Ein Erfolg für den Umwelt- und Verbraucherschutz:

Halbgarer Kommissionsentwurf zur Identifizierung hormonschädlicher Chemikalien scheitert im EU-Parlament

PAN Germany, BUND, WECF, HEJSupport, Umweltinstitut München e.V., SumOfUs und CBG

Die heutige Entscheidung des europäischen Parlaments, den Entwurf der EU-Kommission für Kriterien zur Identifizierung hormonschädlicher Chemikalien abzulehnen, wird ausdrücklich von Seiten der Umweltverbände PAN Germany, BUND, WECF, HEJSupport, Umweltinstitut München e.V., SumOfUs und CBG begrüßt. Eine breite Koalition europäischer Organisationen der Zivilgesellschaft und die Internationale Endocrine Society hatten den Entwurf im Vorfeld scharf kritisiert, weil dieser aus ihrer Sicht weder rechtskonform noch geeignet ist, Mensch und Umwelt effektiv vor hormonschädlichen Stoffen zu schützen. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hatte bereits auf seiner Sitzung am 28. Oktober 2017 dem Kommissionsvorschlag eine Absage erteilt.

Mehr als 100.000 Bürgerinnen und Bürger hatten bereits eine deutschlandweite Petition von BUND, WECF, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), HEJSupport, Münchner Umweltinstitut, CBG und SumOfUs gegen den Kommissionsentwurf unterstützt. Eine EU-weite Petition unterschrieben in den letzten Tagen vor der Parlamentsentscheidung über 300.000 EU-Bürgerinnen und Bürger.

Identifizierungskriterien sind notwendig, um die europäische Pestizid- und Biozidverordnung wirkungsvoll in die Praxis umzusetzen und hormonelle Schadstoffe (endokrine Disruptoren, ED) auch im Zuge anderer chemikalienrelevanten Gesetzgebungen für Industriechemikalien oder Kosmetika einer systematischen gesetzlichen Regulierung zu unterziehen. Jetzt muss nach Auffassung der Verbände schnell nachgebessert werden, um endlich eine anwendbare, effektive, wissenschaftlich fundierte und im Einklang mit dem europäischen Gesetzgebungen stehende Regelung zu implementieren. Dies hätte bereits zum Dezember 2013 geschehen müssen.

Tagtäglich werden Menschen und Umwelt diesen gefährlichen Stoffen ausgesetzt. Es ist mittlerweile wissenschaftlich eindeutig, dass hormonschädliche Stoffe unsere Umwelt und Gesundheit schädigen. Zahlreiche Studien belegen den Zusammenhang mit Krankheiten wie Brustkrebs, Hodenkrebs, Übergewicht, Diabetes und Unfruchtbarkeit. Renommierte Wissenschaftsvereinigungen, wie die Endocrine Society, sehen dringenden politischen Handlungsbedarf. Nach einer aktuellen Studie von PAN Europe enthalten fast die Hälfte der Früchte, die in Deutschland im Rahmen der Lebensmitteüberwachung kontrolliert wurden, Rückstände von potentiell hormonschädlichen Pestiziden, rund 15% dieser Proben enthalten Mehrfachrückstände. Bei Gemüse liegt der Probenanteil mit ED-Pestiziden bei rund 18%, bei Kräutern bei 20%.

Die (neue) Bundesregierung ist aufgerufen, sich für effektive Identifizierungskriterien einzusetzen und nationale Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um die Belastung der Bevölkerung und der wildlebenden Tiere in Deutschland schnellstmöglich zu reduzieren, so die Umweltverbände.

Hintergrund:

Internationale Wissenschaftsgesellschaften wie die Endocrine Society, der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie plädieren für eine wirkungsvolle Regelung hormonschädlicher Chemikalien und äußerten sich kritisch zum vorliegenden Kommissionsentwurf. Folgende drei Punkte werden in einer gemeinsamen Stellungnahme vom 5. Juli 2017 vom deutschen „Hormongifte stoppen“ NGO Bündnis (PAN Germany, WECF, HEJSupport, BUND, Umweltinstitut München; CBG, SumOfUs) kritisch gesehen:

  • Die Beweislast ist zu hoch und macht die Identifizierung von Stoffen als hormonell wirksam sehr schwierig oder gar unmöglich und zusätzlich unnötig langwierig.
  • Die Ausnahmeregelungen für bestimmte Pestizide und Biozide, die gezielt hormonell wirken sollen, ist nicht vereinbar mit den Zielen der EU-Pestizid- und Biozidgesetzgebung.
  • Die Kriterien widersprechen den EU-Verpflichtungen aus dem 7. Umweltaktionsprogramm, nach dem die Belastung von Mensch und Umwelt mit hormonellen Schadstoffen reduziert wer-den soll.

PAN Europe hat in seinem aktuellen Positionspapier die bestehenden Defizite des Kommissionsentwurfs detailliert ausgeführt.

Aktuelle Analysen vom Centre for International Environmental Law (CIEL) und von ClientEarth zeigen, dass die Europäische Kommission ihr Mandat bei der Erstellung der der Kriterien zur Identifizierung von EDs überschritten hat. Die vorgeschlagenen Ausnahmeregelungen für Pestizide und Biozide, die beabsichtigt hormonschädigend sein sollen, entspricht nicht wissenschaftlichen Grundsätzen und die daraus resultierende Ausnahme eines gefahrenbasierten Ausschlusses dieser Wirkstoffe steht der Beschlussfassung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates zuwider, wonach ALLE hormonschädlichen Pestizide und Biozide als solche identifiziert und reguliert werden müssen.

Kontakte:

Susanne Smolka (PAN Germany): susanne.smolka@pan-germany.org, Tel 040 3991910-24
Johanna Hausmann (WECF Deutschland): johanna.hausmann@wecf.eu, Tel 0173 8010040
Alexandra Caterbow (HEJSupport): alexandra.caterbow@hej-support.org, Tel +49 179 5244994
Manuel Fernandez (BUND): Manuel.Fernandez@bund.net. Tel +49-(0)151-19336210
Christine Vogt (Umweltinstitut München): cv@umweltinstitut.org Tel 089 30774924
Wiebke Schröder (SumOfUs): wiebke@sumofus.org, Tel 0163 1617155
Jan Pehrke (CBG): Info@CBGnetwork.org, Tel 0211/305849




Kein ausreichender Schutz vor Hormongiften:

Mitgliedstaaten stimmen für Kriterien-Vorschlag der EU-Kommission zur Identifizierung von hormonschädigenden Chemikalien

Gemeinsame Stellungnahme von PAN Germany, WECF (Women Engage for a Common Future), HEJSupport BUND, Umweltinstitut München Coordination gegen Bayer Gefahren und SumOfUs

Die Vertreter der europäischen Mitgliedsstaaten des EU-Pestizidausschusses haben gestern die Kriterien angenommen, die in Zukunft für die Identifizierung hormoneller Schadstoffe (oder endokrine Disruptoren, kurz EDCs) verwendet werden sollen.

Das Stoppt-Hormongifte-Bündnis der deutschen Nichtregierungsorganisationen PAN Germany, WECF (Women Engage for a Common Future), HEJSupport BUND, Umweltinstitut München Coordination gegen Bayer Gefahren und SumOfUs kritisiert diese Entscheidung scharf: „Die jetzt verabschiedeten Kriterien sind völlig unzulänglich. Viele Hormongifte können nun einfach „wegdefiniert“ werden und bleiben damit ungeregelt. Jetzt liegt es am EU-Parlament, diese Kriterien abzulehnen. Wir fordern zudem die deutsche Bundesregierung dringend auf, umzudenken und umfangreiche nationale Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und Umwelt vorzunehmen.“

Vor der Abstimmung warnten drei hoch angesehene internationale endokrinologische Gesellschaften vor den Mängeln der vorgeschlagenen Kriterien und drängten die Mitgliedsstaaten, sie in ihrer jetzigen Fassung nicht anzunehmen. (1) Mittlerweile haben über 458.000 Menschen in ganz Europa, davon alleine mehr als 111.000 in Deutschland, eine Petition unterzeichnet, in der die Mitgliedsstaaten aufgefordert wurden, den Vorschlag der EU-Kommission abzulehnen. (2)

Die Umwelt- und Gesundheitsverbände halten die Kriterien für mangelhaft und ungeeignet, ihre Hauptkritikpunkte sind:

  • Die Beweislast ist zu hoch und macht die Identifizierung von Stoffen als hormonell wirksam sehr schwierig oder gar unmöglich und zusätzlich unnötig langwierig
  • Die Ausnahmeregelungen für bestimmte Pestizide und Biozide, die gezielt hormonell wirken sollen, ist nicht vereinbar mit den Zielen der EU-Pestizid- und Biozidgesetzgebung,
  • Die Kriterien widersprechen den EU-Verpflichtungen aus dem 7. Umweltaktionsprogramm, nach dem die Belastung von Mensch und Umwelt mit hormonellen Schadstoffen reduziert werden soll. (3)

Die völlig unakzeptable Ausnahmeregelung, nach der Pestizid-Substanzen die gezielt hormonell wirken sollen, von der Erfassung als endokrine Substanzen und damit von einem Verbot ausgeschlossen werden sollen, wurde von der deutschen Bundesregierung eingebracht. Dies öffnet Tür und Tor für den Gebrauch von Hormongiften und ist nicht mir der EU-Pestizid- und Biozidgesetzgebung vereinbar.

Durch die gestrige Entscheidung wird es auch weiterhin bei einem Anstieg der hormonbedingten Krankheiten wie z.B. Brustkrebs, Hodenkrebs, Diabetes oder Unfruchtbarkeit bleiben. Dies hat erhebliche Kosten für das öffentliche Gesundheitssystem und die Gesellschaft zur Folge. Schätzungen ergaben, dass Krankheiten, die im Zusammenhang mit Hormongiften stehen, in der Europäischen Union Kosten von 163 Milliarden pro Jahr verursachen. (4)

Das NGO-Bündnis fordert die Bundesregierung dringend auf, dem französischen Beispiel zu folgen und einen nationalen Aktionsplan zum Schutz vor Hormongiften zu verabschieden. Er sollte umfangreiche Aufklärungsmaßnahmen für die Bevölkerung enthalten, vor allem für besonders betroffene Gruppen wie z.B. Schwangere. Hormongifte sollten in Produkten, wo immer möglich, auf nationaler Ebene verboten werden. Außerdem sollten Pestizide und Biozide, die EDCs enthalten, in Deutschland nicht erlaubt sein. Des Weiteren ist unabhängige Forschungsförderung zu EDCs dringend notwendig.

(1) Siehe http://bit.ly/2t914p5.
Die Endocrine Society und z.B. Krankenkassen in Europa haben ihre Bedenken gegenüber dem Kriterien Vorschlag der EU Kommission geäußert.
Siehe beispielsweise: https://www.endocrine.org/news-room/current-press-releases/european-commissions-revised-proposal-limits-ability-to-protect-public-from-edcs ; http://aim-mutual.org/press-release/aim-publishes-declaration-on-edcs/
(2) EU-weite Petition : https://actions.sumofus.org/a/eu-endocrine-disruptors
Gemeinsame Petition „Hormongifte stoppen!“ der deutschen NGO Koalition:
Umweltinstitut München: https://www.umweltinstitut.org/mitmach-aktionen/hormongifte-stoppen.html
BUND: https://aktion.bund.net/hormongifte-stoppen
SumOfUs: https://actions.sumofus.org/a/hormongifte-stoppen
(3) http://www.documents.clientearth.org/wp-content/uploads/library/2017-02-14-the-criteria-to-identify-endocrine-disruptors-implications-beyond-pesticides-and-biocide-disrupted-criteria-coll-en.pdf
(4) Burden of Disease and Costs of Exposure to Endocrine-Disrupting Chemicals in the European Union: an updated analysis, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27003928

Kontakte:
Susanne Smolka (PAN Germany): susanne.smolka@pan-germany.org, Tel 040 3991910-24
Johanna Hausmann (WECF Deutschland): johanna.hausmann@wecf.eu, Tel 0173 8010040
Alexandra Caterbow (HEJSupport): alexandra.caterbow@hej-support.org, Tel +49 179 5244994
Ulrike Kallee (BUND): Ulrike.kallee@bund.net, Tel +49 30 27586 422
Christine Vogt (Umweltinstitut München): cv@umweltinstitut.org, Tel 089 30774924
Wiebke Schröder (SumOfUs): wiebke@sumofus.org, Tel 0163 1617155