Neuer PAN-Flyer zu hormonschädlichen Pestiziden

Die Öffentlichkeit in Deutschland hat das Recht, über die Gefahren von hormonschädlichen Chemikalien besser aufgeklärt und über praktische Möglichkeiten informiert zu werden, um die eigene Belastung mit diesen „Endokrinen Disruptoren“ (EDCs) zu mindern. Verantwortlich ist aber die Politik. Sie muss sich des Problems stärker annehmen, strenger und schneller hormonschädliche Stoffe regulieren bzw. verbieten und die Verbraucher*innenrechte auf Information und Schutz umsetzen. PAN Germany setzt sich dafür auf politischer Ebene ein. So hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigt, einen „nationalen Plan zum Schutz vor hormonakti­ven Substanzen“ zu initiieren, der aber noch nicht vorliegt.

Für die interessierte Öffentlichkeit haben wir unser Informationsfaltblatt von 2019 gründlich überarbeitet und aktualisiert. Der Flyer „Hormonschädliche Pestizide: Eine schleichende Gefahr beschreibt das Problem der „Hormongifte“ mit Fokus auf endokrinschädliche Pestizide und Biozide, gibt praktische Tipps und verweist auf weiterführende Informationen  auf der PAN Germany  Website sowie bei den Partner- und Netzwerkorganisationen HEJSupport, WECF und CHEMTrust, die sich wie PAN in der Allianz EDC Free Europe engagieren.

Gerne stellen wir Institutionen der Verbraucher- und Gesundheitsberatung die Faltblätter kostenfrei zur Verfügung, wenden sie sich mit ihrer Anfrage mit Betreff „EDC-Faltblatt bestellen“ an info@pan-gernmany.org.

Der Flyer „Hormonschädliche Pestizide: Eine schleichende Gefahr“ steht hier zum Download bereit.




Mittagstalk: Biozide im Alltag – Aufzeichnung und Dokumentation

Am 11. Januar 2022 fand der virtuelle Mittagstalk zum Thema „Biozide im Alltag –  erkennen und vermeiden“ statt. Das Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany) informierte in Kooperation mit der Verbraucherzentrale NRW darüber, wie biozidhaltige Produkte im Alltag zu erkennen und möglichst zu vermeiden sind.

Susanne Smolka (PAN Germany) lieferte wichtigen Input zu der Frage, wie der Verbraucherschutz und das Recht auf Information bei Bioziden geregelt ist. Dr. Kerstin Effers und Philip Heldt führten an praktischen Beispielen aus ihrem Beratungsalltag in der Verbraucherzentrale NRW aus, wo Verbraucher:innen im Alltag und Zuhause mit Bioziden in Kontakt kommen können. Die Moderation übernahm Petra Niesbach von der VZ NRW.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung: Video zum Mittagstalk Biozide im Alltag ist jetzt online verfügbar. Die beiden Präsentationen sind als PDF-Downloads abrufbar:

Zum Hintergrund: Biozide – klingen zwar BIO – sind sie aber nicht. Biozide gehören zu den Pestiziden, sollen aber keine Pflanzen, sondern die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie diverse Materialien vor schädlichen Lebewesen schützen. Ihre Anwendungsbreite ist immens – vom Mottenschutzmittel und Rattengift, über Holzschutzmittel, Schutzanstriche für Fassaden bis hin zu Hygienespülern und zur Ausrüstung von Kleidung mit antimikrobiellem „Geruchsstopp“. Auch zur Konservierung von Farben, Waschmitteln und Kosmetikprodukten werden sie eingesetzt.

In Deutschland werden rund 40.000 Biozidprodukte vermarktet. Eine große Anzahl von Alltagsprodukten sind mit Bioziden behandelt. Es gibt also viele Möglichkeiten, als Verbraucher:in mit Bioziden in Kontakt zu kommen –  beabsichtigt und unbeabsichtigt.

Aufgrund ihres Zwecks, lebende Organismen abzutöten, sind Biozide potenziell gefährlich für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier. Sie sollten deshalb nur dann verwendet werden, wenn sie wirklich notwendig sind und wenn es keine anderen Möglichkeiten mehr gibt, sich vor Schädlingen und gefährlichen Mikroorganismen zu schützen.

In der Veranstaltung wurde informiert

  • über Regelungen zum Verbraucherschutz bei Bioziden,
  • welches Recht auf Information Verbraucher:innen haben,
  • zu typischen Beispielen, wo Biozide im Alltag vorkommen und woran man sie erkennt, und
  • wie unnötige oder gar gefährliche Verwendungen vermieden werden können.



Mittagstalk: Biozide im Alltag – erkennen und vermeiden

 

 

 

Biozide im Alltag –  erkennen und vermeiden
Dienstag, 11. Januar 2022 / 12:00 – 13:00 Uhr
Hier geht es zur Anmeldung: Link

Biozide – klingen zwar bio – sind sie aber nicht. Biozide gehören zu den Pestiziden, sollen aber keine Pflanzen, sondern die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie diverse Materialien vor schädlichen Lebewesen schützen. Ihre Anwendungsbreite ist immens – vom Mottenschutzmittel und Rattengift, über Holzschutzmittel, Schutzanstriche für Fassaden bis hin zu Hygienespülern und zur Ausrüstung von Kleidung mit antimikrobiellem „Geruchsstopp“. Auch zur Konservierung von Farben, Waschmitteln und Kosmetikprodukten werden sie eingesetzt.

In Deutschland werden rund 40.000 Biozidprodukte vermarktet. Eine große Anzahl von Alltagsprodukten sind mit Bioziden behandelt. Es gibt also viele Möglichkeiten, als Verbraucher:in mit Bioziden in Kontakt zu kommen –  beabsichtigt und unbeabsichtigt.

Aufgrund ihres Zwecks, lebende Organismen abzutöten, sind Biozide potenziell gefährlich für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier. Sie sollten deshalb nur dann verwendet werden, wenn sie wirklich notwendig sind und wenn es keine anderen Möglichkeiten mehr gibt, sich vor Schädlingen und gefährlichen Mikroorganismen zu schützen.

Wie aber kann man biozidhaltige Produkte im Alltag erkennen und möglichst vermeiden?

In der Veranstaltung informiert PAN Germany in Kooperation mit der Verbraucherzentrale NRW

  • über Regelungen zum Verbraucherschutz bei Bioziden
  • welches Recht auf Information Sie als Verbraucher:in haben
  • zu typischen Beispielen, wo Biozide im Alltag vorkommen und woran man sie erkennt
  • wie unnötige oder gar gefährliche Verwendungen vermieden werden können

Vorträge

  • Wie ist der Verbraucherschutz und das Recht auf Information bei Bioziden geregelt?
    Susanne Smolka, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V., Referentin Pestizide, Biozide
  • Wo kommen wir im Alltag und Zuhause mit Bioziden in Kontakt?
    Kerstin Etzenbach-Effers, Verbraucherzentrale NRW, Referentin Umwelt und Gesundheitsschutz
    Philip Held, Verbraucherzentrale NRW, Referent Abfall und Ressourcenschutz

Wir laden Sie herzlich ein und freuen uns über Ihre Fragen, Erfahrungen und Meinungen. Die Veranstaltung findet über die Software Zoom statt. Hier geht es zur Anmeldung.
Nach der Registrierung erhalten Sie eine E-Mail mit Informationen für Ihre Teilnahme an der Veranstaltung.

 




Pestizide in der Landwirtschaft – was wir nicht wissen, schadet uns nicht?

Tausende Tonnen Pestizide werden jedes Jahr in der EU verkauft. Aber wie viel, wie oft, wo und welche Pestizide in der Lebensmittelproduktion tatsächlich eingesetzt werden, wird nicht veröffentlicht. Dieses Defizit birgt ein Risiko für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt aller EU-Bürger*innen.  Derzeit wird über einen Gesetzesvorschlag für eine Reform der Erhebung und Veröffentlichung von Agrarstatistiken debattiert. Ob damit mehr Transparenz geschaffen wird, hängt nun maßgeblich davon ab, ob das EU Parlament sich für den ehrgeizigen Vorschlag der EU Kommission ausspricht. Unter Federführung von Client Earth wurde eine gemeinsame NGO-Position mit detaillierten Empfehlungen formuliert und den Abgeordneten vorgelegt.

Fehlendes Wissen

Landwirt*innen müssen Aufzeichnungen über ihren Pestizideinsatz führen, aber die zuständigen Behörden erheben die Daten nicht systematisch. Dadurch entsteht ein blinder Fleck. Andere, wie Anwohner*innen von landwirtschaftlichen Flächen, haben keinen Zugriff auf die Daten und kein Recht auf Informationen. Auch Zuständige der Trinkwassersicherheit wissen nicht, wie viel von einem bestimmten Produkt oder welche Pestizid-Wirkstoffe in ihrem Einzugsgebiet verwendet wurden. Wer spezifische Informationen haben möchte, kann Auskunftsersuchen bei der lokalen Behörde stellen, sollte aber auch Zeit und Mittel verfügen, um vor Gericht zu klagen. In Baden-Württemberg müssen nach einer Klage der Landeswasserversorgung und des NABU nach dem Entscheid des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim Pestizid-Anwendungsdaten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Ein erster wichtiger Schritt, allerdings erst in einem Bundesland Deutschlands.

Was für Pestizide gilt, gilt auch für andere Chemikalien, die in großem Umfang in der Landwirtschaft verwendet werden, wie Biozide und Tierarzneimittel. Biozide sind im Gesetz definiert als Chemikalien, die „mit der Absicht verwendet werden, Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, die Einwirkung von Schadorganismen zu verhindern oder auf andere Weise eine kontrollierende Wirkung auszuüben“. Mit anderen Worten, sie wirken wie Pestizide und können die gleichen giftigen Wirkstoffe enthalten, sie werden aber nicht im Pflanzenschutz, durchaus aber in anderen Bereichen der Landwirtschaft und darüber hinaus eingesetzt.

Arzneimittel, die in der Nutztierhaltung eingesetzt werden, gelangen über die Ausscheidungen der behandelten Tiere mit Gülle und Mist und über die Abluft in die Umwelt. Die aktiven Substanzen belasten Böden und Gewässer und können Mikroorganismen, Insekten, Fische und Pflanzen schädigen. Für viele Arzneimittelwirkstoffe liegen keine oder unzureichende Daten zu ihren Umweltrisiken vor. Um die Belastungssituation möglichst umfangreich darzustellen, ist es wichtig, dass nicht nur Antibiotika sondern alle in der Tierproduktion eingesetzten Tierarzneimittel und Biozide in der statistischen Erhebung berücksichtigt werden.

Weitreichende Konsequenzen

Pestizide dürfen in der EU erst zum Einsatz kommen, nachdem sie von den Behörden auf EU- und nationaler Ebene grünes Licht erhalten haben. Genehmigungen basieren auf wissenschaftlichen Bewertungen der Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Diese Bewertungen beziehen sich auf Studien, aber auch auf Annahmen, insbesondere darauf, wie Pestizide wahrscheinlich unter „realistischen Bedingungen“ eingesetzt werden. Um sicherzustellen, dass die vorgesehenen „realistischen Bedingungen“ wirklich realistisch sind, ist ein Überblick darüber wichtig, was wann, wo und in welchen Mengen tatsächlich verwendet wird. Deshalb schreibt das Gesetz den Landwirt*innen bereits vor, solche Aufzeichnungen zu führen. Da aber diese Daten weder gesammelt noch veröffentlicht werden, ergibt sich eine Lose-Lose-Situation für alle Beteiligten.

Die ersten Verlierer sind die Landarbeiter*innen an vorderster Front. Die reale Exposition gegenüber Pestiziden kann erhebliche Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben – aber niemand, nicht einmal die Behörden verfügen über eine Datenaufbereitung, um solche Trends erkennen zu können.

Auch die Umwelt ist betroffen. Bienen, Vögel und andere Organismen können unter den Rückständen von Pestiziden, Bioziden und Tierarzneimitteln, die auf und in die Pflanzen, in die Luft, ins Wasser und in den Boden gelangen, geschädigt werden. Längst ist bekannt, dass der jahrzehntelange Einsatz von Pestiziden ein ausschlaggebender Faktor für den erheblichen Rückgang der Insektenpopulationen in Europa und den damit verbundenen Rückgang der Insekten-fressenden Vögel ist. Es ist jedoch schwer zu sagen, inwieweit und welche Pestizide insbesondere Schlüsselfaktoren sind, wenn nicht offengelegt wird, welche Pestizide, wo und wie verwendet werden.

Schließlich verliert der Agrarsektor selbst, wenn die Öffentlichkeit über den Einsatz von Pestiziden im Dunkeln bleibt. Landwirt*innen haben so keine Möglichkeit, ihre Bemühungen und Fortschritte für die notwendige Reduktion des Pestizideinsatzes nachzuweisen. Vielleicht hat sich der Verbrauch hochgefährlicher Pestizide reduziert oder nicht-chemische Lösungen für bestimmte Produktionen etabliert  – so oder so bleibt dies verborgen. Gewinner ist allein die Chemieindustrie, die ihre Produkte weiter verkaufen kann und es den lokalen Gemeinschaften überlässt, die Folgen zu tragen.

Der Status Quo ist nicht mehr tragbar  – mehr Transparenz über den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft ist im Interesse aller.

Was muss sich ändern?

Tatsächlich hat die Europäische Kommission die Defizite erkannt und Anfang 2021 einen ehrgeizigen Vorschlag zur Reform der Erhebung und Veröffentlichung von Agrarstatistiken vorgelegt. Aber um nicht an Schlagkraft zu verlieren, braucht der Vorschlag die Zustimmung des EU Parlaments und darf von den nationalen Landwirtschaftsministerien nicht geschwächt werden.

Gemeinsam mit 20 Umwelt- und Gesundheitsorganisationen und dem Bioverband IFOAM haben wir den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die am 11. Oktober darüber abstimmen werden, detaillierte Empfehlungen vorgelegt.

Der vorgelegte Entwurf hat aber auch einen Nachteil. Mit der neuen Verordnung fallen andere weg, so auch die Pestizid-Statistik-Verordnung (EG) Nr. 1185/2009. Unklar bleibt, wie Verbrauchsstatistiken für andere Bereiche außerhalb der Landwirtschaft, z.B. auf Bahngleisen oder im Forst zukünftig erfasst werden. Außerdem werden weiterhin die meisten Biozidverwendungen in der EU und in Deutschland nicht statistisch erfasst. PAN Germany und die anderen NGOs fordern deshalb in dem Papier, schnellstens eine ergänzende Legislative zu implementieren, um diese seit langem bestehenden und neu geschaffenen Datenlücken für Pestizide und Biozide schnellstens zu schließen.




Pestizid-Abdrift: Antworten auf häufig gestellte Fragen

Immer wieder melden sich betroffene Menschen bei PAN Germany und berichten über gesundheitliche Beeinträchtigungen, über Schäden an Wild- oder Gartenpflanzen und über das Gefühl, der Pestizid-Abdrift hilflos ausgeliefert zu sein. Zur Beantwortung häufig gestellter Fragen und als Hilfestellung hat PAN Germany wichtige Informationen zu Abdrift in diesem Dokument zusammengetragen.




EU-Rat darft sich nicht gegen die Beendigung von Pestizid-Doppelstandards bei Pestizidrückständen in Lebensmitteln stellen

Das Europäische Parlament hat im Rahmen der Diskussionen über die Gemeinsame Agrarpolitik dafür gestimmt, den Import von solchen Lebensmitteln zu stoppen, die Rückstände von Pestiziden enthalten, die in der EU entweder aus Gründen der menschlichen Gesundheit oder aus Gründen des Umweltschutzes verboten wurden – letzteres ist derzeit noch nicht durch EU-Recht vorgeschrieben – und einen entsprechenden Vorschlag in die Trilog-Verhandlungen um die gemeinsame Agrarpolitik eingebracht.

NGOs, darunter PAN Germany, und die Europäischen Kommission setz(t)en sich dafür ein, dass es bei importierten Lebensmitteln keine Doppelstandards geben darf, d.h. dass es für importierte Lebensmittel keine weniger strengen Standards für die Handelspartner außerhalb der EU geben darf, als sie für die europäischen Produzenten gelten. Nachdem der Europäische Rat wiederholt die Zielsetzung der Farm to Fork-Strategie, Pestizid-Importtoleranzen auch unter Berücksichtigung von Umweltaspekten zu prüfen unterstützte, rückt er nun in den Verhandlungen um die gemeinsame Agrarpolitik (GAP-Trilog) davon ab.

Indem sich der Rat der Überarbeitung der sogenannten Import-Toleranzen widersetzt, gibt er seine Zustimmung dazu, die Landwirt*innen in der EU einem unfairen Wettbewerb auszusetzen und die Verbraucher*innen mit Lebensmitteln zu versorgen, deren Herstellung die Umwelt und die Artenvielfalt im Ursprungsland gefährdet hat. PAN Germany, PAN Europe und andere engagierte NGOs fordern den EU Rat und die in ihm vertretenen Mitgliedsstaaten auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben und dem Gesetzesvorschlag des EU-Parlaments in der anstehenden nächsten Verhandlungsrunde zuzustimmen.

Mehr Informationen finden Sie in der PAN Europe Pressemitteilung vom 22.6.21 How the Council is trying to backtrack on EU commitment to end pesticides double-residues standards in food




Bundesregierung beschließt strengere Regelungen für den Verkauf von Biozidprodukten

PAN Germany Statement zum heutigen Kabinettsbeschluss der Biozid-Durchführungsverordnung

Hamburg, 12. Mai 2021: Mit dem heutigen Beschluss des Bundeskabinetts zur Biozid-Durchführungsverordnung (Biozid-DV) sind aus Sicht von PAN Germany wichtige Schritte hin zu einem besseren Schutz für Verbraucher*innen und zu mehr Transparenz beim Handel mit Biozidprodukten angestoßen worden. Die heutige Pressemitteilung des BMU beschreibt kurz Kernpunkte der neuen Regelung. Hierzu zählen ein Verbot der Selbstbedienung und eine verpflichtende Fachberatung vor dem Verkauf bestimmter Biozidproduktgruppen wie Insekten- und Nagetierbekämpfungsmittel. Diese gilt ebenfalls für biozidhaltige Schutzanstriche für Schiffsrümpfe, für Baustoffe und für Holz. Der Online- und Versandhandel wird hierbei explizit mit einbezogen. Die Abgabe von Desinfektionsmitteln, die eine relevante Gruppe unter den Bioziden darstellen, wird jedoch nicht entsprechend reguliert.

Des Weiteren werden Hersteller und Händler von Biozidprodukten verpflichtet, Daten über den Absatz von Biozid-Produkten zu melden. Damit ist ein lang überfälliger Schritt in Richtung mehr Transparenz gemacht worden, für den sich PAN Germany lange eingesetzt hat. Erstmals überhaupt werden hierdurch systematisch Daten zum Biozidmarkt in Deutschland erhoben. PAN Germany beteiligte sich im Vorfeld an der Konsultation des BMU-Entwurfs.

PAN Germany begrüßt grundsätzlich die neuen Regelungen, zumal diese eine längst überfällige Angleichung an die Vorschriften im Pestizidrecht darstellen. Dort gelten bereits seit Jahrzehnten ein Selbstbedienungsverbot, eine Beratungspflicht des Handels und jährlich werden Daten zum Inlandsabsatz und zum Export von Pestiziden und zu den Ergebnissen der Länderkontrollen zur Einhaltung der Verkaufs- und Verwendungsvorschriften veröffentlicht.

„Da hat das Biozidrecht im Vergleich zum Pestizidrecht noch einiges mehr aufzuholen als jetzt beschlossen“, betont PAN-Biozidexpertin Susanne Smolka und kritisiert, dass im Vergleich zum ersten Entwurf der Biozid-Durchführungsverordnung deutliche Verwässerungen festzustellen sind. So sollen die Regelungen für den Verkauf anstatt Anfang 2022 jetzt erst ab 1. Januar 2025 gelten und aus dem strikten Selbstbedienungsverbot für biozidhaltige Schutzmittel wurden schwammige „organisatorische Maßnahmen“ des Handels, um Abgabegespräche sicherzustellen.

„Wir kritisieren diese relevanten Abschwächungen. Längst überfällige Maßnahmen aufzuweichen und auf die lange Bank zu schieben, hat Strategie und geht auf Kosten der Verbraucher*innen und des Umweltschutzes“, so Susanne Smolka. „Wir hoffen, dass sich der Handel entschließt – voran die Baumärkte – diesen kundenfreundlichen Service bereits vor 2025 einzuführen und wir erwarten von den Behörden die jährliche Veröffentlichung einer Kilogrammgenauen Übersicht der Inlandsabsätze bei den Bioziden, so wie es bei Pestiziden nun endlich erfolgt. Nur so lässt sich der Erfolg oder Misserfolg notwendiger Minderungsmaßnahmen beim Biozideinsatz überprüfen“.

 

BMU Pressemitteilung Nr. 100/21: Bundesregierung beschließt strengere Regeln für die Abgabe von Chemikalien zur Schädlingsbekämpfung, 12. Mai 2021

Entwurf der Verordnung zur Neuordnung nationaler untergesetzlicher Vorschriften für Biozid-Produkte

PAN Germany Stellungnahme zum BMU-Entwurf zur Biozid-DV, 12. Oktober 2020

Stakeholder Contribution: PAN Germany – Ordinance on the reorganisation of secondary national legislation on biocidal products, TRIS Notification 2021/42/D (Germany), 28 April 2021

 




Neuer PAN-Ratgeber hilft, hormonschädlichen Pestiziden aus dem Weg zu gehen

Verbraucher*innen sollten Lebensmittel mit Rückständen hormonschädlicher Pestizide (EDPs = endocrine disrupting pesticides) meiden. Das europäische Pestizidrecht sieht seit 12 Jahren ein Anwendungsverbot für EDPs vor, denn sie sind gefährlich für die menschliche Gesundheit. Dennoch werden weiterhin zahlreiche Lebensmittel angeboten, die diese gefährlichen Substanzen enthalten. So werden Verbraucher*innen tagtäglich diesen Hormongiften ausgesetzt. Besonders hoch ist die Belastung mit EDPs bei konventionell angebautem Obst und Gemüse.

Zum Start der diesjährigen Pestizid-Aktionswoche veröffentlicht PAN Europe einen Consumer Guide – Endocrine Disrupting Pesticides in your Food, der praktische Hinweise für die Vermeidung von Lebensmitteln mit EDPs zusammenstellt und über die Risiken informiert.

Der beste und sicherste Weg EDPs aus dem Weg zu gehen ist, Bio-Lebensmittel zu kaufen, denn diese sind so gut wie nicht mit diesen gefährlichen Substanzen belastet. Was aber, wenn das nicht immer geht?  Dafür hat der Ratgeber Lebensmittel je nach Häufigkeit der EDP-Funde in einer einfachen grünen, orangenen und roten Farb-Liste zugeordnet. Dieses Farbschema kann als einfacher Wegweiser übersetzt werden in: genießen, reduzieren/verzichten und vermeiden.

PAN Europe nutzte für die Auswertung die Ergebnisse aus dem aktuellen Bericht der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) über Pestizidrückstände in Lebensmitteln sowie eine Analyse des European Joint Research Centre (JRC) zu hormonell wirksamen Pestizidwirkstoffen.

Produkte wie Kartoffeln, Cerealien oder Oliven, in denen nach den Befunden der Lebensmittelüberwachung in der Regel keine EDP-Rückstände gefunden werden, sind grün gekennzeichnet. Der Verzicht auf konventionell angebaute Produkte der orangenen Liste wie Weintrauben, Äpfel oder Heidelbeeren sollte angestrebt werden. Produkte der roten Liste, beispielsweise Kirschen, Pfirsiche, Erdbeeren oder Birnen, sollten dem Ratgeber zufolge vermieden bzw. durch Bioprodukte ersetzt werden.  Die Auswertungen, die dem Ratgeber zugrunde liegen zeigen, dass in manchen Produkten wie beispielsweise Kirschen und Birnen bis zu sieben unterschiedliche EDP-Rückstände in einer Probe gefunden werden, bei Pfirsichen sogar bis zu 9 EDPs. Die Kombinationseffekte solcher Rückstandscocktails können Gesundheitsrisiken signifikant erhöhen.

Auch das jeweilige Produktionsland bietet Hinweise auf das Belastungsausmaß mit EDPs in bestimmten Lebensmitteln, denn sie können von Land zu Land variieren, da sie von den jeweiligen nationalen Produktionsbesonderheiten abhängen. Der Verbraucherratgeber hat auch hierzu Daten ausgewertet und bietet einen Überblick auf die Herkunftsländer mit den jeweils häufigsten Nachweisen.

Für Schwangere sind biologisch produzierte Lebensmittel momentan der einzige sichere Weg, die Aufnahme von hormonell wirksamen Pestiziden über die Nahrung zu vermeiden, und so die heranwachsenden Kinder in ihrem Bauch vor diesen Stoffen zu schützen. EDPs sind Substanzen die das Hormonsystem von Mensch und Tier stören können, indem sie beispielsweise körpereigene, natürliche Hormone imitieren. Dies kann viele Funktionen und Organentwicklungen im Körper negativ beeinflussen, die sich, oftmals viel später im Leben in ernsthaften Erkrankungen manifestieren. Eine sichere Dosis ist experimentell nicht nachgewiesen, daher ist die Vorsorge vor diesen Stoffen von besonderer Wichtigkeit.

EDPs werden von der Wissenschaft mit dem Auftreten schwerwiegender Erkrankungen wie Brust- und Prostatakrebs, verminderter männlicher Fruchtbarkeit oder verminderter Intelligenz in Zusammenhang gebracht. Hormonschädliche Chemikalien (EDCs) finden sich nicht nur bei Pestiziden, sondern auch unter den Bioziden und Industriechemikalien. Sie stecken in vielen Alltagsprodukten wie Kosmetika, Reinigungsmitteln, Kunststoffprodukten oder Spielzeug.  Der Ratgeber gibt auch hierzu Hinweise wie Verbraucher*innen das in Kontakt mit den gefährlichen Substanzen reduzieren können.

Mehr Informationen zu Endokrinen Disruptoren gibt es auf der Website von PAN Germany.

 

 




Zum Welternährungstag: Politik muss Hungernde unterstützen und einbeziehen, statt Konzerne zu hofieren

Bündnis fordert zum Welternährungstag radikale Kehrtwende, um Hunger bis 2030 zu beenden

 Aachen/Berlin/Köln, 12. Oktober 2020: Die Vereinten Nationen prognostizieren, dass ohne eine radikale Kehrtwende bei der Hungerbekämpfung im Jahr 2030 150 Millionen Menschen mehr Hunger leiden werden als heute. Ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verbänden fordert die Bundesregierung in einem Positionspapier auf, ihren Einfluss zu nutzen, damit die globalen Ernährungssysteme in Zukunft gerecht, agrarökologisch und demokratisch ausgerichtet werden. Der Einsatz neuer und alter Gentechnik in der Entwicklungszusammenarbeit soll ausgeschlossen, Landarbeiter und Landarbeiterinnen vor Ausbeutung besser geschützt und die Vereinnahmung der Politik durch Konzerne verhindert werden.

Koordiniert von MISEREOR, FIAN, INKOTA, Oxfam und Brot für die Welt fordert ein Bündnis von 46 Organisationen, darunter PAN Germany, eine radikale Kehrtwende, um Hunger weltweit zu überwinden. Dazu gehört eine Abkehr von Ansätzen der Grünen Revolution und der Grünen Gentechnik sowie ein zügiger agrarökologischer Umbau der Ernährungssysteme. Erfolgreiche Methoden vor Ort müssen verstärkt und in der Strategie der Hungerbekämpfung ausgebaut werden. Zum Beispiel sollte die Politik die bäuerliche Verarbeitung und ihre ortsnahe Vermarktung sowie Gemeinschaftsverpflegung aus regionaler, agrarökologischer und fairer Produktion fördern.

Stimmen von Erzeuger*innen und Arbeiter*innen müssen gehört werden.

„Wer den Hunger bekämpfen will, muss die Rechte der Menschen stärken, die von Hunger betroffen sind“, erklärt Sarah Schneider, Expertin für Welternährung von MISEREOR. Sonst gehe die Hungerbekämpfung auch in Zukunft an denen vorbei, die sie erreichen soll. Die Bundesregierung und die Vereinten Nationen müssen deswegen den Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“ in allen Politikbereichen und Programmen zentral verankern und auch den für das kommende Jahr geplanten UN-Welternährungsgipfel (Food Systems Summit) danach ausrichten. „Kleinbäuerliche Betriebe erzeugen einen Großteil der Lebensmittel und sind zugleich überproportional von Hunger betroffen. Deshalb brauchen sie Zugang zu politischen Entscheidungsprozessen, damit ihr Zugang zu Land, Wasser, Saatgut und Wissen endlich gesichert wird. Sie müssen über ihre Zukunft mitbestimmen können“, so Stig Tanzmann, Landwirtschafts-Experte von Brot für die Welt. „Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie problematisch es ist, wenn Kleinbauern, Landarbeiterinnen, Indigene und Frauen bei Entscheidungen übergangen werden.“ Bislang werden die am meisten von Hunger und Armut Betroffenen weder in der Politik noch in den aktuell laufenden Planungen für den Gipfel einbezogen.

Konzernmacht begrenzen

Das Bündnis sieht die Gründe für die fehlenden Fortschritte bei der Hungerbekämpfung maßgeblich darin, dass sich die Politik an den Interessen großer Konzerne statt am Menschenrecht auf Nahrung ausrichtet. „Kleinbäuerliche Erzeuger und Landarbeiterinnen hungern, weil sie in globalen Lieferketten ausgebeutet werden, weil ihre Lebensgrundlagen zerstört werden und der Klimawandel sie besonders stark trifft“, kritisiert Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN. Sie erzielen trotz harter Arbeit keine existenzsichernden Einkommen und Löhne.

Landwirtschaft und Ernährung sollten nicht den konzerndominierten Märkten überlassen werden. „Die enorme Macht von großen Konzernen ist nicht alternativlos. „Die Bundesregierung hat es in der Hand, die Macht der Konzerne zurückzudrängen“, erklärt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam. Sie könnte etwa Patente auf Leben verbieten und eine rechtliche Grundlage schaffen, um übermächtige Konzerne zu entflechten.

Mehr Informationen im Positionspapier Welternährung 2030 – 11 Schritte für eine Zukunft ohne Hunger. Das Positionspapier wird von 46 Organisationen getragen und formuliert 11 Schritte und 60 Empfehlungen für eine Welt ohne Hunger bis 2030.




Agrarökologie – soziale und kulturelle Effekte

Agrarökologie fördert Formen der sozialen Organisation und schafft Solidarität und Interesse für den Austausch zwischen Menschen. Sie trägt zu einer saisonal und kulturell angepassten, gesunden und vielfältigen Ernährung bei und stärkt die Beziehung zwischen Produzent*innen und Konsument*innen sowie das Verständnis für die Art und Weise der landwirtschaftlichen Praxis und Lebensmittelproduktion. Außerdem fördert Agrarökologie die Gleichberechtigung der Geschlechter und schafft Chancen für junge Menschen, sich in der Landwirtschaft eine erstrebenswerte Lebensgrundlage aufzubauen.