PAN-Report: Pestizide können aus „geschlossenen“ Gewächshäusern entweichen

Brüssel, Hamburg, 12. Dezember 2023. Pressemitteilung. Probenahmen von Regen- und Oberflächenwasser in der Umgebung von Gewächshäusern in Belgien, den Niederlanden, Spanien und Deutschland zeigen eine alarmierend hohe Belastung durch Pestizide. Dazu gehören Stoffe, die üblicherweise in Gewächshäusern verwendet werden, aber auch solche, die schon vor Jahren verboten wurden. Der Bericht “It rains pesticides from greenhouses!” wurde heute vom Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) Europa veröffentlicht. Er unterstreicht das Problem, dass Gewächshäuser keine geschlossenen Räume sind und insofern nicht weniger strenge Vorschriften bei der Pestizidzulassung verdienen.

Dutzende von Pestiziden wurden in Proben von Regen- und Oberflächenwasser nachgewiesen, die in Gebieten entnommen wurden, in denen der Anbau in Gewächshäusern die einzige oder vorherrschende landwirtschaftliche Tätigkeit ist. In einer Regenwasserprobe aus den Niederlanden wurden 35 verschiedene Pestizide nachgewiesen, in einer Oberflächenwasserprobe aus Spanien 23. Die Zahl der nachgewiesenen Pestizide war in dieser Momentaufnahme in allen vier EU-Mitgliedstaaten hoch.

Die Konzentrationen der einzelnen Pestizide lagen zwar unter den – sofern überhaupt vorhandenen –  Umweltqualitätsnormen für Oberflächengewässer, aber ihr kombiniertes Vorhandensein gibt Anlass zur Sorge. In der Studie wurden Pestizidgemische von bis zu 90 μg/l in belgischem Oberflächenwasser und 21 μg/l in Regenwasserproben festgestellt. Das sind 180 bzw. 42 Mal mehr als der kürzlich vorgeschlagene Summengrenzwert von 0,5 μg/l für Pestizide in Oberflächengewässern.¹

Dies ist besorgniserregend, da die (Öko-)Toxizität in Form von Mischungseffekten noch immer nicht ausreichend in die Risikobewertung im Rahmen der EU-Pestizidregulierung² einbezogen wird, obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass kumulative – additive oder sich verstärkende – Effekte berücksichtigt werden müssen.

Entsprechende Pestizidemissionen in die Umwelt stellen somit ein Risiko für die Ökosysteme, die biologische Vielfalt und die menschliche Gesundheit dar. Dennoch gehen viele nationale und die europäischen Behörden weiterhin davon aus, dass Gewächshäuser geschlossene Räume sind, die die Freisetzung von Pestiziden in die Umwelt verhindern. Hans Muilerman, Koordinator für Chemikalien bei PAN Europe, appelliert: „Die EU sollte dringend aufhören, ansonsten verbotene Pestizide für den Einsatz in Gewächshäusern zu genehmigen. Gewächshäuser sind nicht geschlossen und müssen einer angemessenen Risikobewertung unterzogen werden.“

Die Probenbefunde fügen sich in bereits vorhandene Untersuchungen ein, die im aktuellen Bericht dargestellt werden. Demnach ist der Einsatz von Dauergewächshäusern als Schutzmaßnahme gegen Freisetzungen in die Umwelt für Pestizide, die laut Genehmigungsprüfung für einen Einsatz auf offenem Feld zu gefährlich sind, mehr als fragwürdig. Dieses gängige Verfahren zeigt eine relevante Rechtslücke in der Pestizidverordnung (EU/1107/2009) auf und verstößt außerdem nach Ansicht von PAN Europe gegen das Vorsorgeprinzip des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

„Es ist zu begrüßen, dass die deutschen Zulassungsbehörden durch eine realistischere Definition von Gewächshäusern die Möglichkeit geschaffen haben, Pestizidemissionen aus solchen Anwendungen im Rahmen der nationalen Produktzulassung zu bewerten“, betont Susanne Smolka, Referentin für Pestizide und Biozide beim Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany). „Allerdings muss Deutschland oft Zulassungsentscheidungen aus anderen Mitgliedsstaaten anerkennen. Deshalb ist es notwendig, endlich ein einheitliches und ein gleichbleibend hohes Niveau bei den nationalen Zulassungsprüfungen zu gewährleisten oder zumindest sicherzustellen, dass der Umweltschutz in Staaten wie Deutschland nicht ausgehebelt wird“, so die Biologin Smolka. Das Umweltbundesamt kritisiert, dass im Zuge der geltenden Rechtslage der „gegenseitigen Anerkennung“ Pestizide in Deutschland Zulassungen erhalten müssen, obwohl sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen der Umwelt schaden.3

Genannt werden in diesem Zusammenhang unter anderem der Unkrautvernichter Flufenacet und S-Metolachlor. Beide Pestizide konnten in vergleichsweise hohen Konzentrationen von 0,097 µg/l und 0,31 µg/l im Rahmen dieser Studie in deutschen Regenwasserproben nachgewiesen werden. Weitere nachgewiesene Pestizide, die aus der Anwendung aus Gewächshäusern stammen können, sind u.a. Tetrahydrophthalimid, ein Metabolit des Fungizids Captan, das im Erdbeer- und Zierpflanzenanbau eingesetzt wird, das PFAS-Fungizid Fluopyram4 sowie Fluxapyroxad. Das Ackerbaufungizid Boscalid (0,11 µg/l) sowie das Herbizid Terbutylazin (0,21 µg/l) und sein Metabolit Desethylterbutylazin (0,24 µg/l) fielen mit besonders hohen Konzentrationen in den deutschen Proben auf. Zu erwähnen ist auch der Fund von Dimethomorph, ein für Mensch und Umwelt identifiziertes hormon- und fruchtbarkeitsschädigendes Pestizid. Wie langwierig Gewässerbelastungen mit Pestiziden sein können, verdeutlicht der Nachweis des seit rund 30 Jahren verbotenen Herbizids Atrazin im beprobten Bach (0.091 µg/l). In den deutschen Proben wurden jeweils 20 verschiedene Pestizide im Regenwasser nachgewiesen und im beprobten Bachlauf insgesamt 17.

PAN Europe (Belgien) führte zusammen mit seinen Mitgliedern und Partnern: Ecologistas en Acción (Spanien), PAN Germany (Deutschland), Natuur en Milieufederatie Zuid-Holland und PAN Netherlands (Niederlande) in zwei Runden im April und im Mai/Juni 2023 Oberflächen- und Regenwasserprobenahmen in der Umgebung von Gewächshäusern durch. Die Proben wurden auf eine Auswahl von 164 zugelassenen und verbotenen Pestiziden untersucht. Die EU-Datenbank verzeichnet derzeit etwa 450 zugelassene Pestizide. Insofern ist somit wahrscheinlich, dass die Gewässerbelastung durch Pestizide tatsächlich noch höher ist.

Der Bericht belegt, dass Gewächshäuser keine geschlossenen Systeme darstellen und stützt sich auf Recherchen nationaler Vorschriften und Pestizidzulassungen, die von den PAN Europe-Mitgliedern und Partnern in den vier betrachteten Ländern durchgeführt wurden.

 Quellen:

1) Proposal for a Directive amending the Water Framework Directive, the Groundwater Directive and the Environmental Quality Standards Directive: https://environment.ec.europa.eu/publications/proposal-amending-water-directives_en

2) Pestizidzulassungsverordnung EG/1107/2009: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:309:0001:0050:de:PDF

3) Umweltbundesamt (2022) Pestizidzulassungen hebeln Umweltschutz aus: https://www.umweltbundesamt.de/themen/pestizidzulassungen-hebeln-umweltschutz-aus

4) PAN Europe (2023) New report exposes hidden threat: PFAS presence in pesticides: https://www.pan-europe.info/press-releases/2023/11/new-report-exposes-hidden-threat-pfas-presence-pesticides

Kontakt:

  • Manon Rouby, Policy Officer / Legal Adviser, Pesticides Action Network (PAN) Europe, manon@pan-europe.info, +336 43 24 33 79
  • Hans Muilerman, Chemicals Coordinator, Pesticides Action Network (PAN) Europe, hans@pan-europe.info, +316 55807255
  • Susanne Smolka, Referentin Pestizide / Biozide, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Susanne.smolka@pan-germany.org, +49 (0)40 399 19 10-24

 




Kleingewässer durch Pestizide stark belastet

Eine neue Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes bestätigt die hohe Pestizid-Belastung von Kleingewässern im ländlichen Raum. Ausgewertet wurden Proben aus dem Kleingewässermonitoring von über 100 Gewässerabschnitten in Deutschland. Das Ergebnis ist: Weder die Risikoprüfung im Rahmen der Pestizid-Zulassung noch die bestehenden Anwendungsauflagen für die Ausbringung von Pestiziden verhindern, dass Kleingewässer erheblich mit Pestiziden belastet werden – mit negativen Folgen für Pflanzen, Tiere und Wasserqualität.

Die vom UBA beauftragte und vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) durchgeführte Studie deckt auf, dass 80 % der untersuchten Bäche zu hohe Pestizidrückstände aufweisen. Jede zweite Wasserprobe war mit Pestizid-Wirkstoffen belastet, die die im Rahmen der Zulassung festgelegten akzeptablen Werte überschritten. Biologische Untersuchungen ergaben zudem, dass der ökologische Zustand der untersuchten Gewässer, der sich u.a. am Insektenvorkommen zeigt, in vier von fünf untersuchten Bächen mäßig bis schlecht war.

Für die Studie wurden erstmalig auch die Pestizid-Anwendungsdaten landwirtschaftlicher Betriebe an zehn Messstellen erfasst. Die Auswertung zeigt, dass Pestizidrückstände regelmäßig in bedenklichen Konzentrationen in angrenzende Gewässer gelangten. Folglich wiesen auch die Gewässer, deren umliegende landwirtschaftliche Flächen stärker gespritzt wurden, eine höhere Pestizidbelastung auf. Einen wesentlichen Eintragsweg stellt dabei von den Feldern abfließendes, mit Pestiziden belastetes Oberflächenwasser bei Regen dar. Bewachsene Gewässerrandstreifen können diese Einträge nachgewiesenermaßen reduzieren. Die Studie zeigt deutlich, dass Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, die im Rahmen des Pestizid-Zulassungsverfahrens festgelegt werden, sich in der Praxis als unzureichend herausstellen und nicht den gewünschten Schutz-Effekt erzielen. Das Kleingewässermonitoring konnte den schlechten Zustand der Gewässer im ländlichen Raum belegen und zeigen, dass unsere Kleingewässer und ihre Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren nicht ausreichend vor Pestizidbelastungen geschützt sind. Auch gelangen die Pestizidrückstände aus den kleineren Bächen in größere Gewässer. Werden diese zur Trinkwassergewinnung genutzt, betreffen die Rückstände auch direkt uns Menschen.

Die Auswertungen der Belastungsdaten haben deutlich gezeigt: Das Zulassungsverfahren schützt die Umwelt und Biodiversität unzureichend und ist aus Sicht von PAN Germany dringend nachzubessern. Basierend auf den Monitoringdaten muss zudem eine kontinuierliche Rückkopplung zum Zulassungsverfahren sichergestellt werden. PAN Germany fordert, das Kleingewässermonitoring fortzuführen und zu verstetigen – nur so lassen sich auch zukünftig Erfolge beim angestrebten besseren Schutz der Gewässer vor Einträgen erzielen.

Die Studienergebnisse unterstreichen zudem die dringende Notwendigkeit, den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide insgesamt zu reduzieren. Hierzu kann eine ambitionierte Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) beitragen, indem sie verbindliche Pestizidreduktionsziele festlegt.

Wir brauchen zudem eine stärkere Förderung und Honorierung des ökologischen Landbaus, der – dies bestätigen die Erfahrungen der Wasserversorger“bislang das einzige System ist, mit dem der Schutz der Trinkwasserressourcen zuverlässig gelingt” und der schon heute zur Reduzierung von Umweltbelastungen und Mikroverunreinigungen beiträgt. Nur eine nachhaltige, ressourcenschonende Landwirtschaft kann langfristig unsere Ernährung und eine lebenswerte Umwelt sichern.

Für alle, die sich engagieren möchten, hat PAN Germany ein Tool bereitgestellt, mit dem Abgeordnete im EU Parlament aufgefordert werden können, die SUR nicht weiter zu verzögern und sich für Pestizidreduktion stark zu machen.

Den Abschlussbericht zum Kleingewässermonitoring, verfasst vom Team um Prof. Dr. Matthias Liess vom Helmholtz-Institut für Umweltforschung und herausgegeben vom Umweltbundesamt, finden Sie hier.

 

 




Gute Nachricht: UN-Resolution erkennt das Recht auf eine gesunde Umwelt als Menschenrecht an

Mit 161 Ja-Stimmen und acht Enthaltungen hat die UN-Vollversammlung am Donnerstag den 28. Juli 2022 eine historische Resolution verabschiedet, die den Zugang zu einer sauberen, gesunden und nachhaltigen Umwelt zu einem allgemeinen Menschenrecht erklärt.

Regierungen wird es dadurch erschwert, ihr Nicht-Handeln zu rechtfertigen. Sie werden sich anstrengen müssen um sicherzustellen, dass wir und nachkommende Generationen in einer Welt mit einem sicheren und stabilen Klima, einer giftfreien Umwelt, mit sauberer Luft, Zugang zu sauberem Wasser und angemessenen sanitären Einrichtungen, gesunden und nachhaltig produzierten Lebensmitteln und einer vitalen biologischen Vielfalt und Ökosystemen leben.

Die Erreichung des neu anerkannten Menschenrechts wird von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung der dreifachen planetarischen Krise sein, mit denen die Menschheit derzeit konfrontiert ist: dem Klimawandel, der Umweltverschmutzung und dem Verlust der biologischen Vielfalt.

Der ursprünglich von Costa Rica, den Malediven, Marokko, Slowenien und der Schweiz vorgelegte und schließlich von mehr als 100 Ländern mitgetragene Text stellt fest, dass das Recht auf eine gesunde Umwelt mit dem bestehenden internationalen Recht verknüpft ist, und dass seine Verwirklichung die vollständige Umsetzung der multilateralen Umweltabkommen erfordert. Die Auswirkungen des Klimawandels, die nicht nachhaltige Bewirtschaftung und Nutzung natürlicher Ressourcen, die Verschmutzung von Luft, Boden und Wasser, die unsachgemäße Handhabung von Chemikalien und Abfällen und der daraus resultierende Verlust an biologischer Vielfalt beeinträchtigen das Recht auf eine gesunde Umwelt.

PAN Germany ist eine der über 1000 Zivilgesellschaftlichen Organisationen, die im Vorfeld der Entscheidung den Aufruf zur weltweiten Anerkennung des Rechts auf eine gesunde Umwelt unterstützt haben. Im Rahmen des internationalen Chemikalienmanagement SAICM engagiert sich PAN für ein Ende der Verwendung von hochgefährlichen Pestiziden (HHPs) und deren Ersatz durch nicht-chemische, agrarökologische Verfahren – zum Wohl der Umwelt, der Gesundheit und des Klimas. Hochgefährliche Pestizide untergraben die Nachhaltigkeit der Produktion von Nahrungsmitteln. Überall auf der Welt wirken sich HHPs schädigend auf die Umwelt und die biologische Vielfalt aus.




Mittagstalk Biozide: Umweltschadstoffe aus Baumaterialien – Aufzeichnung und Dokumentation

Am 31. März 2022 lud PAN Germany zum virtuellen Mittagstalk zum Thema „Umweltschadstoffe aus Baumaterialien – Ein vermeidbares Problem!“ ein.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist jetzt online verfügbar (Video).
Die beiden Fachvorträge stehen zusammengefasst in einer PDF-Datei zum Download bereit.

  • Freisetzung umweltrelevanter Stoffe aus Bauprodukten: Auswaschung durch Regen.
    Dr. Daniel Wicke, Kompetenzzentrum Wasser Berlin (KWB)
  • Wie lassen sich Stoffeinträge von Gebäuden in die Umwelt vermeiden?
    Prof. Dr. Michael Burkhardt, Ostschweizer Fachhochschule (OST), Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik (UMTEC)

Zum Hintergrund:

Biozide kommen in Baumaterialien wie Fassadenfarben, Außenputze oder Dachbahnen zum Einsatz. Sie dienen dem Materialschutz und sollen den Bewuchs unerwünschter Algen und Pilze verhindern. Pestizide sollen die Durchwurzelung von Dichtungsbahnen hemmen. Neben diesen gewünschten Wirkungen haben Biozide und andere Schadstoffe aus Baumaterialien für die Umwelt problematische Auswirkungen.

Verantwortliche bei der Stadtplanung, Expert*innen beim kommunalen Bauen & Sanieren, Architekten, private „Häuslebauer“ und Interessierte, die Schadstoffe beim Bauen vermeiden möchten, erfuhren in dem einstündigen Mittagstalk mehr darüber, welche Schadstoffe aus Gebäuden in Böden und Gewässer freigesetzt werden und wie ein schadstoffarmes Bauen funktionieren kann.

Aus erster Hand wurden die Ergebnisse einer aktuell abgeschlossenen Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes von beteiligten Wissenschaftlern präsentiert.
Dr. Daniel Wicke vom Kompetenzzentrum Wasser Berlin erläuterte die Befunde aus zwei Berliner Neubaugebieten, die zum Teil erhebliche Schadstoffeinträge in die Umwelt über den Regenwasserabfluss von Fassaden und Dächern belegen.
Prof. Dr. Michael Burkhardt vom Institut für Umwelt und Verfahrenstechnik in der Schweiz gab praktische Empfehlungen, mit welchen Maßnahmen die Schadstofffreisetzung minimiert werden kann.

Fazit der Studie: Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Umwelteintrag der Schadstoffe um mehr als 90 Prozent reduziert werden könnte. Die zentrale Empfehlung aus dem Mittagstalk ist daher, die Umweltbelange bereits in einer frühen Phase der Bauplanung zu berücksichtigen und biozidfreie und schadstoffarme Baumaterialien zu bevorzugen.

 




„Blauer Engel“ für biozidfreie Antifoulings

Das neue Umweltzeichen „Blauer Engel“ für Antifoulings sendet ein klares Signal an Verbraucher*innen, bei der Pflege ihrer Sportboote umweltverträgliche Produkte zu wählen und einzusetzen.

Es ist immer noch die Regel, dass Bootseigner im Frühjahr die Beschichtungen ihrer Bootsrümpfe mit biozidhaltigen Antifoulinganstrichen erneuern, um dem Bewuchs mit Wasserorganismen wie Algen, Seepocken oder Muscheln in der Saison vorzubeugen. Das Problem: Die Anstriche enthalten giftige Biozide. Damit sie wirken können, werden die giftigen Biozidwirkstoffe kontinuierlich aus den Farben freigesetzt, also bioverfügbar gemacht. Die Konsequenz ist eine ständige Gewässerbelastung, durch die auch Wasserlebewesen Schaden nehmen können. Da die Wirkstoffe sich schnell in die Gewässer „auswaschen“, wird im darauffolgenden oder spätestens übernächstem Jahr wieder nachgestrichen und so gelangen die Chemikalien erneut in die Gewässer.

Seit langem weist PAN Germany auf diese Problematik der beabsichtigten und zumeist vermeidbaren Gewässerverschmutzung hin (s. Informationen unter „Antifoulings“). Viele Expert*innen sind der Auffassung, dass in den meisten Gewässern biozidhaltige Beschichtungen bzw. Anstriche gar nicht notwendig sind und umweltschonendere Alternativen ihren Zweck erfüllen. In zahlreichen Gesprächen mit Sportbootseignern und den Verbänden zeigte sich allerdings immer wieder eine große Skepsis gegenüber biozidfreien Bewuchsschutz-Alternativen. Als häufigster Grund wurde die unklare Wirksamkeit der nicht-chemischen Verfahren genannt.

Dieses Argument ist hoffentlich bald keins mehr. Denn Anfang Dezember 2021 hat die Jury für Umweltzeichen die Einführung eines Umweltsiegels für Unterwasserbeschichtungen und andere Bewuchsschutzsysteme (DE-UZ 221) beschlossen, wie das Umweltbundesamt am 21. März 2022 in einer Mitteilung bekannt gab. Entscheidend ist dabei, dass zur Vergabe des „Blauen Engels“ die so gekennzeichneten Produkte nicht nur schadstoffarm und umweltverträglich sein müssen, sondern auch nachweislich vor Bewuchs schützen müssen.

PAN Germany hatte sich bei den Fachgesprächen zur Ausarbeitung der Vergabekriterien eingebracht und begrüßt ausdrücklich das neue Umweltzeichen. Mit dessen Einführung stehen für Verbraucher*innen hoffentlich bald umweltschonende Bewuchsschutzverfahren zur Verfügung, die als solche klar zu erkennen und deren wirksamer Schutz, aber auch deren bessere Umweltverträglichkeit zertifiziert sind. Mögliche Verfahren reichen von reinigungsfähige Hartbeschichtungen und mobilen oder stationären Reinigungsanlagen bis hin zu Unterwasserplanen und Boothebeanlagen.

Die Vergabekriterien und die Antragformulare für die Erteilung des DE-UZ 221 sind nun auf der Blaue Engel Website zu finden. Anträge können über die Online-Beantragung eingereicht werden.

Eine englische Fassung der Dokumente wird voraussichtlich Anfang April bereitgestellt.




Veranstaltungsankündigung: Virtueller Mittagstalk Biozide

Umweltschadstoffe aus Baumaterialien – Ein vermeidbares Problem!
Donnerstag. 31. März 2022, 12:00 – 13:00 Uhr

Hier geht es zur Zoom-Anmeldung: LINK

Verantwortliche bei der Stadtplanung, Expert*innen beim kommunalen Bauen & Sanieren, Architekten, private „Häuslebauer“ und Interessierte, die Schadstoffe beim Bauen vermeiden möchten, erfahren in diesem einstündigen Mittagstalk mehr darüber, welche Schadstoffe aus Gebäuden in Böden und Gewässer freigesetzt werden und wie ein schadstoffarmes Bauen funktionieren kann.

So kommen Biozide in Baumaterialien wie Fassadenfarben, Außenputze oder Dachbahnen zum Einsatz. Sie dienen dem Materialschutz, verhindern den Bewuchs unerwünschter Algen und Pilze oder hemmen die Durchwurzelung von Dichtungsbahnen. Neben diesen gewünschten Wirkungen haben Biozide und andere Schadstoffe aus Baumaterialien für die Umwelt problematische Auswirkungen.

Aus erster Hand werden Ergebnisse einer aktuell abgeschlossenen Studie des Umweltbundesamtes von beteiligten Wissenschaftlern präsentiert. Dr. Daniel Wicke vom Kompetenzzentrum Wasser Berlin erläutert die Befunde aus zwei Berliner Neubaugebieten, die zum Teil erhebliche Schadstoffeinträge in die Umwelt über den Regenwasserabfluss von Fassaden und Dächern belegen.
Prof. Dr. Michael Burkhardt vom Institut für Umwelt und Verfahrenstechnik in der Schweiz gibt praktische Empfehlungen, mit welchen Maßnahmen die Schadstofffreisetzung minimiert werden kann. Fazit der Studie: Werden die Umweltbelange bereits in einer frühen Phase der Bauplanung berücksichtigt, kann der Umwelteintrag der Schadstoffe um mehr als 90 Prozent reduziert werden!

PAN Germany lädt Sie ein, die Empfehlungen und Erfahrungen beim Bauen und Sanieren mit den Experten zu diskutieren.

Vorträge:

  • Freisetzung umweltrelevanter Stoffe aus Bauprodukten: Auswaschung durch Regen.
    Dr. Daniel Wicke, Kompetenzzentrum Wasser Berlin (KWB)
  • Wie lassen sich Stoffeinträge von Gebäuden in die Umwelt vermeiden?
    Prof. Dr. Michael Burkhardt, Ostschweizer Fachhochschule (OST), Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik (UMTEC)

Moderation: Susanne Smolka, PAN Germany

Anmeldung:

Die Veranstaltung erfolgt über Zoom. Bitte melden Sie sich unter diesem Link an. Sie erhalten danach eine Bestätigung-E-Mail mit einem individuellen Einwahllink für die Veranstaltung, den Sie bitte sicher abspeichern!

Die Anmeldungsfrist für den Mittagstalk endet am 30.03.2022. Die Anzahl der Teilnehmer*innen ist begrenzt.

Kontakt:
Susanne Smolka, susanne.smolka@pan-germany.org, Tel.: 040 399 1910-24

Technischer Support:
Tamara Gripp, tamara.gripp@pan-germany.org, Tel.: 040 39919 10-23




Stellungnahme zur dritten Bewirtschaftungsplanung der FGG Elbe im Zeitraum 2021-27

Diese Stellungnahme wird vom Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany) im Rahmen der 3. Anhörungsphase zur 3. Bewirtschaftungsplanung der Flussgebietsgemeinschaft (FGG) Elbe für den Zeitraum 2021-2027 vorgelegt. Die Anmerkungen betreffen die von der FGG Elbe vorgelegten Entwürfe des Bewirtschaftungsplans und des Maßnahmenprogramms.




Flusseinzugsgebiete in Europa – Weiterhin im schlechten Zustand

Nach einer Analyse von Umweltverbänden zeigen die Zustände europäischer Flusseinzugsgebiete und die Entwürfe von Managementplänen zur Umsetzung der europäischen Wasserrahmen-Richtlinie (WRRL) ein ernüchterndes Bild. Mit Ausnahme von zwei Flusseinzugsgebieten in Finnland werden die übrigen 11 untersuchten Einzugsgebiete selbst bis 2027 keinen guten Zustand erreichen, sollte nicht bei den Managementplänen deutlich nachgearbeitet werden. Zu diesem Ergebnis gelangt der Bericht [1], der von der Living Rivers Europe Coalition und dem WWF unter Beteiligung zahlreicher Umweltverbände heute veröffentlicht wurde.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass die meisten EU-Länder weiterhin das rechtlich bindende Ziel der WRRL verfehlen werden, Europas verschmutzte Oberflächengewässer in einen guten ökologischen und chemischen Zustand zu bringen. Dieses Ziel hätte bereits 2015 erfüllt sein müssen. Firstverlängerungen waren nur in begründeten Ausnahmefällen bis 2027 vorgesehen. Die Mitgliedstaaten haben nur noch sechs Monate Zeit, um ihre Flussgebietsmanagementpläne für die nächsten sechs Jahre fertigzustellen, wie es das EU-Recht verlangt.

Empfehlungen von PAN Germany für Maßnahmen gegen die Belastungen von Pestizid- und Biozideinträgen in das Flussgebiet der Elbe flossen in den Bericht ein. Eine entsprechende Stellungnahme [2] hatte PAN bereits in der vorherigen Anhörungsrunde der Flussgebietsgemeinschaft Elbe übermittelt. Besorgniserregend ist aus Sicht von PAN die sehr lückenhafte Beachtung von Biozideinträgen und generell der Mangel an Vorsorgemaßnahmen in den Managementplänen, um gegen punktuelle und diffuse Einträge von Pestiziden und Bioziden vorzugehen, diese zu überwachen und die Eintragsursachen zu beseitigen.

Christian Schweer, Mitglied der PAN Germany Arbeitsgruppe Wasser kritisiert: „Das europäische Wasserrecht hat bereits vor 20 Jahren allen EU-Mitgliedstaaten als Mindestanforderung vorgegeben, bis 2012 auch umweltgefährliche Biozide in Fassadenschutzmitteln, Bootsanstrichen oder Einträge von Schädlingsbekämpfungsmitteln anzugehen, wenn sie in die Gewässer gelangen und dort Tiere und Pflanzen schädigen. Statt diese schädlichen Stoffe von Gewässern fernzuhalten, kommen sie selbst in besonders streng geschützten Natura 2000 und in Wasserschutzgebieten unvermindert zum Einsatz. Dass diese relevanten und alltäglichen Verunreinigungen mit den aktuell vorgeschlagenen Maßnahmen nicht eingedämmt werden, zeigt das eklatante Missmanagement im Gewässerschutz auf. Geld- und Personalmangel in den Umweltbehörden ist ein Grund, ein weiterer ist das zu geringe Engagement von Behörden und Anwender*innen von Bioziden und Pestiziden, den Einsatz dieser chemischen Mittel strenger zu regulieren und durch gewässerverträglichere nicht-chemische Alternativen zu ersetzen“.

Noch bis zum 22. Juni 2021 haben Gewässer-interessierte Bürger*innen und Verbände die Möglichkeit, bei den zuständigen Umweltbehörden der Bundesländer ihre Meinung zu den vorgeschlagenen Gewässerschutz-Maßnahmen im Einzugsgebiet der Elbe und zu weiteren Flussgebieten in Deutschland abzugeben. Weil die Öffentlichkeit in nahezu allen Bundesländern bisher nur unzureichend über die Anhörung informiert wurde und die relevanten Informationen zur Situation und den Vorhaben vor Ort wegen der unübersichtlichen Dokumente faktisch nicht auffindbar sind, erwartet PAN Germany von den zuständigen Stellen umgehend eine bessere Aufklärungs- und Informationsarbeit zur aktuell laufenden Anhörung.

[1] The Final Sprint for European´s Rivers – An NGO Analysis of 2022-2027 Draft River Basin Management Plans. Living Rivers Europe, June 2021

[2] Stellungnahme: zur Anhörung der Wasserbewirtschaftungsfragen für die Aufstellung des Bewirtschaftungsplans WRRL für den dritten Bewirtschaftungszeitraum in der FGG Elbe

 




PAN Germany Stellungnahme zum Referententwurf für ein Insektenschutzgesetz

PAN Germany kommentiert in dieser Stellungnahme den im Juli 2020 vom Bundesumweltministerium (BMU) vorgelegten Referentenentwurf über ein Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt in Deutschland.




Erfolg für die Umweltverbände in Sicht: Keine Abschwächung der EU-Wasserrahmenrichtlinie

Am 22.Juni 2020 erreichte die Gewässerschützer*innen in Europa eine gute Nachricht aus Brüssel: Der für die europäische Wasserpolitik zuständige Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius erklärte, dass die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) nicht überarbeitet wird. Er sorgte mit dieser Information für die nötige Klarheit, die noch im Dezember 2019 fehlte, als die EU-Kommission ihren Bericht zur WRRL-Eignungsprüfung vorstellte. Die Haltung der EU-Behörde hat in dieser Frage ein besonderes Gewicht, weil sie als Initiatorin von EU-Regelungen auch über den Erhalt von geltendem Recht maßgeblich entscheidet.

Mit der aktuellen Klärung bleiben nun die Umweltziele und Fristen zur Sanierung der Gewässer in Europa bestehen, wie sie in der WRRL seit dem Jahr 2000 verankert sind. Die Nachricht aus Brüssel ist insofern beachtenswert, weil Interessensverbände aus der Wirtschaft, aber auch viele Mitgliedstaaten bereits seit Jahren auf deutliche Abschwächungen der WRRL gedrängt haben, um den geltenden Verpflichtungen des Wasserrechts nicht mehr nachkommen zu müssen. PAN Germany und PAN Europe haben wie viele weitere Umweltverbände in Europa erfolgreich dagegen argumentiert, genauso wie die überwiegende Mehrheit der EU-Bürger*innen und Organisationen, die 2018 und 2019 an der öffentlichen Konsultation zur WRRL-Eignungsprüfung teilgenommen hatten.

Das klare Signal für die WRRL bedeutet zugleich, dass die Mitgliedstaaten die Einträge an Pestiziden, Bioziden und weiteren Schadstoffen ohne weitere Verzögerungen bis allerspätestens 2024 minimieren bzw. beenden müssen, um den guten Zustand von Wasserläufen, Seen, Grundwasservorkommen und Küstengewässern bis 2027 zu erreichen. Um die Einhaltung dieser und weiterer Vorgaben sicherzustellen, wird die EU-Kommission in den kommenden Jahren ihren Fokus auf die Um- und Durchsetzung des Wasserrechts legen. Sie will zusätzlich prüfen, inwiefern die Stofflisten der WRRL-Tochterrichtlinien zu aktualisieren sind, und sie beabsichtigt die Wasserpolitik in den neu vorgesehenen EU-Aktionsplan zur Beendigung von Verunreinigungen („zero-pollution ambition for a toxic-free environment“) sowie in weitere Strategien ihres Europäischen Grünen Deals zu integrieren. Weil gerade bei stofflichen Verunreinigungen der Gewässer weiterer Handlungsbedarf gesehen wird, sind die Forderungen in der gemeinsamen PAN-Stellungnahme aktueller denn je.