Parkinson-Krankheit endlich als pestizidbedingte Berufskrankheit anerkannt

Darauf haben betroffene Landwirt*innen in Deutschland sehr lange warten müssen: Das „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ wurde vom zuständigen Sachverständigenbeirat als neue Berufskrankheit anerkannt. PAN Germany begrüßt diese Entscheidung. Mehr als zehn Jahre nachdem in Frankreich Parkinson-Erkrankungen als durch Pestizide verursachte Berufskrankheit von Landwirt*innen anerkannt wurde, können nun endlich auch in Deutschland Betroffene Anspruch auf Anerkennung und Hilfe geltend machen. PAN Germany möchte Betroffene ermutigen, nun entsprechende Anträge zu stellen.

Eine Anerkennung als Berufskrankheit, so das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in seiner Meldung vom 20. März 2024, kommt bei an Parkinson erkrankten Personen in Betracht, die Pestizide langjährig und häufig im beruflichen Kontext selbst angewendet haben. Das Ministerium geht daher davon aus, dass vor allem Landwirt*innen, deren mitarbeitende Familienangehörige sowie Beschäftigte in der Landwirtschaft zu den Betroffenen zählen.

Der ärztliche Sachverständigenbeirat des BMAS macht in seiner wissenschaftlichen Empfehlung sehr deutlich, dass die zur Entscheidung ausgewerteten wissenschaftlichen Studien einen eindeutigen Zusammenhang zwischen beruflicher Pestizidexposition und der Entstehung einer Parkinson-Erkrankung aufzeigen – und das hinsichtlich der Exposition mit allen Funktionsgruppen: Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden.

Das Pestizid Aktions-Netzwerk e.V., das sich seit Jahren für eine entsprechende Anerkennung pestizidbedingter Parkinsonerkrankungen als Berufskrankheit eingesetzt und Betroffene mit Informationen unterstützt, ist erleichtert über die – wenn auch späte – Anerkennung. Auch wenn eine Anerkennung als Berufskrankheit die Erkrankung und das Leid der Betroffenen nicht ungeschehen machen kann, so ist sie doch mit erheblichen Vorteilen verbunden. Hierzu zählen eine umfassendere medizinische Versorgung und Möglichkeiten lebenslanger Rentenzahlung. Das besondere an der Berufskrankheit ist, dass die gesetzliche Unfallversicherung für die hierfür notwendigen Leistungen aufkommt. Zu den Leistungen gehören auch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, der Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft.

Bereits vor Jahren hat PAN darauf hingewiesen, dass das Verfahren der Anerkennung von Berufskrankheiten erhebliche Defizite aufweist. Der Sachverständigenbeirat hatte es langjährig versäumt, eine Bewertung des Wissenstands um die Verursachung von Krankheiten durch Pestizide bei Landwirt*innen vorzunehmen. Dabei war der Zusammenhang so evident, dass Gerichte bereits vor 15 Jahren im Einzelfall Parkinson-Erkrankungen als „Wie eine Berufskrankheit“ anerkannt hatten, obwohl keine Empfehlung des Beirats vorlag (s. hierzu das PAN Informationsplatt zu Berufserkrankungen durch Pestizide).

Es ist völlig unverständlich, warum die Anerkennung des Parkinson-Syndroms durch Pestizide als Berufskrankheit um Jahre verschleppt wurde. Die überwiegende Anzahl der Publikationen, auf die sich der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten jetzt in seiner wissenschaftlichen Empfehlung bezieht, wurde vor 10-20 Jahren publiziert, einschließlich der so genannten Meta-Analysen, die den jeweils aktuellen Wissensstand zusammenfassen.

Es muss befürchtet werden, dass durch den langsamen Prozess und die späte Entscheidung des Beirates manche Rente und Behandlung nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Das zeigt wie dringlich es ist, die Prozesse zur Entscheidung über die Aufnahme von Berufskrankheiten zu überprüfen und deutlich zu verbessern.

Aktuell sind in der Liste der anerkennungsfähigen Berufskrankheiten 82 Berufskrankheiten aufgeführt. (Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung).

 

Meldung des BMAS vom 20.3.2024: Empfehlung für neue Berufskrankheit „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ beschlossen

Wissenschaftliche Empfehlung für die Berufskrankheit „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Berufskrankheiten (ÄSVB) beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales

PAN Germany (2019): PAN Germany Informationsblatt zum Thema Pestizide & Berufskrankheiten.

Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen: Informationen zur Erkrankung

Selbsthilfe Vereinigung Deutsche Parkinson Vereinigung Bundesverband e.V.




NGO-Statement: Die EU muss die Pestizidreduktion umsetzen!

Am 6. Februar 2024 kündigte die Europäische Kommission an, dass sie ihren Vorschlag für eine Verordnung über die nachhaltige Nutzung von Pestiziden (Sustainable Use Regulation, SUR) zurückziehen werde. Damit werden dringend notwendige Maßnahmen zur Verringerung des Einsatzes und der Risiken synthetischer Pestizide in Europa um Jahre verzögert.

125 Organisationen, darunter Umweltgruppen, Imker, Landwirte und Gewerkschaften, haben eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der sie das Scheitern der EU bei der Verabschiedung einer ehrgeizigen Verordnung zur Reduzierung von Pestiziden scharf kritisieren. Die Rücknahme ehrgeiziger Umweltziele sei die falsche Antwort auf die Mobilisierung der Landwirte in ganz Europa und wird die Landwirtschaft nur weiter in nicht nachhaltigen Praktiken festhalten, die die Gesundheit der Landwirte beeinträchtigen und gleichzeitig die biologische Vielfalt und die Ökosysteme zerstören, von denen unsere Lebensmittelproduktion abhängt.

Die Organisationen der Zivilgesellschaft – darunter PAN Germany – fordern die Europäische Kommission auf, sich weiterhin auf die wirklichen Probleme der Landwirte zu konzentrieren, einschließlich fairer Einkommen, und gleichzeitig den Übergang zu widerstandsfähigen Lebensmittelsystemen zu beschleunigen und den Zugang zu sicheren und gesunden Lebensmitteln für alle zu gewährleisten.

Eine ehrgeizige Verordnung auf europäischer Ebene zur Verringerung des Pestizideinsatzes, die mit den „Farm to Fork“-Zielen und den globalen Biodiversitätszielen für die Zeit nach 2020 in Einklang steht, ist dringend erforderlich. Dies muss eine Priorität für die EU-Kommission auch des nächsten EU-Mandats nach der Europawahl im Juni 2024 bleiben.

Joint Statement: The EU must make pesticide reduction a reality!




Veranstaltung: „Pflanzenschutz oder Umweltschmutz?“, 19.01.2024, 10-12 Uhr

Veranstaltungshinweis: Freitag, 19. Januar, 10.00 – 12.00 Uhr 

Pflanzenschutz oder Umweltschmutz? Warum die Welt sich chemisch-synthetische Pestizide schön längst nicht mehr leisten kann.
Podiumsdiskussion in Kooperation mit MdEP Martin Häusling

Ort: In Berlin bei der Heinrich-Böll-Stiftung und im Livestream

Die Diskussionsveranstaltung ist Teil der Veranstaltungsreihe „Landwirtschaft anders – unsere Grüne Woche“ der Heinrich-Böll-Stiftung.

Eine drastische Verringerung des Pestizideinsatzes ist zwingend notwendig, wenn wir einen Zusammenbruch der Ökosysteme vermeiden wollen. Daran besteht aus wissenschaftlicher Perspektive kein Zweifel. Dennoch wird politischen Bemühungen um eine Reduzierung der Pestizide von Seiten der konservativen Parteien, der Lobby der Großbetriebe und der Pestizidindustrie mit einem enormen Widerstand begegnet.

In der Veranstaltung kommen Expert*innen aus dem Bereich der Pestizide aus Deutschland, Europa, Brasilien und Kenia zu Wort. Diskutiert wird, woran es liegt, dass die dringend benötigte Pestizidreduktion und ein verstärkter Ausbau agrarökologischer Bewirtschaftung nur langsam vorangehen, und was es braucht, um einen Systemwechsel in Gang zu bringen.

Podiumsdiskussion mit

  • Martin Häusling, Mitglied des Europäischen Parlaments und Agrarpolitischer Sprecher der Grünen Europafraktion
  • Carsten Rocholl, Co-Autor der Publikation „Weg ist Weg! Warum es keine Alternative zum Erhalt der Artenvielfalt gibt“
  • Silke Bollmohr, Referentin für Welternährung und globale Landwirtschaft bei INKOTA
  • Susan Haffmans, Referentin für Pestizide beim Pestizid Aktions-Netzwerk
  • Larissa Bombardi, Professorin für Geographie an der Universität von São Paulo

Video-Statement von Harun Warui, Programmleiter Recht auf Nahrung und Agrarökologie der Heinrich-Böll-Stiftung Nairobi

Moderation: Lena Luig, Heinrich-Böll-Stiftung

Die Veranstaltung wird im Livestream übertragen. Sprachen: Deutsch und Englisch. Für Nachfragen: berlin@martin-haeusling.eu

Mehr Infos zur Veranstaltung finden Sie hier bei der Heinrich-Böll-Stiftung

Zur Anmeldung




PAN-Report: Pestizide können aus „geschlossenen“ Gewächshäusern entweichen

Brüssel, Hamburg, 12. Dezember 2023. Pressemitteilung. Probenahmen von Regen- und Oberflächenwasser in der Umgebung von Gewächshäusern in Belgien, den Niederlanden, Spanien und Deutschland zeigen eine alarmierend hohe Belastung durch Pestizide. Dazu gehören Stoffe, die üblicherweise in Gewächshäusern verwendet werden, aber auch solche, die schon vor Jahren verboten wurden. Der Bericht “It rains pesticides from greenhouses!” wurde heute vom Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) Europa veröffentlicht. Er unterstreicht das Problem, dass Gewächshäuser keine geschlossenen Räume sind und insofern nicht weniger strenge Vorschriften bei der Pestizidzulassung verdienen.

Dutzende von Pestiziden wurden in Proben von Regen- und Oberflächenwasser nachgewiesen, die in Gebieten entnommen wurden, in denen der Anbau in Gewächshäusern die einzige oder vorherrschende landwirtschaftliche Tätigkeit ist. In einer Regenwasserprobe aus den Niederlanden wurden 35 verschiedene Pestizide nachgewiesen, in einer Oberflächenwasserprobe aus Spanien 23. Die Zahl der nachgewiesenen Pestizide war in dieser Momentaufnahme in allen vier EU-Mitgliedstaaten hoch.

Die Konzentrationen der einzelnen Pestizide lagen zwar unter den – sofern überhaupt vorhandenen –  Umweltqualitätsnormen für Oberflächengewässer, aber ihr kombiniertes Vorhandensein gibt Anlass zur Sorge. In der Studie wurden Pestizidgemische von bis zu 90 μg/l in belgischem Oberflächenwasser und 21 μg/l in Regenwasserproben festgestellt. Das sind 180 bzw. 42 Mal mehr als der kürzlich vorgeschlagene Summengrenzwert von 0,5 μg/l für Pestizide in Oberflächengewässern.¹

Dies ist besorgniserregend, da die (Öko-)Toxizität in Form von Mischungseffekten noch immer nicht ausreichend in die Risikobewertung im Rahmen der EU-Pestizidregulierung² einbezogen wird, obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass kumulative – additive oder sich verstärkende – Effekte berücksichtigt werden müssen.

Entsprechende Pestizidemissionen in die Umwelt stellen somit ein Risiko für die Ökosysteme, die biologische Vielfalt und die menschliche Gesundheit dar. Dennoch gehen viele nationale und die europäischen Behörden weiterhin davon aus, dass Gewächshäuser geschlossene Räume sind, die die Freisetzung von Pestiziden in die Umwelt verhindern. Hans Muilerman, Koordinator für Chemikalien bei PAN Europe, appelliert: „Die EU sollte dringend aufhören, ansonsten verbotene Pestizide für den Einsatz in Gewächshäusern zu genehmigen. Gewächshäuser sind nicht geschlossen und müssen einer angemessenen Risikobewertung unterzogen werden.“

Die Probenbefunde fügen sich in bereits vorhandene Untersuchungen ein, die im aktuellen Bericht dargestellt werden. Demnach ist der Einsatz von Dauergewächshäusern als Schutzmaßnahme gegen Freisetzungen in die Umwelt für Pestizide, die laut Genehmigungsprüfung für einen Einsatz auf offenem Feld zu gefährlich sind, mehr als fragwürdig. Dieses gängige Verfahren zeigt eine relevante Rechtslücke in der Pestizidverordnung (EU/1107/2009) auf und verstößt außerdem nach Ansicht von PAN Europe gegen das Vorsorgeprinzip des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

„Es ist zu begrüßen, dass die deutschen Zulassungsbehörden durch eine realistischere Definition von Gewächshäusern die Möglichkeit geschaffen haben, Pestizidemissionen aus solchen Anwendungen im Rahmen der nationalen Produktzulassung zu bewerten“, betont Susanne Smolka, Referentin für Pestizide und Biozide beim Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany). „Allerdings muss Deutschland oft Zulassungsentscheidungen aus anderen Mitgliedsstaaten anerkennen. Deshalb ist es notwendig, endlich ein einheitliches und ein gleichbleibend hohes Niveau bei den nationalen Zulassungsprüfungen zu gewährleisten oder zumindest sicherzustellen, dass der Umweltschutz in Staaten wie Deutschland nicht ausgehebelt wird“, so die Biologin Smolka. Das Umweltbundesamt kritisiert, dass im Zuge der geltenden Rechtslage der „gegenseitigen Anerkennung“ Pestizide in Deutschland Zulassungen erhalten müssen, obwohl sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen der Umwelt schaden.3

Genannt werden in diesem Zusammenhang unter anderem der Unkrautvernichter Flufenacet und S-Metolachlor. Beide Pestizide konnten in vergleichsweise hohen Konzentrationen von 0,097 µg/l und 0,31 µg/l im Rahmen dieser Studie in deutschen Regenwasserproben nachgewiesen werden. Weitere nachgewiesene Pestizide, die aus der Anwendung aus Gewächshäusern stammen können, sind u.a. Tetrahydrophthalimid, ein Metabolit des Fungizids Captan, das im Erdbeer- und Zierpflanzenanbau eingesetzt wird, das PFAS-Fungizid Fluopyram4 sowie Fluxapyroxad. Das Ackerbaufungizid Boscalid (0,11 µg/l) sowie das Herbizid Terbutylazin (0,21 µg/l) und sein Metabolit Desethylterbutylazin (0,24 µg/l) fielen mit besonders hohen Konzentrationen in den deutschen Proben auf. Zu erwähnen ist auch der Fund von Dimethomorph, ein für Mensch und Umwelt identifiziertes hormon- und fruchtbarkeitsschädigendes Pestizid. Wie langwierig Gewässerbelastungen mit Pestiziden sein können, verdeutlicht der Nachweis des seit rund 30 Jahren verbotenen Herbizids Atrazin im beprobten Bach (0.091 µg/l). In den deutschen Proben wurden jeweils 20 verschiedene Pestizide im Regenwasser nachgewiesen und im beprobten Bachlauf insgesamt 17.

PAN Europe (Belgien) führte zusammen mit seinen Mitgliedern und Partnern: Ecologistas en Acción (Spanien), PAN Germany (Deutschland), Natuur en Milieufederatie Zuid-Holland und PAN Netherlands (Niederlande) in zwei Runden im April und im Mai/Juni 2023 Oberflächen- und Regenwasserprobenahmen in der Umgebung von Gewächshäusern durch. Die Proben wurden auf eine Auswahl von 164 zugelassenen und verbotenen Pestiziden untersucht. Die EU-Datenbank verzeichnet derzeit etwa 450 zugelassene Pestizide. Insofern ist somit wahrscheinlich, dass die Gewässerbelastung durch Pestizide tatsächlich noch höher ist.

Der Bericht belegt, dass Gewächshäuser keine geschlossenen Systeme darstellen und stützt sich auf Recherchen nationaler Vorschriften und Pestizidzulassungen, die von den PAN Europe-Mitgliedern und Partnern in den vier betrachteten Ländern durchgeführt wurden.

 Quellen:

1) Proposal for a Directive amending the Water Framework Directive, the Groundwater Directive and the Environmental Quality Standards Directive: https://environment.ec.europa.eu/publications/proposal-amending-water-directives_en

2) Pestizidzulassungsverordnung EG/1107/2009: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:309:0001:0050:de:PDF

3) Umweltbundesamt (2022) Pestizidzulassungen hebeln Umweltschutz aus: https://www.umweltbundesamt.de/themen/pestizidzulassungen-hebeln-umweltschutz-aus

4) PAN Europe (2023) New report exposes hidden threat: PFAS presence in pesticides: https://www.pan-europe.info/press-releases/2023/11/new-report-exposes-hidden-threat-pfas-presence-pesticides

Kontakt:

  • Manon Rouby, Policy Officer / Legal Adviser, Pesticides Action Network (PAN) Europe, manon@pan-europe.info, +336 43 24 33 79
  • Hans Muilerman, Chemicals Coordinator, Pesticides Action Network (PAN) Europe, hans@pan-europe.info, +316 55807255
  • Susanne Smolka, Referentin Pestizide / Biozide, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Susanne.smolka@pan-germany.org, +49 (0)40 399 19 10-24

 




Warum die Klima-COP28 der Agrarökologie Priorität einräumen muss

Heute wurde sie eröffnet: Die 28. UN-Weltklimakonferenz. Zwei Wochen lang beraten um die 200 teilnehmende Staaten in den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Ziele, die im Pariser Klimaschutzabkommen 2015 festgelegt wurden, darüber was bisher erreicht wurde und welche Maßnahmen dringend notwendig sind, um das Ziel einer globalen Erderwärmung von maximal 1,5° Celsius noch zu erreichen. Als Beobachter mit dabei sind auch diesmal wieder hunderte von NGO-Vertreter*innen – bei der COP27 waren es gut 3000 (!).

Eine erhebliche klimarelevante Rolle spielen die Landwirtschafts- und Ernährungssysteme, die mehr als ein Drittel der globalen klimaschädlichen Emissionen verursachen. Um die globale Erwärmung im Einklang mit den Zielen des Pariser Abkommens zu begrenzen, müssen die Landwirtschaft- und Ernährungssysteme umgestaltet werden. Die Abkehr von der industriellen Landwirtschaft, die auf fossile chemische Stoffe wie synthetische Pestizide und Düngemittel angewiesen ist, ist hierfür essentiell.. Die UN-Klimakonferenz COP28 ist aufgerufen, diesen zentralen Bereich der Landwirtschafts- und Ernährungssysteme im Blick zu haben und agrarökologische, klimaschonende Anbaumethoden stärker zu fordern und zu fördern.

Dass Landwirtschaft in einer Weise betrieben werden kann, die zugleich zum Wohl der Menschen, der Natur und Umwelt ist, das Klima schützt und gleichzeitig resilient auf Klimaveränderungen reagieren kann, zeigen Biobetriebe und agrarökologisch wirtschaftende Betriebe auf der ganzen Welt. Eine Untersuchung der Technischen Universität München belegte erst Anfang des Jahres die positiven Klima- und Umweltwirkungen der ökologischen Bewirtschaftung und wie hierdurch zudem die Kosten für die Gesellschaft verringert werden.

Der Weltklimarat IPCC berichtet, dass die Einführung agrarökologischer Anbaumethoden die klimarelevanten Emissionen um 2,8 bis 4,1 Gigatonne CO2-Äquivalent (Gt CO2e) pro Jahr reduzieren könnte, was dem Umfang von bis zu 10 % der globalen energiebezogenen Emissionen bezogen auf das Jahr 2021 entspräche. Der Rat weist auch darauf hin, dass Agrarökologie dazu beiträgt, produktive und gerechte Nahrungsmittelsysteme zu erhalten, die an den bereits eingeleiteten Temperaturanstieg besser angepasst seien. Die meisten Unterzeichnerstaaten des Pariser Abkommens haben sich bereits verpflichtet, agrarökologische Anbaumethoden deutlich auszubauen, den Einsatz von chemischen Düngemitteln und Pestiziden sowie die Umweltverschmutzung erheblich zu reduzieren und hochgefährliche Pestizide in der Landwirtschaft auslaufen zu lassen. Diese Verpflichtungen wurden in ergänzenden UN-Vereinbarungen wie dem Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework und dem neuen Global Framework on Chemicals (SAICM-Nachfolgeabkommen) aufgegriffen. Die Vorteile dieser Reformen für die Gesellschaft, die biologische Vielfalt, den Klimaschutz und die Klimaanpassung sind evident.

PAN Germany unterstützt die Klima-bezogene Arbeit des PAN International Netzwerks und insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von PAN Asien und Pazifik, die mit der Global Peoples’ Caravan for Food, Land, and Climate Justice vor Ort in Dubai sind. Gemeinsam fordern wir die Vertragsparteien des Pariser Abkommens auf, ihrer Verpflichtungen nachzukommen und Maßnahmen gegen HHPs und für Agrarökologie in ihre nationalen Klimaschutzpläne aufzunehmen.

PAN International Positionspapier „Food System Transformation at COP28 – Why agroecology must be prioritised“




EU-Parlament kippt Pestizidreduktions-Verordnung

Der Vorschlag für eine Verordnung für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden (SUR) erhielt gestern vom EU-Parlament nicht die erforderliche Mehrheit. Weitere Verhandlungen lehnte das Parlament mit knapper Mehrheit ab. Eine Fortsetzung oder ein neuer Entwurf sind unwahrscheinlich. Damit ist diese wichtige Gesetzesinitiative gestorben. Ein schwarzer Tag für die Gesundheit, Umwelt und Ernährungssicherheit zukünftiger Generationen.

Für alle Menschen, die für eine Transformation hin zu einer robusten und nachhaltigen Landwirtschaft eintreten, sich mehr Schutz vor Pestizidbelastungen für ihre Familie wünschen und den Erhalt der Artenvielfalt essentiell für unsere Zukunft in Zeiten der Klimakrise betrachten, ist dies ein harter Schlag. Die fehlende Unterstützung der konservativen und rechtextremen Parteien und die im Vorfeld mit großen Finanzmitteln ausgeübte Einflussnahme der Pestizid- und Agrarlobby ist auch eine knallharte Attacke gegen den von Ursula von der Leyen initiierten EU Green Deal. Nach dem Scheitern unverbindlicher Vorgaben, sollte die SUR für Verbindlichkeit und Verlässlichkeit sorgen, für eine Pestizidreduktion um 50% bis 2030, für die Förderung von integriertem Pflanzenschutz (IPM), Agrarökologie und Bioanbau und einen besseren Schutz sensibler Gebiete und vulnerabler Gruppen unserer Gesellschaft wie Kindern.

Zur Abstimmung kamen in Straßburg fast 700 Änderungsanträge. Das industrienahe rechts-konservatives Bündnis konnte die Annahme des Vorschlags des Umweltausschusses, vorgelegt von Sarah Wiener, verhindern und im Gegenzug viele abschwächende Änderungsvorschläge durchbringen. Danach geschah das Unerwartete: Der Antrag, den Entwurf zur Überarbeitung an den federführenden ENVI-Ausschuss zurück zu geben, wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt. Damit war die 1. Lesung formal abgeschlossen. Jutta Paulus (MEP, Die Grünen) berichtete in einem Eilwebinar nach der Abstimmung (verfügbar auf YouTube), dass auch Teile der Renew-Gruppe (Liberale) und Sozialdemokraten mitverantwortlich seien. Allerdings wurde für dieses finale Voting keine namentliche Abstimmung beantragt.

PAN Germany hatte sich mit vielen anderen NGOs zuvor bei den EU-Parlamentarier*innen dafür eingesetzt, für den am 24. Oktober angenommenen Kompromissvorschlag des federführenden Umweltausschusses zu votieren (siehe Webbeitrag). Von einer starken SUR hätten alle profitiert – Landwirt*innen UND unsere Umwelt und Gesundheit. Mehr als 6000 Wissenschaftler*innen sprachen sich für eine ambitionierte SUR aus, um dem erschreckenden Schwund an Bestäuberinsekten und anderer Arten entgegen zu wirken und damit nicht zuletzt auch unsere eigene Ernährungssicherheit zu erhalten. Dass Bürger und Bürgerinnen eine deutliche Reduzierung des Pestizideinsatzes wünschen, zeigen eine aktuelle IPSOS-Umfrage, die Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten„, das EU-Barometer und die Konferenz über die Zukunft Europas.

Statt den wissenschaftlichen Fakten und den Interessen der Zivilgesellschaft zu folgen, unterstützte die  Mehrheit der Abgeordneten die Position der Agrarindustrie, die mit einer langen und gezielten Desinformations- und Lobbykampagne von Anfang an den SUR-Entwurf und den Green Deal attackierten. Aktuelle Berichte von Corporate Europe Observatory und DeSmog decken auf, wie intensiv (und offensichtlich erfolgreich) die Pestizidlobby Einfluss auf politische Repräsentant*innen nimmt, um wissenschaftlich basierte Entscheidungen im Interesse der Zivilgesellschaft zu verhindern.

Es gibt nun mehrere Optionen, wie es weitergehen könnte, allerdings halten Expert*innen alle Optionen für unwahrscheinlich. Die Kommission könnte ihren Entwurf zurückziehen und einen neuen vorlegen oder der EU-Ministerrat verhandelt weiter, so dass eine 2. Lesung starten könnte. Erschwerend in diesem Debakel kommt hinzu, dass die Zeit bis zum Ende der EU-Legislaturperiode knapp wird und nach der im Juni 2024 stattfindenden Europawahl die Karten neu gemischt werden. Es ist also wahrscheinlich, dass der SUR-Entwurf einfach liegengelassen wird und die bewiesenermaßen wirkungslose Rahmenrichtlinie SUD (Sustainable Use Directive, 2009/128/EG) weiter in Kraft bleibt.

 

Mehr dazu: PAN Europe press release (22.11.2023) „Green Deal is dead: MEPs voted against a healthy future for us and our children – EU Parliament Rejects Pesticides Reduction”




Keine Mehrheit bei den EU-Ländern – Kommission kündigt weitere 10 Jahre Glyphosat an

Nachdem bereits im Oktober die erforderliche Zustimmung ausblieb, gab es auch heute im Berufungsausschuss keine qualifizierte Mehrheit für den Vorschlag der EU-Kommission, Glyphosat für weitere zehn Jahre zu genehmigen.

Im Einklang mit den EU-Rechtsvorschriften ist es in solchen Fällen an der EU-Kommission allein zu entscheiden. Und per Statement und Kurzmitteilung machte sie gleich nach der heutigen Abstimmung klar, dass sie Glyphosat für 10 Jahre verlängern wird. Aus Sicht von PAN Germany wäre es dringend geboten, dass die Kommission aufgrund des fehlenden Rückhalts in den Mitgliedsstaaten und der Bevölkerung dies überdenkt und nicht an der Wiedergenehmigung für 10 Jahre festhält.

Die Entscheidung über die Zukunft des meist verwendeten Herbizidwirkstoffs findet vor dem Hintergrund weiterer alarmierender wissenschaftlicher Erkenntnisse über seine schädigende Gesundheitswirkung statt: Eine gerade veröffentlichte internationale Studie an Ratten belegt einen Zusammenhang von Glyphosat mit der Entstehung von Leukämie bereits in jungem Alter.

Die internationale Studie unter der Federführung des Ramazzini-Instituts in Bologna deckte zum ersten Mal überhaupt die gesamte Lebensspanne von der embryonalen Phase bis zum Ende der Lebenserwartung ab. Bei den untersuchten Tieren kam es bei einer sehr niedrigeren Dosis des Glyphosat-Wirkstoffs und bei noch niedrigerer Dosierung mit glyphosathaltigen Herbiziden zu einem signifikant gehäuften und extrem frühzeitigen Auftreten von Leukämie. Weitere Details finden sich in dem Offenen Brief, von PAN Germany und anderen Organisationen an Bundesgesundheitsminister Prof. Lauterbach.

Die Europäische Chemikalienagentur der EU (ECHA) hatte Glyphosat als nicht krebserregend eingestuft, eine von kritischen Wissenschaftler*innen monierte Entscheidung. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte im Juli 2023 bekannt gegeben, dass sie in ihrer Risikoeinschätzung zu Glyphosat trotz relevanter Datenlücken und ungeklärter Fragen „keine kritischen Problembereiche“ identifizieren könne – Umweltorganisationen waren empört.

Die von der EU Kommission heute angekündigte Wiedergenehmigung von Glyphosat werde an Bedingungen und Einschränkungen geknüpft. Zu diesen Einschränkungen zähle ein Verbot der Verwendung zur Abreifebeschleunigung (Sikkation) vor der Ernte und Maßnahmen zum Schutz von Nichtzielorganismen. Zudem verwies die EU Kommission in ihrem Statement darauf, dass die Mitgliedstaaten für die nationale Zulassung glyphosathaltiger Pestizidprodukte nationale Anwendungsbeschränkungen erlassen können, wenn sie dies aufgrund der Ergebnisse von Risikobewertungen für erforderlich halten, insbesondere unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, die biologische Vielfalt zu schützen.

Lesen Sie auch die Bewertung von PAN Europe zur heutigen Entscheidung.




Wichtige Abstimmung zur Pestizidreduktion / SUR

Heute, am 24. Oktober 2023 erfolgt die Abstimmung im Umweltausschusses des EU-Parlaments (ENVI) zum Entwurf der Pestizidreduktions-Verordnung (SUR, Sustainable Use Regulation). Da er federführend für den Gesetzesvorschlag ist, wird der ENVI Ausschuss die entscheidenden Weichen für die folgende Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments und den darauffolgenden Trilog aller EU Gremien stellen.

Erstmals könnten verbindliche quantitative Ziele für die Reduktion des Einsatzes chemisch-synthetischer Pestizide auf EU- und auf Mitgliedsstaatenebene festgeschrieben werden sowie verbindliche kulturspezifische Regeln für den Integrierten Pflanzenschutz. Von industriefreundlicher Seite wird seit Beginn der Verhandlungen allerdings versucht, diese Maßgaben aufzuweichen und abzuschwächen. Gegen die Argumente der Kritiker hatten sich mehr als 3000 Wissenschaftler*innen gestellt und mit wissenschaftlichen Argumenten klargestellt, dass die Wiederherstellung der Natur und die Reduzierung des Einsatzes von Agrochemikalien für die langfristige Erhaltung der Produktionskapazität und der Ernährungssicherheit notwendig sind.

Aus Sicht von PAN Germany sind u.a. folgende Elemente unzureichend bzw. dringend nachzubessern:

  • Besonders problematisch, ist der vorgeschlagene irreführende Indikator, auf dessen Grundlage die Pestizid-Reduktion gemessen werden soll. Ein aktuelles Video von Global 2000 und der Initiative Safe Bees and Farmers erklärt die Schwachstellen des „Harmonized Risk Indikator“.
  • Die Vorschläge zum Schutz besonders empfindlicher Gebiete und zur Größe und Ausgestaltung der Schutzzonen um diese herum, reichen nicht aus, um vulnerable Gruppen wie Schwangere und Kinder, unsere Gewässer und Trinkwasserversorgung und unsere Naturschutzgebiete ausreichend vor den Pestizidbelastungen zu schützen.
  • Wie die Umstellung auf eine umweltschonendere und resilientere Landwirtschaft finanziert werden soll, bleibt unklar. Denn der EP-Landwirtschaftsausschuss hatte am 9. Oktober den Artikel 43 aus dem Entwurf gestrichen. Dies war der einzige Artikel, für den der Ausschuss allein zuständig war und der vorsah, für eine Übergangszeit von 5 Jahren Landwirt*innen für die Umsetzung der SUR-Maßnahmen über Subventionen aus dem Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu unterstützen. Die Entscheidung des Agrarausschusses steht im Gegensatz zu Forderungen im jüngsten OECD-Bericht über die Zukunft der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in der EU. Nach Ansicht der OECD, ist die wichtigste Lösung, der GAP eine grundlegende Neuausrichtung zu geben, um sie stärker an erklärte Prioritäten, wie Umwelt- und Klimaschutz, zu binden und Fehlanreize zu beseitigen.

Eine aktuelle Umfrage, die von Marktforschungsunternehmen Ipsos in Dänemark, Frankreich, Deutschland, Polen, Rumänien und Spanien durchgeführt und von PAN Europe veröffentlicht wurde, zeigt nach der erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“ erneut die deutliche Unterstützung der Bürger*innen für eine ehrgeizige Pestizidpolitik (PAN Germany berichtete). Eine deutliche Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass EU-Finanzhilfen für Landwirt*innen an die Einhaltung von Maßnahmen zur Vermeidung von Pestiziden geknüpft sein sollten. Die meisten Befragten (73,2 %) sind der Meinung, dass die Regeln des integrierten Pflanzenschutzes (IPM)für Landwirte in der EU verbindlich sein sollten.

Wenn es das Ziel der EU-Kommission war, die alte und in vielen Bereichen nicht funktionierende Rahmenrichtlinie (SUD) durch die SUR-Verordnung zu verbessern, an die Ziele des Green Deals anzupassen und insofern verbindlicher zu gestalten, dürfen aufgrund der vielen abschwächenden Änderungsvorschläge Zweifel am Erfolg angebracht sein. Deshalb wurden in einem Joint Statement, das bislang von ca. 80 Organisationen der Zivilgesellschaft unterzeichnet wurde, nochmal zehn zentrale Forderungen an die Entscheidungsträger übermittelt.

Besorgte Bürgerinnen und Bürger können an der politischen Debatte mitwirken und etwas bewegen: Ab sofort und in den nächsten Monaten können sie auf unkomplizierte Weise den deutschen EU-Abgeordneten und den zuständigen Bundesminister*innen hier in Deutschland ihre Meinung übermitteln. Wir haben dafür ein Online-Tool auf unserer Website eingebunden, das die Kommunikation erleichtert. Machen Sie mit! und schreiben Sie mit einem Klick den Politiker*innen, dass Sie eine starke SUR fordern, die Landwirt*innen unterstützt, eine zukünftige Landwirtschaft fördert, die Gesundheit aller bewahrt und die Artenvielfalt schützt und erhält!

 

 

 




Glyphosat-Wiedergenehmigung wird weiterverhandelt

Die EU Mitgliedsstaaten konnten sich am Freitag, den 13. Oktober 2023 nicht über eine Wiedergenehmigung von Glyphosat einigen. Eine dafür notwendige qualifizierte Mehrheit konnte im zuständigen Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) nicht erreicht werden. Das ist ein wichtiger Teilerfolg! Zuvor hatte sich die EU-Kommission für eine Wiedergenehmigung des Pestizids über einen Zeitraum von 10 Jahren ausgesprochen. Nach PAN-Kenntnis stimmten Österreich, Kroatien, und Luxemburg gegen diesen Vorschlag, Deutschland, Belgien, Bulgarien, Malta, Frankreich und die Niederlande enthielten sich. Damit konnten sich die Befürworter bei den Mitgliedsstaaten nicht durchsetzen.

PAN Germany begrüßt dieses Ergebnis, zeigt sich aber auch enttäuscht von der Enthaltung Deutschlands. Schließlich hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag versprochen, die Verwendung glyphosathaltiger Mittel ab 2024 zu verbieten. Ein klares Nein gegen ein „weiter so“ auf EU-Ebene wäre nicht nur im Sinne des Koalitionsvertrags gewesen, sondern auch ein deutliches Signal für die Verteidigung des Vorsorgeprinzips, angesichts der bestehenden und eingeräumten Datenlücken und Unsicherheiten bei der Risikobewertung von Glyphosat.

Nicht nur die wahrscheinliche Kanzerogenität von Glyphosat ist ein Problem (PAN berichtete wiederholt), sondern auch die erheblichen Auswirkungen auf Biodiversität und Ökosysteme, schon allein aufgrund der großen Mengen und Anwendungsflächen. Glyphosat und sein Hauptmetabolit AMPA finden sich mittlerweile faktisch überall in der Natur, selbst in Menschen und Tieren.  Obwohl seit 2009 auch Ökosysteme und Artenvielfalt im europäischen Pestizidrecht als Schutzziele verankert sind, fehlt es noch immer an harmonisierten Bewertungsverfahren. Dies räumt auch die zuständige Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA ein. Aus PAN-Sicht ist das ein Skandal. Diese Bewertungsmängel bei Glyphosat – und bei allen anderen in der EU genehmigten Pestiziden –  müssen schnellstens ausgemerzt werden und schon gar nicht darf unter solchen Bedingungen ein Totalherbizid wiedergenehmigt werden, dessen Einsatzmenge allein in Deutschland bei rund 5000 Tonnen pro Jahr liegt.

Wie geht es jetzt weiter? Die Mitgliedstaaten werden nun in den kommenden Wochen im Berufungsausschuss erneut über den Vorschlag der Kommission zur Wiedergenehmigung abzustimmen. Es wird erwartet, dass die Kommission den Vorschlag anpassen wird, möglicherweise eine verkürzte Genehmigungsdauer oder strengere Anwendungsauflagen vorschlagen wird. Sollte erneut keine qualifizierte Mehrheit zustande kommen, wird die Kommission allein entscheiden. Es bleibt also wichtig, sich weiter für ein Glyphosatverbot und für eine nachhaltigere Landwirtschaft einzusetzen.

Dass es auch ohne Totalherbizide wie Glyphosat geht, zeigen jeden Tag die Ökobetriebe und auch immer mehr konventionelle Landwirte, die integrierten Pflanzenschutz (IPM) mit  vielfältigen Fruchtfolgen und bodenschonenden Wildkrautmanagement anwenden. Hier dazu auch unsere Veranstaltungsreihe PAN Germany Mittagsdialoge: „Pestizidreduktion und Alternativen im Pflanzenschutz“.

Hier die Pressemitteilung von PAN Europe vom 13.10.2023




Meinungsumfrage: Mehrheit der Europäer*innen besorgt über Pestizideinsatz und dessen Auswirkungen

Europäische Bürger*innen sind sehr besorgt über den Einsatz von Pestiziden und deren schädliche Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt. Dies geht aus einer von PAN Europe beauftragten Umfrage in sechs EU Mitgliedstaaten – Dänemark, Frankreich, Deutschland, Polen, Rumänien und Spanien – hervor. Durchgeführt wurde die Umfrage vom European Public Affairs Team des Marktforschungsinstituts Ipsos.

Mehr als Dreiviertel der Befragten (75,9 %) machen sich große Sorgen um die Auswirkungen von Pestiziden auf ihre Gesundheit und die ihrer Familie. Besonders beunruhigt äußerten sich Rumän*innen (81,4 %) und Pol*innen (80,4 %), aber auch eine deutliche Mehrheit von 69,8 % der deutschen Befragten äußerte sich beunruhigt über die gesundheitlichen Risiken von Pestiziden.

Noch mehr Sorgen machten sich die  Befragten über die schädlichen Umweltfolgen des Pestizideinsatzes: 81,8 %.
77,7 % der Umfrageteilnehmenden stimmten zu, dass der Einsatz von Pestiziden die Umwelt schädigt; der deutsche Wert liegt bei 77,4 %.  Nur ein knappes Viertel der Befragten sind der Ansicht, dass die Vorteile durch Pestizide die Risiken überwiegen würden.

Eine deutliche Mehrheit der Befragten (61,9 %) ist außerdem der Meinung, dass Glyphosat, das in der EU am häufigsten verwendete Herbizid, in der EU verboten werden sollte. Die deutsche Zustimmung zu einem Glyphosatverbot lag bei deutlichen 68,3 %.

Die über 6.000 Teilnehmenden der Umfrage sprachen sich überwiegend für die Anwendung des Vorsorgeprinzips aus. 73,2 % der Befragten befürworten, dass die Regeln des integrierten Pflanzenschutzes für die Landwirte in der EU verbindlich sein sollen.

Auf der Grundlage der Umfrageergebnisse empfiehlt der Bericht den politischen Entscheidungsträgern:

  • Das Vorsorgeprinzip, wie im EU-Recht gefordert, bei der Pestizidregulierung anzuwenden, um ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu gewährleisten;
  • die wichtigsten Bestimmungen der vorgeschlagenen Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) beizubehalten und zu stärken, einschließlich verbindlicher Bestimmungen über den integrierten Pflanzenschutz und kulturspezifische Vorschriften;
  • den Schutz empfindlicher Gebiete (wie z.B. Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Naturschutzgebiete) vor Pestizid-Abdrift durch möglichst große Pufferzonen sicherzustellen;
  • Glyphosat in der EU zu verbieten, in Anbetracht der umfangreichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über dessen Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt Glyphosat, und
  • die derzeitigen Lücken bei der Risikoabschätzung der EU-Pestizidzulassung zu schließen, um Menschen und Umwelt angemessen zu schützen.

Die Meinungsumfrage wurde im August 2023 vom Marktforschungsinstitut Ipsos im Auftrag vom Pesticide Action Network (PAN) Europe durchgeführt. Bei der Auswahl der sechs Länder wurde darauf geachtet, dass sie einen repräsentativen Überblick über die EU und ihre geografische, klimatische, politische und wirtschaftliche Vielfalt bieten. Teilgenommen haben Personen aus Dänemark, Frankreich, Deutschland, Polen, Rumänien und Spanien.

Lesen Sie hier die Pressemitteilung von PAN Europe (05.10.2023)

Hier können Sie sich den Bericht zur Meinungsumfrage „Pesticides: Play it safe!“ herunterladen