichtregierungsorganisationen hat PAN Germany die Europäische Kommission in einem Brief dazu aufgefordert:

  • Fluopyram als „ernsthaftes Risiko für die menschliche Gesundheit“ in Übereinstimmung mit Artikel 69 der Verordnung 1107/2009 anzuerkennen und alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Anwendung und den Verkauf von Fluopyram und Fluopyram-Produkten zu verbieten.
  • den Widerruf der Genehmigung von Fluopyram auf der Sitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) im März 2025 vorzuschlagen.

Der Schutz der europäischen Wasserressourcen erfordert entschlossenes Handeln. Wissenschaftler*innen haben TFA als eine Bedrohung für die planetaren Grenzen identifiziert und fordern umgehende Anstrengungen zur Reduzierung der TFA-Emissionen. Das Verbot von Fluopyram ist ein notwendiger Schritt zum Schutz unserer Wasserressourcen, der öffentlichen Gesundheit und der Ökosysteme.

 

Weitere Informationen:

Brief an Generaldirektorin Sandra Gallina “Urgent call to ban the PFAS pesticide fluopyram due to its TFA emission” von, Générations Futures, Global 2000, PAN Europe, PAN Germany und weiteren NGOs, vom 31. Januar 2025

PAN Europe Blog-Beitrag “Protect Europe’s Water: Why Fluopyram Must Be Banned” 5. Februar 2024

Europäische Bevölkerung ist über Obst und Gemüse zunehmend PFAS-Pestiziden ausgesetzt

Weitverbreitete Wasserverschmutzung durch langlebiges Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden




Deutschland muss Zulassungen von PFAS-Pestiziden umgehend prüfen und widerrufen!

Belastung von Trinkwasser und Oberflächengewässern mit Ewigkeitschemikalien nicht länger hinnehmen.

Ein heute veröffentlichtes Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Zulassungen von Pestiziden, die die Ewigkeits-Chemikalie TFA (Trifluoracetat) in die Umwelt und ins Grundwasser freisetzen, zu widerrufen sind. Das Gutachten wurde durch Global 2000 beauftragt und von dem österreichischen Rechtswissenschaftler Dr. Peter Hilpold von der Universität Innsbruck erstellt.

Laut EU-Pestizidverordnung dürfen Mitgliedstaaten ein Pflanzenschutzmittel nur dann zulassen, wenn das Pestizid oder seine Abbauprodukte die Gesundheit oder das Grundwasser nicht gefährden“, erklärt der Europarechtler Hilpold in der Pressemitteilung von Global 2000: “Wenn sich herausstellt, dass ein Abbauprodukt eines zugelassenen Pflanzenschutzmittels das Grundwasser belastet, und wenn Grund zur Annahme besteht, dass es zudem unannehmbare toxikologische Eigenschaften hat, dann erfüllt das betreffende Pflanzenschutzmittel nicht mehr die Anforderungen für eine Zulassung. In diesem Fall ist die Zulassung aufzuheben oder so zu ändern, dass eine Kontamination des Grundwassers ausgeschlossen ist.

Dass Gewässer und Trinkwasser in Europa entsprechend belastet sind, deckte eine breit angelegte Stichprobenuntersuchung auf. Das sehr persistente und mobile TFA gelangt hauptsächlich als Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden und F-Gasen in Grund- und Oberflächengewässer. Global 2000, PAN Europe, PAN Germany und weitere Partnerorganisationen hatten Proben aus Oberflächengewässern sowie aus Trink- und Mineralwässern auf TFA untersucht und festgestellt, dass diese Ewigkeits-Chemikalie in fast allen Proben und oft in erheblichen Konzentrationen nachweisbar ist.

Zu der großflächigen Belastung von verschiedenen Wasserkörpern kommt hinzu, dass TFA offensichtlich auch eine “unannehmbare toxikologische Eigenschaft“ besitzt, wie das Gutachten ausführt. Demnach informierte bereits Anfang 2021 der Pestizidhersteller Bayer die EU-Mitgliedstaaten und die EU-Kommission über das fortpflanzungsgefährdende Potential des Pestizid-Abbauproduktes TFA. Die Chemikalie hatte im Tierexperiment schwere Missbildungen bei Föten verursacht. Zwischenzeitlich hat der Pestizid-Hersteller selbst bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA die Einstufung von TFA als ‘vermutlich reproduktionstoxisch beim Menschen’ beantragt. Im Juni 2024 legte die deutsche Bundesstelle für Chemikalien (BfC) bei der ECHA einen Vorschlag für die harmonisierte Gefahreneinstufung als ‘wahrscheinlich reproduktionstoxisch beim Menschen’ vor.

Besonderes Augenmerk wird im Gutachten auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gelegt. Dieser hat wiederholt die Rolle des Vorsorgeprinzips bestätigt. Darüber hinaus betont die EU-Pestizidverordnung selbst den Vorrang des Ziels, die Gesundheit und die Umwelt zu schützen, über das Ziel, die Pflanzenproduktion zu verbessern und verweist insbesondere darauf, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse fortlaufend eine Neubewertung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln bedingen.

Ein Schnellcheck von PAN Germany in der BVL „Online-Datenbank Pflanzenschutzmittel“ identifiziert 30 PFAS-Pestizid-Wirkstoffe, die derzeit in einer weitaus größeren Anzahl an Mitteln in Deutschland zugelassen sind und auf landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt werden.

PAN Germany erwartet von den deutschen Zulassungsbehörden die entsprechenden Mittelzulassungen unverzüglich zu überprüfen und diese zu widerrufen. Außerdem muss sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir für einen EU-weiten Ausstieg aus der Nutzung von PFAS-Pestiziden einsetzen. Dem Schutz des Grundwassers als wichtigste Trinkwasserressource für uns und zukünftige Generationen muss oberste Priorität eingeräumt werden.

Weitere Informationen:




Rheinalarm durch Verschmutzung mit BAYER-Pestizid ausgelöst

180 Kilogramm der Pestizid-Komponente 2,6-Dimethyl-1-Aminoindan, ein Bestandteil des von BAYER hergestellten Pestizids Indaziflam, gelangten am 24. August 2024 vom Klärwerk Leverkusen-Bürrig in den Rhein. Die Coordination Gegen Bayer Gefahren (CBG) berichtete.

Dem LANUV zufolge gehört 2,6-Dimethyl-1-Aminoindan zur Wassergefährdungsklasse 2, was „deutlich wassergefährdend“ bedeutet. Indaziflam ist sehr giftig für Wasserlebewesen, kann bei Menschen Augenschäden verursachen, wirkt neurotoxisch und gilt als PFAS und damit als sogenannte Ewigkeitschemikalie. PAN Germany hat sich erst Mal an Untersuchungen und Publikationen zu PFAS in Gewässern und im Trinkwasser beteiligt und fordert die Umstellung auf PFAS-freien Pflanzenschutz. Die Behörden lösten daraufhin Rhein-Alarm aus (Meldung des LANUV). Auch in den Folgetagen wiesen durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) untersuchte Wasserproben noch erhöhte Werte dieses Stoffes auf. Da der Rhein als Trinkwasserquelle, besonders von trinkwassergewinnenden Betrieben in den Niederlanden, genutzt wird, ist diese Umweltverschmutzung von großer Bedeutung.

Das Bayer-Pestizid Indaziflam ist in der EU nicht zugelassen. Dennoch wird es für den Export hergestellt. Der Vorfall am Rhein bestätigt uns in unserem Engagement für ein Gesetz, das  – wie in Frankreich – die Herstellung und den Export von in der EU nicht-zugelassenen Pestiziden unterbindet. Ein solches Gesetz schützt nicht nur die Menschen in den Importländern, sondern auch Menschen und Umwelt in unserem eigenen Land.

 

Quelle:

Mehr auf unserer Website:




Zukunftsprogramm Pflanzenschutz – Gut gemeint aber unzureichend

[Hamburg, 4.9.2024] Heute stellte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz des BMEL vor. Aus Sicht von PAN Germany fehlt es dem „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ an Klarheit und Verbindlichkeit. Bei PAN Germany überwiegen bei einer ersten Bewertung die Zweifel, dass das Programm die notwendigen Impulse in Richtung Pestizidreduktion und nachhaltige Pflanzenschutzverfahren geben kann.

„Das Programm sollte schnellstmöglich Klarheit hinsichtlich der Finanzierung von Maßnahmen sowie der gewählten Indikatoren zur Erfolgskontrolle schaffen. Zudem erwarten wir Nachbesserungen beim Schutz der Biodiversität auf Agrarflächen und zum Schutz unseres wichtigsten Lebensmittels, dem Trinkwasser. Hier schließen wir uns der bei der Programmvorstellung geäußerten Kritik von Seiten der Wasserversorger und der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser an, dass insbesondere der Trinkwasserschutz – anders als noch im Entwurf – nicht mehr berücksichtigt wird, obgleich die Regierung sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet hat.“, sagt Susanne Smolka, Referentin für Pestizide und Biozide beim PAN Germany.

„Wir wiederholen an dieser Stelle: Pestizidreduktion ist kein Selbstzweck. Sie dient dem Schutz der Gesundheit der Beschäftigten und der Bevölkerung insgesamt, dem Schutz unserer Ressourcen vor Kontamination und dem Schutz der Umwelt und biologischen Vielfalt, die wir brauchen, um auch zukünftig noch erfolgreich Landwirtschaft betreiben zu können. Auch vor dem Hintergrund internationaler Verpflichtungen – Stichwort Biodiversitätskonvention – muss Deutschland in Sachen Pestizidreduktion liefern.“ sagt Susan Haffmans, Referentin für Pestizide und Internationales bei PAN Germany.

Positiv merkt PAN Germany an, dass das Programm an den Reduktionszielen der Farm-to-Fork Strategie von minus 50 Prozent für chemisch-synthetische Pestizide bis 2030 festhält. Auch, dass eine Evaluierung des Progammerfolgs und mögliche Nachjustierung geplant sind, ist gut.

Mehr dazu:

BMEL Zukunftsprogramm Pflanzenschutz

PAN-Stellungnahme als Diskussionsgrundlage zum „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“, 03.05.2024

PAN PM 13 Juni 2024: Wer Abstriche beim Schutz vor Pestizidbelastungen fordert, schadet den Beschäftigten in der Landwirtschaft und zukünftigen Generationen

Gemeinsame Presseerklärung: Zukunftsprogramm ohne Zukunft? Verbände fordern: Pestizidreduktion wirksam angehen!

Ein Zukunftsprogramm ohne Zukunft? – Offener Brief an Bundesagrarminister Cem Özdemir zum Vorschlagsentwurf eines Zukunftsprogramms Pflanzenschutz des BMEL. 3. Mai 2024

 

PAN-Pressekontakt:

Susanne Smolka, Referentin für Pestizide und Biozide, Susanne.smolka[a]pan-germany.org, +49(0)40 399 19 10-24

Susan Haffmans, Referentin für Pestizide und Internationales, susan.haffmans[at]pan-germany.org, +49(0)40 399 19 10-25




TFA – Die ewige Chemikalie in dem Wasser, das wir trinken

Ein heute veröffentlichter Untersuchungsbericht zeigt die Belastung von Trinkwasserproben mit der „Ewigkeitschemikalie“ TFA, einem Abbauprodukt bestimmter PFAS-Pestizide und Kühlmittel.

Im Rahmen einer Sondierungsuntersuchung von 55 Trinkwasserproben aus 11 europäischen Ländern konnte gezeigt werden, dass TFA (Trifluoracetat) nicht nur Flüsse und Seen belasten (wir berichteten), sondern auch in relevanten Mengen im Trinkwasser vorkommt. Die Ergebnisse wurden in dem Bericht „TFA – Die ewige Chemikalie in dem Wasser, das wir trinken“ von PAN Europe, Global 200O, PAN Germany und weiteren Partnerorganisationen zusammengetragen und diskutiert. Der Bericht macht deutlich: TFA darf nicht länger unreguliert belieben – wir brauchen einen besseren Schutz unserer Gewässer, unseres Trinkwassers und unserer Gesundheit vor TFA-Belastungen.

Bislang ist TFA regulatorisch eine „unsichtbare“ Chemikalie, für die es keine Qualitätsstandards für Grund- oder Oberflächenwasser und keine Grenzwerte für Trinkwasser gibt. Das liegt vor allem daran, dass TFA bislang als „nicht relevanter Metabolit“ eingestuft ist, was aus Sicht der Autor*innen ein schwerer Fehler ist. Als „nicht relevanter Metabolit“ wird die problematische Substanz in vielen EU-Ländern nicht oder kaum überwacht. Mit der anstehenden Überarbeitung der Wasserrahmenrichtlinie könnte sich das ändern. Die Autor*innen der Studie erwarten für die anstehenden politischen Verhandlungen ein entsprechendes Engagement von Seiten der Mitgliedsstaaten.

Insgesamt wurde TFA in 34 von 36 Leitungswasserproben nachgewiesen. Die TFA-Werte reichten von „nicht nachweisbar“ (< 20 ng/L) bis 4.100 ng/L, mit einem Durchschnitt von 740 ng/L. Die beiden Proben, die keine nachweisbare TFA-Kontamination aufwiesen, kamen aus Hamburg und Niedersachsen. Untersucht wurden auch einige Mineralwasserproben. Natürliche Mineralwässer müssen nach europäischem Recht vor allem dem Erfordernis der ursprünglichen Reinheit genügen und aufgrund des unterirdischen Ursprungs dieser Wässer frei von Verschmutzung sein. Dass nur fünf von 17 Mineralwässern frei von Schadstoffen sind und selbst tief liegende Wasservorkommen nicht ausreichend vor Verunreinigungen durch TFA geschützt sind, liegt an der Kombination aus extremer Persistenz und extremer Mobilität der Substanz.

In Industrie-Studien verursachte TFA bei Kaninchen nach pränataler Exposition schwere Geburtsfehler. Dies gab Anlass zu erheblicher Besorgnis und führte zu dem Antrag der deutschen Behörden, TFA als reproduktionstoxischen Stoff der Kategorie 1B einzustufen. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat mit der Bewertung begonnen, und wenn sie diesen Klassifizierungsvorschlag annimmt, wird TFA als relevanter Metabolit betrachtet und alle PFAS-Pestizide müssten in Folge ihre Marktzulassung verlieren.

Die Autor*innen der Studie fordern unter anderem ein sofortiges Verbot von PFAS-Pestiziden und die Unterstützung der Landwirt:innen bei der Umstellung auf, idealerweise chemiefreie  Pflanzenschutzverfahren, zudem die Festlegung eines Grenzwertes für sicheres Trinkwasser und Umweltqualitätsnormen für TFA auf EU-Ebene und eine zügige Umsetzung der allgemeinen PFAS-Beschränkung im Rahmen der REACH-Verordnung.

Bericht „TFA – Die ewige Chemikalie in dem Wasser, das wir trinken“

Report „TFA in the Water we drink”

Presseinformation, 10.09.24 von PAN Europe zur Veröffentlichung des TFA-Trinkwasser-Berichts (Englisch)

Bericht „TFA in Wasser -Schmutziges PFAS-Erbe unter dem Radar“

 

 




Weitverbreitete Wasserverschmutzung durch langlebiges Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden

Eine von Mitgliedsorganisationen des Europäischen Pestizid Aktions-Netzwerks, darunter PAN Germany, durchgeführte gemeinsame Untersuchung von 23 Oberflächen- und sechs Grundwasserproben in zehn EU-Ländern zeigt alarmierende Werte der wenig bekannten und weitgehend unregulierten „Ewigkeitschemikalie“ TFA (Trifluoracetat). Die Belastung steht weniger im Zusammenhang mit industriellen Hotspots, sondern ist weit verbreitet, mit bemerkenswert hohen Konzentrationen in landwirtschaftlichen Gebieten.

TFA ist ein Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden, F-Gasen und von anderen sogenannten „Ewigkeitschemikalien“ (PFAS). Die in den Wasserproben gefundenen Konzentrationen betrugen im Durchschnitt 1.180 Nanogramm pro Liter (ng/l). Dies ist 70 Mal höher als die durchschnittliche Konzentration aller anderen untersuchten PFAS zusammen, einschließlich der bekannten „Hot-Spot“-PFAS. In 23 der 29 Wasserproben (79 %) überstieg die TFA-Konzentration den in der EU-Trinkwasserrichtlinie vorgeschlagenen Grenzwert für PFAS insgesamt. Der höchste TFA-Wert konnte in der Elbe bei Hamburg mit einem Wert von 3.300 ng/l festgestellt werden.

Die Daten zeichnen ein alarmierendes Bild der weit verbreiteten Wasserverschmutzung durch eine wenig bekannte, aber sehr persistente und sehr mobile „Ewigkeitschemikalie“. Bislang wurde das PFAS-Problem vor allem als Problem hoch kontaminierter, aber lokal begrenzter Hotspots verstanden. Jetzt zeigt sich eine weitreichende Belastung mit TFA in Gewässern.

Das Umweltbundesamt (UBA) hat kürzlich PFAS-Pestizide als die wahrscheinlich wichtigste Quelle für die TFA-Wasserverschmutzung in ländlichen Gebieten identifiziert. Die EU-Pestizidverordnung schreibt vor, dass Pestizide nur dann zugelassen werden dürfen, wenn ihre Wirkstoffe und „relevanten Metabolite“ Konzentrationen von 100 ng/l im Grundwasser nicht überschreiten. TFA wurde allerdings vor über 20 Jahren als ein sog. „nicht-relevanter Metabolit“ von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA eingestuft und ist somit bislang von allen Überwachungspflichten und -grenzwerten ausgenommen.

„Die katastrophale Entscheidung der EFSA, die Grundwasserkontamination durch TFA zu vernachlässigen, sicherte den Herstellern die Vermarktung von PFAS-Pestiziden und legte den Grundstein für die wohl größte und weitreichendste Kontamination des europäischen Oberflächen- und Grundwassers durch eine vom Menschen hergestellte Chemikalie in der Geschichte“, so Salomé Roynel, Policy Officer bei PAN Europe in der englischsprachigen Pressemitteilung.

Aber auch die EU-Wasserrahmenrichtlinie hat diese Kontamination nicht verhindert, obwohl in Artikel 4 die Mitgliedstaaten ausdrücklich aufgefordert werden, „die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um jede signifikante und anhaltende steigende Tendenz der Konzentration eines Schadstoffs, die auf die Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten zurückzuführen ist, umzukehren“. Nach Sicht von PAN hätten diese gesetzlich geforderten „notwendigen Maßnahmen“ zweifellos ein Verbot von PFAS-Pestiziden und den so genannten F-Gasen nach sich ziehen müssen. F-Gase gelangen in Tausenden von Tonnen aus industriellen Kühlmitteln in die Atmosphäre und dann als TFA über den Regen in den globalen Wasserkreislauf.

Der Beweis für die gefährlichen Eigenschaften von TFA wurde kürzlich in einer von der Industrie in Auftrag gegebenen Tierstudie erbracht, in der TFA schwere Missbildungen bei Kaninchenbabys verursachte, deren Mütter während der Schwangerschaft TFA ausgesetzt waren. Auf Initiative Deutschlands wird die ECHA prüfen, ob TFA als reproduktionstoxisch eingestuft werden soll.

Das Ausmaß der festgestellten TFA-Kontamination erfordert rasches und entschiedenes Handeln. PAN Europe, PAN Germany und die anderen beteiligten Mitgliedsorganisationen fordern deshalb

  • ein rasches Verbot von PFAS-Pestiziden,
  • die Umsetzung der allgemeinen PFAS-Beschränkung im Rahmen der REACH-Chemikalienverordnung,
  • die Einstufung von TFA als „prioritärer Stoff“ im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie,
  • und ein umfassendes Monitoring mit Überwachungspflichten und Grenzwerten für TFA.

 

Bericht „TFA in Wasser -Schmutziges PFAS-Erbe unter dem Radar“

Report „TFA in Water – Dirty PFAS Legacy under the Radar”

PAN Europe Pressemitteilung (engl.)

Mehr dazu: Eine kürzlich veröffentlichte Studie von PAN Europe und Partnerorganisationen analysierte das Ausmaß an Rückständen von PFAS-Pestiziden in Lebensmitteln: PAN Germany berichtete




PAN-Report: Pestizide können aus „geschlossenen“ Gewächshäusern entweichen

Brüssel, Hamburg, 12. Dezember 2023. Pressemitteilung. Probenahmen von Regen- und Oberflächenwasser in der Umgebung von Gewächshäusern in Belgien, den Niederlanden, Spanien und Deutschland zeigen eine alarmierend hohe Belastung durch Pestizide. Dazu gehören Stoffe, die üblicherweise in Gewächshäusern verwendet werden, aber auch solche, die schon vor Jahren verboten wurden. Der Bericht “It rains pesticides from greenhouses!” wurde heute vom Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) Europa veröffentlicht. Er unterstreicht das Problem, dass Gewächshäuser keine geschlossenen Räume sind und insofern nicht weniger strenge Vorschriften bei der Pestizidzulassung verdienen.

Dutzende von Pestiziden wurden in Proben von Regen- und Oberflächenwasser nachgewiesen, die in Gebieten entnommen wurden, in denen der Anbau in Gewächshäusern die einzige oder vorherrschende landwirtschaftliche Tätigkeit ist. In einer Regenwasserprobe aus den Niederlanden wurden 35 verschiedene Pestizide nachgewiesen, in einer Oberflächenwasserprobe aus Spanien 23. Die Zahl der nachgewiesenen Pestizide war in dieser Momentaufnahme in allen vier EU-Mitgliedstaaten hoch.

Die Konzentrationen der einzelnen Pestizide lagen zwar unter den – sofern überhaupt vorhandenen –  Umweltqualitätsnormen für Oberflächengewässer, aber ihr kombiniertes Vorhandensein gibt Anlass zur Sorge. In der Studie wurden Pestizidgemische von bis zu 90 μg/l in belgischem Oberflächenwasser und 21 μg/l in Regenwasserproben festgestellt. Das sind 180 bzw. 42 Mal mehr als der kürzlich vorgeschlagene Summengrenzwert von 0,5 μg/l für Pestizide in Oberflächengewässern.¹

Dies ist besorgniserregend, da die (Öko-)Toxizität in Form von Mischungseffekten noch immer nicht ausreichend in die Risikobewertung im Rahmen der EU-Pestizidregulierung² einbezogen wird, obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass kumulative – additive oder sich verstärkende – Effekte berücksichtigt werden müssen.

Entsprechende Pestizidemissionen in die Umwelt stellen somit ein Risiko für die Ökosysteme, die biologische Vielfalt und die menschliche Gesundheit dar. Dennoch gehen viele nationale und die europäischen Behörden weiterhin davon aus, dass Gewächshäuser geschlossene Räume sind, die die Freisetzung von Pestiziden in die Umwelt verhindern. Hans Muilerman, Koordinator für Chemikalien bei PAN Europe, appelliert: „Die EU sollte dringend aufhören, ansonsten verbotene Pestizide für den Einsatz in Gewächshäusern zu genehmigen. Gewächshäuser sind nicht geschlossen und müssen einer angemessenen Risikobewertung unterzogen werden.“

Die Probenbefunde fügen sich in bereits vorhandene Untersuchungen ein, die im aktuellen Bericht dargestellt werden. Demnach ist der Einsatz von Dauergewächshäusern als Schutzmaßnahme gegen Freisetzungen in die Umwelt für Pestizide, die laut Genehmigungsprüfung für einen Einsatz auf offenem Feld zu gefährlich sind, mehr als fragwürdig. Dieses gängige Verfahren zeigt eine relevante Rechtslücke in der Pestizidverordnung (EU/1107/2009) auf und verstößt außerdem nach Ansicht von PAN Europe gegen das Vorsorgeprinzip des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

„Es ist zu begrüßen, dass die deutschen Zulassungsbehörden durch eine realistischere Definition von Gewächshäusern die Möglichkeit geschaffen haben, Pestizidemissionen aus solchen Anwendungen im Rahmen der nationalen Produktzulassung zu bewerten“, betont Susanne Smolka, Referentin für Pestizide und Biozide beim Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany). „Allerdings muss Deutschland oft Zulassungsentscheidungen aus anderen Mitgliedsstaaten anerkennen. Deshalb ist es notwendig, endlich ein einheitliches und ein gleichbleibend hohes Niveau bei den nationalen Zulassungsprüfungen zu gewährleisten oder zumindest sicherzustellen, dass der Umweltschutz in Staaten wie Deutschland nicht ausgehebelt wird“, so die Biologin Smolka. Das Umweltbundesamt kritisiert, dass im Zuge der geltenden Rechtslage der „gegenseitigen Anerkennung“ Pestizide in Deutschland Zulassungen erhalten müssen, obwohl sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen der Umwelt schaden.3

Genannt werden in diesem Zusammenhang unter anderem der Unkrautvernichter Flufenacet und S-Metolachlor. Beide Pestizide konnten in vergleichsweise hohen Konzentrationen von 0,097 µg/l und 0,31 µg/l im Rahmen dieser Studie in deutschen Regenwasserproben nachgewiesen werden. Weitere nachgewiesene Pestizide, die aus der Anwendung aus Gewächshäusern stammen können, sind u.a. Tetrahydrophthalimid, ein Metabolit des Fungizids Captan, das im Erdbeer- und Zierpflanzenanbau eingesetzt wird, das PFAS-Fungizid Fluopyram4 sowie Fluxapyroxad. Das Ackerbaufungizid Boscalid (0,11 µg/l) sowie das Herbizid Terbutylazin (0,21 µg/l) und sein Metabolit Desethylterbutylazin (0,24 µg/l) fielen mit besonders hohen Konzentrationen in den deutschen Proben auf. Zu erwähnen ist auch der Fund von Dimethomorph, ein für Mensch und Umwelt identifiziertes hormon- und fruchtbarkeitsschädigendes Pestizid. Wie langwierig Gewässerbelastungen mit Pestiziden sein können, verdeutlicht der Nachweis des seit rund 30 Jahren verbotenen Herbizids Atrazin im beprobten Bach (0.091 µg/l). In den deutschen Proben wurden jeweils 20 verschiedene Pestizide im Regenwasser nachgewiesen und im beprobten Bachlauf insgesamt 17.

PAN Europe (Belgien) führte zusammen mit seinen Mitgliedern und Partnern: Ecologistas en Acción (Spanien), PAN Germany (Deutschland), Natuur en Milieufederatie Zuid-Holland und PAN Netherlands (Niederlande) in zwei Runden im April und im Mai/Juni 2023 Oberflächen- und Regenwasserprobenahmen in der Umgebung von Gewächshäusern durch. Die Proben wurden auf eine Auswahl von 164 zugelassenen und verbotenen Pestiziden untersucht. Die EU-Datenbank verzeichnet derzeit etwa 450 zugelassene Pestizide. Insofern ist somit wahrscheinlich, dass die Gewässerbelastung durch Pestizide tatsächlich noch höher ist.

Der Bericht belegt, dass Gewächshäuser keine geschlossenen Systeme darstellen und stützt sich auf Recherchen nationaler Vorschriften und Pestizidzulassungen, die von den PAN Europe-Mitgliedern und Partnern in den vier betrachteten Ländern durchgeführt wurden.

 Quellen:

1) Proposal for a Directive amending the Water Framework Directive, the Groundwater Directive and the Environmental Quality Standards Directive: https://environment.ec.europa.eu/publications/proposal-amending-water-directives_en

2) Pestizidzulassungsverordnung EG/1107/2009: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:309:0001:0050:de:PDF

3) Umweltbundesamt (2022) Pestizidzulassungen hebeln Umweltschutz aus: https://www.umweltbundesamt.de/themen/pestizidzulassungen-hebeln-umweltschutz-aus

4) PAN Europe (2023) New report exposes hidden threat: PFAS presence in pesticides: https://www.pan-europe.info/press-releases/2023/11/new-report-exposes-hidden-threat-pfas-presence-pesticides

Kontakt:

  • Manon Rouby, Policy Officer / Legal Adviser, Pesticides Action Network (PAN) Europe, manon@pan-europe.info, +336 43 24 33 79
  • Hans Muilerman, Chemicals Coordinator, Pesticides Action Network (PAN) Europe, hans@pan-europe.info, +316 55807255
  • Susanne Smolka, Referentin Pestizide / Biozide, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Susanne.smolka@pan-germany.org, +49 (0)40 399 19 10-24