New hope for reducing harm from Highly Hazardous Pesticides

Press release
[07.09.2022]

After more than two years without a face-to-face meeting, representatives from governments, the private sector, industry and civil society from around the world met in Bucharest from August 29 to September 2 for one week of intensive work on a new framework for the sound management of chemicals, including pesticides and waste.

Since 2006 the Strategic Approach to International Chemical Management (SAICM) under the responsibility of the United Nations Environmental Program (UNEP) strives for the sound management of chemicals throughout their life cycle.

Highly Hazardous Pesticides (HHPs) were identified as “Issue of Concern” under this framework. SAICM had an ambitious goal that by the year 2020, chemicals are produced and used in ways that minimize significant adverse impacts on the environment and human health. However, this goal was not achieved. In the last decades, chemical production has increased exponentially and has created escalating problems of waste and pollution with millions of people suffering the effects. As a result, the international community has been engaged in drafting a new ambitious framework to address the problems and impacts of chemical and waste.

Pesticides contribute significantly to all the current global crises – climate disaster, biodiversity loss, pollution – that are threatening the survival of the planet as we know it. The most harmful pesticides, defined as Highly Hazardous Pesticides, are long recognised as a major global problem. With a lot of support from NGOs, progress in identifying and banning some HHPs at the national level has been made, but we are still far away from the coordinated global progress towards a global-phase out of HHPs in agriculture. A future mechanism must resolve this,said Susan Haffmans, senior advisor of PAN (Pesticide Action Network) Germany.

High income countries and regions produce Highly Hazardous Pesticides that have been banned and severely restricted because of human health and environmental harms, and these are exported to developing countries. These pesticides cause massive poisonings of vulnerable groups including peasants, women and children, workers and indigenous peoples. We would like to see a strong target for all countries to stop the production and exports of substances banned in their own countries or region,said Sarojeni Rengam, executive director of PAN Asia Pacific.

María Cárcamo of RAPAL (Red de Acción en Plaguicidas y sus Alternativas de América Latina) Uruguay said,Widespread pesticide use affect people’s daily lives, and cause contamination and destruction of the environment. Pesticides used in food, fibre, and energy production are in communal spaces, sprayed on the ground and by airplanes. Wherever you go, there are high levels of exposure. Coming from a Southern country, we receive pesticides that in many countries from other parts of the world are not used due to the impacts on human and environmental health. We would like to see stronger decisions and targets towards the elimination of these pesticides in the value chain.

“Africa is the continent that suffers the most from the effects of pesticides, especially Highly Hazardous Pesticides. Their poor conditions of use are the cause of the emergence of certain non-communicable diseases such as cancer, congenital malformations, neurological disorders, diabetes, etc. At the end of the SAICM meeting, a glimmer of hope appeared in light of the commitment of civil society and the support of certain countries for a ban on HHPs in agriculture by 2030. Thus, we call on African governments to quickly commit to the implementation of national regulations for a total ban on HHPs in order to protect the health and environment of populations,said Maimouna Diene, regional coordinator of PAN Africa.

For more information, read PAN International’s position paper to the SAICM IP4 Beyond 2020 Process

Pesticide Action Network (PAN) International is a network of 600 CSOs and institutions in over 90 countries working to eliminate the harm caused by pesticides and to replace them with agroecology and non-chemical alternatives.

Reference:




Wie kann die Bundesregierung das Exportverbot für Pestizide realisieren?

Online-Vorstellung eines Rechtsgutachtens zur Umsetzung eines Ausfuhrverbots für bestimmte, gefährliche Pestizide aus Deutschland

In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen angekündigt, den Export von bestimmten Pestiziden, die in der EU nicht zugelassen sind, aus Deutschland zu verbieten. Seit dem Antritt der Regierung im Dezember 2021 wurde kein konkreter Vorschlag zur Umsetzung veröffentlicht.

Ein Rechtsgutachten von Mirka Fries (LL.M.) und Ida Westphal (Ass. iur.) im Auftrag des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), der Heinrich-Böll-Stiftung, des INKOTA-netzwerk, des Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) und der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt, wie ein solcher Exportstopp möglichst umfassend zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt rechtssicher von der Bundesregierung umgesetzt werden kann. Das Gutachten fokussiert auf Pestizidprodukte und reine Wirkstoffe im Sinne des Pflanzenschutzgesetzes.

Mit einem Ausfuhrverbot für bestimmte Pestizide soll ein Beitrag zum Abbau von Doppelstandards im Pestizidhandel geleistet werden. Doppelstandards entstehen unter anderem dadurch, dass Pestizide, die aus Gründen des Umwelt- oder Gesundheitsschutzes zwar im eigenen Land nicht eingesetzt werden dürfen, deren Verkauf in andere Länder dennoch legal ist. So werden Pestizidprodukte und -wirkstoffe, die in der EU nicht zugelassen beziehungsweise genehmigt sind, trotzdem aus Deutschland in das außereuropäische Ausland exportiert. Gerade im globalen Süden stellt der Einsatz dieser teils hochgefährlichen Pestizide eine große Gefahr für Bauern und Bäuerinnen, Landarbeiter*innen und die ländliche Bevölkerung dar.

In der Online-Veranstaltung werden die Gutachterinnen Mirka Fries und Ida Westphal zentrale Ergebnisse ihrer juristischen Bewertungen zur Umsetzung eines Pestizidexportverbots vorstellen. Darüber hinaus werden Christian Schliemann Radbruch (ECCHR), Silke Bollmohr (INKOTA-netzwerk) und Susan Haffmans (PAN Germany) das Thema politisch einordnen und konkrete Forderungen an die Bundesregierung formulieren. Im Anschluss besteht die Möglichkeit für Fragen und Diskussion.

Zur Teilnahme bitte registrieren unter: https://us06web.zoom.us/webinar/register/WN_EhIGZJB2TDKRwC8VL2VYkQ

Eine gemeinsame Veranstaltung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), der Heinrich-Böll-Stiftung, des INKOTA-netzwerk, des Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany) und der Rosa-Luxemburg-Stiftung.




Verbot gefährlicher Pestizide längst überfällig

Hamburg, 30.06.2022. Pressemitteilung. In Deutschland werden noch immer 35 Pestizide in rund 310 Mitteln vermarktet, die offiziell als besonders gefährlich eingestuft werden und eigentlich längst durch weniger problematische Methoden oder Mittel hätten ersetzt werden sollen, kritisiert das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany).

EU-Mitgliedstaaten sind bereits seit 2011 gesetzlich verpflichtet, diese als „Substitutionskandidaten“ (CfS) bezeichneten besonders problematischen Pestizide schrittweise vom Markt zu nehmen. Da dies faktisch nicht umgesetzt wurde, hat nun die EU-Kommission in ihrem gerade veröffentlichten Entwurf für eine Pestizidreduktions-Verordnung [1] ein klares Zeitziel vorgegeben: Bis 2030 muss der Einsatz dieser besonders gefährlichen Pestizide um mindestens 50 Prozent reduziert werden.

„Wir begrüßen, dass die EU endlich Druck macht und verbindlich einfordert, was eigentlich nach geltendem Recht schon seit 10 Jahren erfolgen sollte. Die Bundesregierung sollte jetzt vorangehen, und unverzüglich damit anfangen, diese für die Gesundheit der Menschen und für die Umwelt besonders problematischen Pestizide zügig vom Markt zu nehmen. Dieser Schritt ist auch zentral, um die im Koalitionsvertrag angekündigte Pestizidreduktion und ökologische Transformation der Landwirtschaft voranzubringen“ sagt Susanne Smolka, Pestizidexpertin bei PAN Germany.

Momentan sind 55 Pestizidwirkstoffe als Substitutionskandidaten in der EU gelistet. 35 dieser 55 Wirkstoffe sind derzeit in Deutschland in zugelassenen Spritzmitteln auf dem Markt. PAN Europe hat 12 der 55 Substitutionskandidaten als besonders gefährlich identifiziert. 11 von ihnen sind in Deutschland im Einsatz, darunter beispielsweise das reproduktionstoxische Fungizid Ipconazole, das giftige und umweltgefährliche Insektizid Lambda-Cyhalothrin oder das Herbizid Chlortoluron, das nicht nur umweltgefährlich, sondern auch wahrscheinlich hormonschädlich ist, und dennoch sogar in Mitteln für Laien im Haus-und Kleingarten erlaubt ist. Die Anzahl an Rückständen dieser besonders gefährlichen Pestizidwirkstoffe in Obst und Gemüse hat in den letzten zehn Jahren dramatisch zugenommen [2].

Susanne Smolka, Pestizidexpertin bei PAN Germany sagt: „Es ist unverantwortlich, wie wenig Engagement bislang besteht, zumindest die gefährlichsten Pestizide zum Schutz der Landwirt*innen und Verbraucher*innen sowie für den Schutz der Biodiversität aus dem Verkehr zu ziehen. Alternativen gibt es! Was wir brauchen ist mehr Prävention im Pflanzenbau und mehr Engagement für einen echten integrierten Pflanzenschutz und einen beschleunigten Ausbau des Ökolandbaus.“

PAN Germany fordert mit weiteren Mitgliedsorganisationen von PAN Europe in der Kampagne „Toxic12“ ein direktes Verbot der 12 giftigsten Substitutionskandidaten und einen vollständigen Ausstieg aus der Verwendung aller gelisteten 55 Pestizide bis 2030 [3].

Am 22. Juni 2022 legte die EU-Kommission den Entwurf einer Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln – die „Sustainable Use Regulation“ vor. Diese legt die Ziele der Farm-to-Fork-

Strategie und Maßnahmen zu deren Umsetzung verbindlich fest. Demnach soll der Einsatz und das Risiko von Pestiziden bis 2030 halbiert werden, ebenso die Verwendung von besonders gefährlichen Pestiziden, den Substitutionskandidaten. Die Verhandlungen im EU-Rat und im Europaparlament haben jetzt begonnen. PAN Germany und andere NGOs sehen Nachbesserungsbedarf und erwarten hier klare Positionen und Engagement von der Bundesregierung.

 

[1] Presseerklärung der EU Kommission v. 22.06.2022 und Proposal for a
REGULATION OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCILon the sustainable use of plant protection products and amending Regulation (EU) 2021/2115

[2] PAN-Europe Bericht „Forbidden Fruit“

[3] PAN-Kampagne: www.toxic12.eu

 

Kontakt:

Susanne Smolka
Susanne.smolka@pan-germany.org
Tele.: +49 1767 85 87 727




430 Organisationen der Zivilgesellschaft und indigener Völker fordern vom Rat der FAO ein Ende der Partnerschaft mit der Pestizid-Industrie

Im Vorfeld der 170. Sitzung des Rates der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die am 13. Juni beginnt, erheben 430 Organisationen der Zivilgesellschaft und indigener Völker aus 69 Ländern weltweit ihre Stimme gegen die Partnerschaft der UN-Organisation mit CropLife International, dem Industrieverband, der die größten Pestizidhersteller der Welt vertritt.

In dem von Pesticide Action Network (PAN) übermittelten Schreiben an die Mitglieder des Rates der FAO, das von 10 weiteren globalen Netzwerken unterstützt und von insgesamt 430 Organisationen mitgetragen wird, fordern diese von den Rats-Mitgliedern unverzüglich Maßnahmen zur Beendigung dieser Partnerschaft zu ergreifen und erinnern die FAO an ihre Verpflichtungen zur Einhaltung der Menschenrechte. Die 430 Organisationen äußern ihre Besorgnis darüber, wie sich die CropLife-Mitgliedsunternehmen (BASF, Bayer Crop Science, Corteva Agriscience, FMC und Syngenta) „in die nationale Politik einmischen und enormen Druck auf Regierungen ausüben, die Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt vor Pestizidschäden ergreifen.“

Die Forderung nach einem Ende dieser „Toxic Alliance“ stützt sich auf die anhaltenden Bedenken der Zivilgesellschaft und der Organisationen indigener Völker sowie auf den, auf der 49. Sitzung des Menschenrechtsrates geäußerten Empfehlung des UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung „die Vereinbarung mit CropLife International im Hinblick auf Menschenrechtsbelange zu überprüfen“ und „zu erwägen, den Generaldirektor der FAO anzuweisen, die Vereinbarung zu kündigen“.

Im Rahmen der Strategie für das Engagement des Privatsektors unterzeichnete die FAO im Oktober 2020 eine Absichtserklärung mit CropLife, in einer Vielzahl von Bereichen zusammenzuarbeiten. „Die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen der FAO und CropLife International wirkt allen Bemühungen um ein schrittweises Verbot hochgefährlicher Pestizide, wie es der FAO-Rat bereits 2006 zur Prüfung empfohlen hat, direkt entgegen“, heißt es in dem Schreiben der Verbände.

„Diese Partnerschaft besteht nun seit über eineinhalb Jahren, und die Bemühungen der FAO, globale Maßnahmen zum Ausstieg aus dem Einsatz hochgefährlicher Pestizide und deren Verbot voranzutreiben, sind zum Stillstand gekommen“, sagte Keith Tyrell, Vorsitzender von PAN International. „Wie die Unterzeichner in diesem Brief unterstreichen, sind die Mitgliedstaaten und die FAO aufgerufen, Agrarökologie zu fördern, um ökologisch basierte Lebensmittel- und Landwirtschaftssysteme zu ermöglichen, die ohne den Einsatz von giftigen Pestiziden auskommen.“

In dem Schreiben wird zudem darauf hingewiesen, dass die FAO-eigene Sorgfaltspflicht beinhaltet, dass Unternehmen, die in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind, als potenzielle Partnern ausgeschlossen werden können. Die unterzeichnenden Organisationen des heute versendeten Briefes an den FAO-Rat erklären, „dass der Einsatz von gefährlichen Pestiziden nicht vereinbar sei, mit den von den Vereinten Nationen geschützten Rechten auf: Gesundheit; saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt; sichere Arbeitsbedingungen; angemessene Ernährung; sicheres und sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen; ein Leben in Würde; und den Rechten von indigenen Völkern, Frauen, Kindern, Arbeitern, Bauern und anderen Menschen, die in ländlichen Gebieten arbeiten“.

Darüber hinaus verdeutlicht der vorgelegte Bericht „Addressing the Conflict of Interest and Incompatibility der FAO-Partnerschaft mit CropLife International“, die Notwendigkeit, die als „giftige Allianz“ von der Zivilgesellschaft und indigenen Völker bezeichnete Zusammenarbeit zwischen der FAO und der Pestizid-Industrie zu beenden.
Dieser Bericht wurde dem FAO-Rat von PAN und zehn anderen globalen Organisationen unterbreitet, die die Kampagne anführen.
Ein separater Bericht mit dem Titel „Corporate Capture of FAO: Industry’s Deepening Influence on Global Food Governance„, der Beiträge von PAN International enthält, wurde der FAO und den Mitgliedsstaaten ebenfalls rechtzeitig vor der FAO-Ratssitzung vorgelegt. Der Bericht hebt die Partnerschaft mit CropLife als eine der Fallstudien hervor, die den Trend verdeutlichen, dass Konzerne auf Kosten von Staaten, kleinen Lebensmittelproduzenten, indigenen Völkern und der Zivilgesellschaft immer mehr Einfluss erhalten.

(Der vorliegende Text ist eine Übertragung der englischen Pressemitteilung von PAN International ins Deutsche.)

Hier finden Sie den Brief der Organisationen an den Rat der FAO:

Briefing Report an FAO Mitgliedsstaaten: https://bit.ly/ToxicAllianceBrief

 




Neuer Bericht offenbart: Beweise für den Zusammenhang zwischen Glyphosat und Krebs in laufender EU-Bewertung verworfen

PRESSEMITTEILUNG
[Brüssel/Hamburg, 8. Juni 2022]
Wissenschaftliche Beweise für die krebserregende Wirkung von Glyphosat wurden bei der Bewertung des Wirkstoffs durch die zuständige europäische Fachbehörde nicht berücksichtigt. Zu diesem Schluss kommt ein heute veröffentlichter Bericht von HEAL (Health and Environment Alliance), der unter Mitwirkung von PAN Germany verfasst wurde. [1]

Die in dem Bericht aufgezeigten schwerwiegenden wissenschaftlichen Mängel und Verzerrungen bei der Auslegung von internationalen und EU-Standards stellen aus Sicht von HEAL und PAN Germany die Gültigkeit der behördlichen Glyphosat-Bewertung und die vorläufigen Schlussfolgerungen in Frage. Der Bericht warnt davor, dass die Nichtanerkennung des karzinogenen Potenzials von Glyphosat dem europäischen Kampf gegen Krebs zum Nachteil gereichen würde.

Als die beauftragten Behörden von vier EU-Mitgliedstaaten im laufenden Wiedergenehmigungsverfahren mit der Neubewertung von Glyphosat begannen, hat HEAL, unterstützt von PAN Germany, die elf Krebsstudien an Ratten und Mäusen, die von den Pestizidunternehmen 2019 als Teil des Antragsdossiers eingereicht wurden, genau analysiert. Unterstützt von zwei Experten, wurde das Auftreten statistisch signifikant erhöhter Tumorinzidenzen in einer Häufigkeit ermittelt, die die Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ durch die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) eindeutig unterstützt [2]. Nach dem EU-Pestizidgesetz [3] müssen Stoffe, die die Kriterien für die Einstufung als „vermutlich krebserregend beim Menschen“ (Kategorie 1B) erfüllen, vom EU-Markt genommen werden.

Prof. Christopher Portier, ein unabhängiger Experte für die Analyse und Interpretation von umweltbezogenen Gesundheitsdaten, spezialisiert auf Karzinogenität, sagte: „Bösartige Lymphome, Nieren- und Lebertumore, Keratoacanthome und weitere Krebstypen – es steht außer Frage, dass Glyphosat Krebs verursacht. In zehn der elf Tierstudien, die Teil des Dossiers zur Wiederzulassung von Glyphosat waren, haben die Tiere Tumore entwickelt. Unabhängig davon, wie man es betrachtet, gibt es mehr als genug Beweise für die Karzinogenität, und diese Beweise erfüllen die Kriterien für die Einstufung von Glyphosat als Stoff, bei dem ein krebserregendes Potenzial für den Menschen angenommen werden muss.“

Dennoch haben die behördliche Bewertungsgruppe für Glyphosat der EU-Mitgliedsländer (AGG) und der Ausschuss für Risikobewertung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) öffentlich erklärt, dass die Beweise, um Glyphosat als krebserregend einzustufen, nicht ausreichten [4]. Alle Hinweise auf Ungereimtheiten in der Vorgehensweise der Behörden bei der Bewertung, die von HEAL zusammen mit unabhängigen Wissenschaftlern und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen während der Diskussionen des RAC der ECHA vorgebracht wurden, wurden bisher ungerechtfertigt verworfen [5].

Dr. Peter Clausing von PAN Germany, Toxikologe und Mitverfasser des Berichts, sagte: „Tiere, die Glyphosat ausgesetzt waren, entwickelten im Vergleich zu ihrer nicht exponierten Kontrollgruppe signifikant häufiger Tumore, ein Effekt, der sowohl nach internationalen als auch nach europäischen Richtlinien als Beweis für Karzinogenität gilt, insbesondere wenn dieser Befund – wie im Fall von Glyphosat – durch zusätzliche Belege unterstützt wird. Die EU-Risikobewerter haben jedoch diese Tumorbefunde missachtet und die zusätzlichen Belege aus ihrer Analyse ausgeschlossen, um zu schlussfolgern, dass die beobachteten Effekte zufällig seien.“

Dr. Angeliki Lyssimachou, Senior Science Policy Officer bei HEAL und Mitverfasserin des Berichts, sagte: „Die wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Glyphosat Krebs verursachen kann und daher gefährlich für die menschliche Gesundheit ist, häufen sich – aber die EU-Bewertung stützt sich weiterhin hauptsächlich auf die Argumente der Industrie, was dazu führt, dass schädliche chemische Substanzen wie Glyphosat als für die Vermarktung sicher betrachtet werden. Die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten dürfen sich bei ihren Entscheidungen nicht länger auf diese dysfunktionale wissenschaftliche Bewertung stützen. Die Mission der EU, den Krebs zu besiegen, beginnt hier und jetzt mit einem Verbot von Glyphosat.“

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die für die weitere Risikobewertung von Glyphosat als Pestizid zuständig ist, hat eine erhebliche Verzögerung bei der Veröffentlichung ihres Bewertungsergebnisses angekündigt [5]. Dies bedeutet eine einjährige Verlängerung der Glyphosat-Genehmigung über den derzeitigen Genehmigungszeitraum hinaus, so dass gefährdete Gruppen weiterhin dem schädlichen Pestizid ausgesetzt sein werden. Auf der Grundlage der Bewertung von ECHA und EFSA werden dann die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten eine Entscheidung über die von der Industrie beantragte 15-jährige Verlängerung der Genehmigung für Glyphosat treffen.

Pressekontakt:

  • Dr. Peter Clausing, Toxikologe bei PAN Germany, peter.clausing@pan-germany.org, +49 176 4379 5932

1. https://pan-germany.org/download/heal-report-how-the-eu-risks-greenlighting-a-pesticide-linked-to-cancer/
2. https://www.iarc.who.int/featured-news/media-centre-iarc-news-glyphosate/
3. Regulation (EC) No 1107/2009 of the European Parliament and of the Council of 21 October 2009 concerning the placing of plant protection products on the market and repealing Council Directives 79/117/EEC and 91/414/EEC; Annex II, section 3.6 ‘Impact on human health’
4. https://www.env-health.org/ominous-first-step-in-eu-renewal-process-of-glyphosate-4-member-states-suggest-no-risk-for-human-health-heal-comment/
5. https://www.env-health.org/health-and-environmental-groups-raise-alarms-over-eu-chemicals-agencys-failure-to-classify-glyphosate-as-a-carcinogen-for-human-health/
6. https://www.efsa.europa.eu/en/news/glyphosate-efsa-and-echa-update-timelines-assessments

 




EU-Bürgerinitiative fordert verbindliche Pestizidreduktion in Deutschland und Europa

Die erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ fordert in einem aktuellen Brief an die Bundesregierung, angesichts der Ukrainekrise an dem Ziel festzuhalten, den Pestizideinsatz in Europa bis ins Jahr 2030 zu halbieren.

PRESSEMITTEILUNG [Berlin/Hamburg, 11.05.2022]  Vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs drohen aktuell bereits beschlossene Klima- und Umweltziele in Europa wieder in Frage gestellt zu werden. Die deutschen Vertreter*innen der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) „Bienen und Bauern retten“ appellieren deshalb in einem heute veröffentlichten Brief an die deutsche Bundesregierung, sich auch weiterhin für das Ziel einer verbindlichen Pestizidreduktion in Europa stark zu machen.

Die Bürgerinitiative begrüßt ausdrücklich die bisherige Haltung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundesumweltministerin Steffi Lemke, die Ukrainekrise nicht gegen die Krisen des Artensterbens und des Klimawandels auszuspielen. Die Folgen des Ukrainekriegs zeigen umso mehr auf, wie wichtig es ist, auch in der Landwirtschaft externe, fossile Abhängigkeiten zu minimieren. Pestizidreduktion ist ein wichtiger Schritt hin zu einer widerstandsfähigeren Landwirtschaft, die gesunde Böden, sauberes Wasser und eine biologische Vielfalt gewährleistet und somit für langfristige Ernährungssicherheit und Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen sorgt.

Vereinbarte Ziele nicht verwässern!

Die EU-Kommission hatte zuletzt die Veröffentlichung eines Verordnungsentwurfs zur Überarbeitung der Europäischen Pestizidgesetzgebung um mehrere Monate verschoben. Diese lang erwartete Verordnung soll unter anderem das von der Kommission in der Farm-to-Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie festgeschriebene Ziel, den Pestizideinsatz in Europa bis 2030 zu halbieren, für alle EU-Mitgliedsstaaten rechtsverbindlich machen. Der Verordnungsentwurf soll nun voraussichtlich am 22. Juni 2022 veröffentlicht werden. Die Bürgerinitiative warnt allerdings davor, dass der Entwurf bis dahin noch verwässert werden könnte. Sie fordern die Bundesregierung dazu auf, sich für einen im Sinne des europäischen Green Deals starken Entwurf einzusetzen und sich weiteren Verzögerungen bei der Revision der Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (SUD) deutlich entgegenzustellen.

Bislang wurde die nachhaltige Verwendung von Pestiziden durch die EU-Richtlinie SUD von 2009 (Sustainable Use of Pesticides Directive) geregelt. Diese wurde jedoch von den Mitgliedsländern nie richtig umgesetzt und gilt als gescheitert. Der Gesamtverbrauch von Pestiziden ist in Europa nicht zurückgegangen und viele besonders gefährliche Pestizide sind noch immer im Einsatz. Die EU- Landwirtschaft ist nach wie vor in hohem Maße abhängig von chemisch-synthetischen Pestiziden und der größte Pestizidverbraucher weltweit. Daher ist eine verbindliche Verordnung zur Pestizidreduktion jetzt umso wichtiger, so die Unterzeichner*innen des offenen Briefes.

Zeitgleich wurden auch in mehreren anderen europäischen Ländern ähnliche Briefe von Vertreter*innen der Bürgerinitiative an ihre nationalen Regierungen geschrieben.

Hier können Sie den offenen Brief in voller Länge nachlesen.

Hintergrund: Die Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ hat erfolgreich 1,16 Millionen Unterschriften gesammelt und ist damit die europaweit siebte erfolgreiche Initiative dieser Art. Sie wird von über 250 europäischen Organisationen der Zivilgesellschaft mitgetragen. Rund 450.000 der gesammelten Unterschriften kommen aus Deutschland. Die Initiative fordert von der EU-Kommission einen schrittweisen Ausstieg aus dem Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide bis 2035, Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt und mehr Unterstützung der Bäuerinnen und Bauern beim Umstieg auf eine pestizidfreie, ökologische Landwirtschaft.

Mehr Infos unter: www.bienenundbauernretten.de

Ansprechpartner:

  • Florian Amrhein (Leitung Presse- & Öffentlichkeitsarbeit), Aurelia Stiftung: florian.amrhein@aurelia-stiftung.de  •  Tel.: +49 (0)30 577 00 39 66  •  Mobil: +49 (0)176 34 51 52 07
  • Susanne Smolka (Fachreferentin Pestizide, Biozide), Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany): susanne.smolka@pan-germany.org  •  Tel.: +49 (0)40 399 19 10-24

 

 




Hauptversammlungen von Bayer und BASF: Bundesregierung muss jetzt Vorschlag für Pestizidexportverbot vorlegen

PRESSEMITTEILUNG
[Berlin/Hamburg, 26. April 2022] Anlässlich der Hauptversammlungen von Bayer und BASF am kommenden Freitag, den 29. April fordern das entwicklungspolitische INKOTA-netzwerk und das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) die Bundesregierung auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen und einen Vorschlag für einen gesetzlichen Exportstopp für in der EU verbotene Pestizide vorzulegen.

„Es ist und bleibt ein Skandal! Bayer und BASF vermarkten in Afrika, Asien und Lateinamerika noch immer Pestizide, die in der EU aus gutem Grund nicht genehmigt sind – nämlich weil sie zu gefährlich für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt sind“, sagt Lena Luig von INKOTA. Beispiele dafür sind das erbgut- und fruchtbarkeitsschädigende Unkrautvernichtungsmittel Cyanamid von BASF sowie die Wirkstoffe Propineb (wahrscheinlich krebserregend), Thiodicarb (wahrscheinlich krebserregend und hochgiftig für Bienen) und das hochgefährliche Fungizid Thiram von Bayer, die allesamt etwa in Brasilien verkauft werden.

Nachdem die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgehalten hatte, sie wolle künftig den Export von bestimmten Pestiziden untersagen, die in der EU aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit nicht zugelassen sind, hatte Entwicklungsministerin Schulze im Februar ein Ausfuhrverbot für gefährliche Pestizide, die bei uns verboten sind, angekündigt.

Susan Haffmans von PAN Germany fordert: „Nun ist Cem Özdemir als zuständiger Agrarminister an der Reihe und muss schleunigst einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorlegen. Es darf nicht länger toleriert werden, dass Pestizidkonzerne wie Bayer und BASF als zwei der mächtigsten Pestizidhersteller einen bedeutenden Teil ihres Umsatzes mit hochgefährlichen Pestiziden machen, die sie größtenteils im globalen Süden verkaufen. Die exportierten hochgefährlichen Pestizide tragen zum Leid von weltweit 385 Millionen Menschen bei, die von ungewollten Pestizidvergiftungen betroffen sind. Deutschland hat die menschenrechtliche Verpflichtung zu handeln und diese giftigen Exporte zu unterbinden.“

Seit 2019 decken INKOTA und PAN Germany in Kooperation mit Partnerorganisationen auf, wie Bayer und BASF als global tätige Pestizidkonzerne ein Geschäft mit Doppelstandards betreiben und welche hier verbotenen Pestizide aus Deutschland exportiert werden. Die Doppelstandards im globalen Pestizidhandel sind möglich, weil es keinen verbindlichen internationalen Pestizidvertrag gibt und die Regelungen zur Pestizidzulassung in Ländern des globalen Südens im Vergleich zur EU oft weniger streng sind. Rund ein Drittel der von Bayer und ein Viertel der von BASF weltweit vermarkteten Wirkstoffe werden von PAN als hochgefährlich eingestuft.

Weiterführende Informationen:

Pressekontakte:

 




Neuer Bericht verdeutlicht: Umwelt-, Gesundheits- und Tierschutz verlangen nach einem Systemwechsel in der Lebensmittelproduktion

PRESSEMITTEILUNG
Hamburg, 03.02.2022. Arzneimittel sind eine wichtige Errungenschaft als Instrument in der Behandlung von Infektionskrankheiten – bei Menschen und Tieren. Tierarzneimittel werden jedoch in der Tierproduktion häufig missbräuchlich bzw. vermeidbar eingesetzt, um die Folgen mangelhafter Haltungsformen und Praktiken zu kompensieren. Der heute gemeinsam von PAN Germany und Healthcare without harm (HCWH) Europe veröffentlichte Bericht „Tierarzneimittel in der europäischen Lebensmittelproduktion: Perspektiven für die Umwelt, die öffentliche Gesundheit und den Tierschutz“ erläutert Tendenzen beim Einsatz von Tierarzneimitteln, verdeutlicht die Auswirkungen von Tierarzneimitteln auf Umwelt, öffentliche Gesundheit und Tierwohl und stellt die wichtigsten rechtlichen Änderungen bei der Verwendung von Tierarzneimitteln durch den neuen EU-Rechtsrahmen vor. Zudem gibt der Bericht Empfehlungen für den Lebensmittelsektor, um sich auf ein gesundheitsorientiertes System, das eine verantwortungsvolle Verwendung von Tierarzneimitteln ermöglicht, umzustellen und damit die Ziele der EU-Strategie „Farm to Fork“ (vom Hof auf den Tisch) für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem zu erreichen.

Seit dem 28.01.2022 sind die neuen Bestimmungen und Vorgaben durch die EU-Tierarzneimittelverordnung und das deutsche Tierarzneimittelgesetz allgemein gültig. Unter anderem dürfen Antimikrobielle Mittel nun nicht mehr als Kompensation für mangelnde Hygiene, unzureichende Tierhaltung oder schlechtes Betriebsmanagement eingesetzt werden. Außerdem ist eine Reduzierung des Verkaufs von Antimikrobiotika für Nutztiere im Stall und in der Aquakultur um 50 % bis 2030 vorgesehen. Im Sinne eines verbesserten Umweltschutzes kann nun ein nicht-tragbares Risiko eines Tierarzneimittels für die Umwelt zu einem Abgabeverbot führen. Außerdem kann eine Prüfung für potenziell umweltgefährliche Alt-Arzneimittel veranlasst werden.

Tamara Gripp, Referentin für Landwirtschaft und Umwelt bei PAN Germany sagt dazu: „Weiter wie bisher, geht es in der Nutztierhaltung nun nicht mehr! Um die neuen Rechtsvorgaben einzuhalten, brauchen wir systemische Veränderungen in der tierischen Lebensmittelproduktion hin zu einem gesundheitsorientierten System. Die Erhaltung der Tiergesundheit darf sich nicht auf Tierarzneimittel allein stützen, sondern muss auf verbesserten Haltungsbedingungen fundieren, durch die das artgerechte Verhalten der Tiere, eine Verringerung ihres Stresspegels und eine Steigerung des Tierwohls insgesamt sicher gestellt werden.“ Darüber hinaus seien Maßnahmen im Bereich Hygiene sowie Beratung zu intensivieren und die Umsetzung der Maßnahmen müsse überprüfbar gestaltet sein, so die Agrar-Expertin.

Healthcare without harm (HCWH) Europe und PAN Germany setzen sich seit Jahren für strengere Regelungen zur Bekämpfung der Umweltbelastung durch (Tier-)Arzneimittel ein, mit dem Ziel, die Umwelt und die Gesundheit der Menschen zu schützen ohne das Tierwohl zu gefährden. Die Zusammenarbeit dieser Organisationen spiegelt den „One Health“-Ansatz wider, der anerkennt, dass die menschliche Gesundheit, Tiergesundheit und die Umwelt miteinander verknüpft sind und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig ist, um die Gesundheit von Menschen, Tieren und Umwelt nachhaltig zu gewährleisten.

Pressekontakt:
Tamara Gripp, MSc. Environmental Management
Referentin Landwirtschaft / Umwelt (Advisor Agriculture / Environment)
PAN Germany – Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (Pesticide Action Network Germany)
Nernstweg 32
D – 22765 Hamburg
Tel. +49 (40) 399 19 10-23
Mobi. +49 (0) 15730349258
E-Mail: tamara.gripp@pan-germany.org




Pestizidatlas 2022 zeigt: Neue Bundesregierung muss Pestizidwende einleiten

Pestizidatlas 2022 – Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft
Gemeinsame Pressemitteilung vom 12. Januar 2022

Berlin. Die Heinrich-Böll-Stiftung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) fordern von der Bundesregierung, den Einsatz von Pestiziden konsequent zu reduzieren. Vor allem besonders toxische Pestizide müssen verboten werden und bereits in der EU verbotene Pestizide dürfen nicht länger exportiert werden, wie die Organisationen bei der heutigen Vorstellung des „Pestizidatlas 2022“ betonten.

Der „Pestizidatlas 2022“ zeigt, dass die Menge weltweit eingesetzter Pestizide seit 1990 um
80 Prozent gestiegen ist. In einigen Regionen wie Südamerika sogar um fast 150 Prozent. Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen, wie zum Beispiel Soja als wichtiges Futtermittel für die Tierhaltung, hat in Ländern mit großer Artenvielfalt zu einer gravierenden Ausweitung des Einsatzes an Herbiziden geführt. Auch in der EU liegt der Einsatz mit rund 350.000 Tonnen auf hohem Niveau. In Deutschland werden zwischen 27.000 und 35.000 Tonnen Pestizidwirkstoffe pro Jahr verkauft. Die Menge schwankt vor allem aufgrund von Witterungsbedingungen und aufgrund von unterschiedlichen Preisen für Agrar- und Pestizidprodukte.

Der Einsatz von Pestiziden führt zu anhaltenden Belastungen von Mensch, Natur und Umwelt. So lassen sich an Luftmessstellen Pestizide nachweisen, die bis zu 1000 Kilometer weit entfernt ausgebracht wurden. Auch in Naturschutzgebieten finden sich Pestizidrückstände. Insbesondere Gewässer in der Nähe landwirtschaftlich genutzter Gebiete weisen hohe Pestizidbelastungen auf. Meeressäuger an deutschen Küsten sind bis heute mit Pestiziden belastet, die seit 40 Jahren verboten sind. Eine fatale Wirkung hat der Einsatz von Pestiziden auf die biologische Vielfalt: konventionell bewirtschaftete Äcker weisen nur drei Prozent der floristischen Artenvielfalt auf, die auf Äckern zu finden ist, die noch nie mit Pestiziden behandelt wurden. Auf biologisch bewirtschafteten Äckern liegt die Vielfalt mit 53 Prozent erheblich höher.

Die global wachsende Menge an eingesetzten Pestiziden führt weltweit zu einem Anstieg an Pestizidvergiftungen – insbesondere im Globalen Süden, wo Arbeiter*innen oftmals nicht ausreichend geschützt sind. So sei konservativen Berechnungen zufolge in Asien von jährlich rund 255 Millionen Vergiftungsunfällen auszugehen, in Afrika von knapp über 100 Millionen und in Europa von rund 1,6 Millionen.

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagt: „Auch in Europa sprühen wir viel zu viel: Alleine Äpfel, das Lieblingsobst der Deutschen, werden etwa 30-mal pro Saison gespritzt, Weinreben bis zu 17 mal und Kartoffeln bis zu 11 mal.  Vor allem in Ländern mit großer Artenvielfalt wie Brasilien, Argentinien und Paraguay ist der Herbizideinsatz insbesondere seit der großflächigen Einführung von gentechnisch verändertem, pestizidresistenten Soja, das als billiges Futtermittel für die Tiermast eingesetzt wird, dramatisch gestiegen. Damit wurde auch das zentrale Versprechen der Agro-Gentechnik, Ackergifte mit Hilfe von Gentechnik deutlich zu reduzieren, auf groteske Weise konterkariert.

Wir brauchen dringend eine Trendumkehr – dafür ist jetzt die europäische und deutsche Politik in der Verantwortung. Die Bundesregierung hat von der jungen Bevölkerung dafür einen klaren Handlungsauftrag, wie eine repräsentative Umfrage in unserem Pestizidatlas 2022 zeigt: Mehr als 70 Prozent der Befragten fordern eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes in Deutschland. Und fast genauso viele wollen den Export von in Europa nicht zugelassenen Pestiziden in andere Weltregionen verbieten.“

Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender, erklärt: „Der Verlust der Artenvielfalt weltweit, aber auch in Deutschland ist dramatisch und kann nur gestoppt werden, wenn der Einsatz von Ackergiften deutlich reduziert wird. Hierzu erwarten wir gesetzgeberisches Handeln von der neuen Bundesregierung. Dabei muss die Gesamtmenge der Pestizide um 50 Prozent gesenkt und besonders gefährliche Pestizide verboten werden. Es müssen innerhalb der jetzigen Legislaturperiode konkrete Maßnahmen umgesetzt werden, um die Erfolge der Pestizidreduktion zu kontrollieren. Entscheidend dabei ist, dass die landwirtschaftlichen Betriebe dabei unterstützt werden mit weniger Pestiziden wirtschaftlich tragfähig zu arbeiten. Weniger Pestizide und mehr biologische Vielfalt auf dem Acker soll sich für alle Betriebe lohnen.

Ein Umdenken ist dringend notwendig, denn der hohe Pestizideinsatz schadet der Biodiversität. Er trägt zum Verlust zahlreicher Nützlinge bei, ohne die wiederum noch mehr Pestizide notwendig sind. Der damit verbundene Rückgang bestimmter Wildpflanzenarten führt zum Verlust von Lebensraum und Nahrung für spezialisierte Insekten. Zudem führt der Einsatz von in geringen Mengen hochwirksamen Neonikotinoiden zum Sterben von Wildbienen.“

Doris Günther, Vorstand von PAN Germany, sagt: „Mit dem massiven Pestizideinsatz weltweit vergiften wir Menschen und Natur. 385 Millionen jährliche Pestizidvergiftungen weltweit sind ein Skandal. Pestizidkonzerne haben längst den Globalen Süden als neuen Wachstumsmarkt für ihre Produkte ausgemacht. Auch deutsche Firmen exportieren hochgefährliche Pestizide nach Afrika, Asien und Lateinamerika, die bei uns zum Schutze der Bevölkerung und der Umwelt verboten wurden. Diesen unhaltbaren Zustand müssen die deutsche und europäische Politik beenden und konsequent den Export verbotener Pestizide gesetzlich untersagen. Dass die neue Bundesregierung sich in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet hat entsprechend zu handeln, lässt hoffen.“

Die Zustimmung zu konsequentem Handeln hat die deutsche Politik jedenfalls von den jüngeren Generationen: Die repräsentative Umfrage unter Leitung der Universität Göttingen und Zühlsdorf & Partner für den Pestizidatlas 2022 bei der Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen zeigt, dass die Bundesregierung von der jungen Bevölkerung einen klaren Handlungsauftrag hat. Mehr als 70 Prozent der Befragten fordern eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes in Deutschland. Sie unterstützen die Entscheidung der EU, die die Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030 eingeleitet hat. Mehr als 60 Prozent der Befragten sind sogar dafür die Nutzung von Pestiziden insgesamt bis 2035 zu verbieten, wenn Bäuerinnen und Bauern beim Umstieg auf eine umweltfreundliche Landwirtschaft unterstützt werden. Fast 80 Prozent der Befragten befürwortet eine stärkere finanzielle Unterstützung der Landwirtinnen und Landwirte, wenn weniger Pestizide eingesetzt werden.

Weitere Informationen: Der Pestizidatlas 2022 steht unter www.boell.de/pestizidatlas bzw. www.bund.net/pestizidatlas und www.pan-germany.org/pestizidatlas zum Download bereit.

Der Atlas bietet auf über 50 Seiten und in über 80 Grafiken zahlreiche Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft in Deutschland und weltweit. Der Atlas kann für Unterrichtszwecke auch klassensatzweise bei der Heinrich-Böll-Stiftung bestellt werden.

Pressekontakte

Heinrich-Böll-Stiftung: Michael Alvarez, Pressesprecher Heinrich-Böll-Stiftung, Tel.: 030-28534-202, Mobil 0160-365 77 22, E-Mail: alvarez@boell.de, www.boell.de

BUND: Sigrid Wolff | Daniel Jahn, BUND Pressestelle
Tel. 030-27586-425 |-497| -531 E-Mail: presse@bund.net, www.bund.net
Katrin Wenz, BUND-Expertin für Agrarpolitik, Mobil 0176 47684162,  E-Mail: Katrin.Wenz@bund.net

PAN Germany: Birgit Wulff, PAN Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: 040-3991910-0, presse@pan-germany.org, www.pan-germany.org;
Susan Haffmans, Referentin für Pestizide, Tel: 049157 315 640 17, susan.haffmans@pan-germany.org




Unterstützung von Kommunen beim Verzicht auf schädliche Biozide

Hamburg, 16.12.2021: Rund 70 Mal werden Kommunen im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung erwähnt, denn hier werden lokal und bürgernah wichtige politische Maßnahmen umgesetzt, die u.a. für das Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele von zentraler Bedeutung sind. Gerade bei der Gestaltung einer giftfreien Umwelt zum Wohl ihrer Bürgerinnen und Bürger spielen Städte und Gemeinden eine wichtige Rolle. Die Umweltschutzorganisation PAN Germany unterstützt Kommunen mit einem aktuellen Faltblatt bei Fragen rund um den Einsatz von sogenannten Bioziden.

Verantwortliche vor Ort finden darin auf einen Blick Informationen und Beispiele, in welchen Bereichen die Verwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln, Holzschutzmitteln, Bautenschutzmitteln oder Antifoulinganstrichen verringert oder durch nicht-chemische Verfahren ersetzt werden können. Auch Empfehlungen zum umsichtigen Einsatz von Desinfektionsmitteln bietet das Informationsblatt.

Susanne Smolka, Biologin und Biozid-Expertin bei PAN Germany sagt: „Viele Kommunen sind bereits aktiv und verzichten beispielsweise auf den Einsatz von Glyphosat und andere Pestizide auf ihren Grünflächen. Wir möchten Kommunen dazu motivieren, ein vergleichbares Engagement auch bei Bioziden zu zeigen, damit Arbeitnehmer*innen, Bürger*innen und die Umwelt besser vor unnötigen Verwendungen dieser potenziell gefährlichen Mittel geschützt werden. Für Kommunen gibt es viele Bereiche dies umzusetzen – im kommunalen Beschaffungswesen, bei der Auftragsvergabe und in vielen weiteren Bereichen.“

Ein kürzlich abgeschlossenes Projekt der Universität Würzburg, gefördert durch das Umweltbundesamt, analysierte die Situation der Biozidverwendung in Kommunen und beschreibt umfassend die Treiber und Hemmnisse auf den Weg zu einer biozidarmen Kommune. In dem Abschlussbericht [2] und den „Praxistipps“ [3] finden kommunale Vertreter*innen vertiefende umfassende Informationen und Anregungen, in welchen Bereichen Kommunen aktiv sein können und verantwortungsvoll auf Biozide verzichten können – ob beim Spielplatzbau oder bei der Vorgabe für Putzmittel.

„Wir begrüßen diese praxisnahen Empfehlungen zur Vermeidung von problematischen Bioziden und hoffen auf entsprechende Initiativen in den Gemeinden,“ so Susanne Smolka von PAN Germany. „Kommunen haben viel Verantwortung – auch was die Überwachung des Verkaufs und der Anwendung von Bioziden angeht. Dazu zählen ab 2022 auch bestimmte Anwendungsverbote in Naturschutzgebieten. Dafür müssen die Kommunen entsprechend ausgestattet und von den Bundesländern und vom Bund besser unterstützt werden“, fordert Susanne Smolka von PAN.

Biozidprodukte gehören wie die sogenannten Pflanzenschutzmittel zu den Pestiziden. Der Zweck von Bioziden ist die Bekämpfung von Schadorganismen zur Durchsetzung von Hygienemaßnahmen, im Rahmen des Gesundheitsschutzes sowie für den Materialschutz. Rund 40.000 Biozidprodukte sind auf dem deutschen Markt. Sie werden direkt oder zur Ausrüstung vieler Gebrauchsgegenstände genutzt. Aufgrund ihrer Zweckbestimmung sind Biozide potenziell gefährlich für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier.

[1] PAN Germany (2021): Nachhaltige Kommune: Vermeidung von Bioziden im öffentlichen Raum

[2] Bogaschewsky R., et al. (2021): Umweltfreundliche Beschaffung und Einsatz von Biozid- Produkten in Kommunen. Weiterentwicklung des Konzepts „Pestizidfreie Kommune“ für den Biozidbereich. Umweltbundesamt (Hrsg.): Umwelt und Gesundheit 05/2021

[3] Umweltbundesamt (2021): Pestizide in Kommunen: Urbane Schädlingsbekämpfung, Bautenschutz und Hygiene – Praxistipps und Beschaffungshinweise.