Redebeitrag auf der Bayer-Hauptversammlung vom 28.04.2023

Rede von Dr. Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerk, (PAN Germany), auf der Hauptversammlung der Bayer AG am 28.04.2023 

Sehr geehrte Damen und Herren Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats.

Mein Name ist Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerks e.V. und ich spreche als Bevollmächtigter der Coordination gegen Bayergefahren. Ich bin promovierter Toxikologe und mit den gesundheitsschädigenden Eigenschaften des Wirkstoffs, über den ich hier sprechen werde, gründlich vertraut. Bereits vor 2 Jahren haben wir kritisiert, dass bestimmte Wirkstoffe, die in der EU aus Gesundheits- oder Umweltgründen verboten sind, von Bayer Cropscience in anderen Teilen der Welt weiterhin vermarktet werden. Bayers damalige Erwiderung ist nach wie vor auf der Website des Unternehmens nachzulesen. Ich zitiere: „Wenn wir es für sinnvoll halten, nehmen wir Produkte freiwillig vom Markt.“ Das bezog sich damals auf Methiocarb- und Carbendazim-Produkte. Produkte mit anderen, in der EU verbotenen Wirkstoffen werden von Bayer CropScience weiterhin vertrieben. Dazu ein Beispiel.

Thiacloprid ist in der EU so, wie das vom Markt genommene Carbendazim, als „wahrscheinlich reproduktionstoxisch beim Menschen“ eingestuft. Das heißt, dieser Wirkstoff ist fruchtbarkeitsschädigend und gefährdet das Kind im Mutterleib – eine Gefahreneinstufung, die mit einer Vermarktung in der Europäischen Union nicht kompatibel ist.

Meine Bitte an Herrn Baumann: Wiederholen Sie bitte nicht das Argument, dass in Ländern des globalen Südens andere klimatische Verhältnisse herrschen und deshalb andere oder sogar mehr Pestizide notwendig seien, denn Sie verschwiegen die andere Seite der Medaille: die deutlich höhere Exposition der Menschen im globalen Süden. Das betrifft einerseits schwächere Standards bzw. fehlendes Monitoring bei den Rückstandshöchstwerten in Lebensmitteln. Vor allem aber betrifft das die extrem höhere Exposition der in der Landwirtschaft Tätigen. Das wird durch die 385 Millionen unbeabsichtigten akuten Pestizidvergiftungen belegt, die sich einer wissenschaftlichen Studie zufolge alljährlich ereignen, denn über 90% dieser Vergiftungen ereignen sich im globalen Süden.

Thiacloprid ist wegen seiner Reproduktionstoxizität sowie aufgrund der Gefährdung des Grundwassers in der EU verboten. Global sind Thiacloprid-haltige Produkte aber weiterhin Teil von Bayers Portfolio, z.B. in Indien mit den Produkten Alanto und Belt Expert bzw. in Mexiko mit dem Produkt Calypso. Während Thiacloprid in der EU unter anderem wegen seiner Reproduktionstoxizität verboten ist, wird diese Gefahr im entsprechenden Abschnitt des mexikanischen Sicherheitsdatenblatts nicht einmal erwähnt. Somit ist die auf dem Sicherheitsdatenblatt erhobene Behauptung, dass die Klassifizierungen der mexikanischen Norm entsprechen, falsch, denn während andere, weniger gravierende Gefahrenmomente Erwähnung finden, wird die Klassifizierung als H360FD, zu Deutsch „kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und das Kind im Mutterleib schädigen“ verschwiegen.

Ich habe deshalb folgende Fragen:

  1. Welche Kriterien verwendet die Unternehmensleitung, um zu bestimmen, wann es für sinnvoll gehalten wird, gesundheitsgefährdende Produkte vom Markt zu nehmen?
  2. Welche Maßnahmen trifft das Unternehmen, um zu gewährleisten, dass die Sicherheitsdatenblätter in allen Ländern den notwendigen Standards entsprechen?
  3. Beabsichtigt die Unternehmensleitung, Thiacloprid enthaltende Produkte sowie Thiacloprid selbst, in absehbarer Zeit aus dem globalen Portfolio zu nehmen und so zumindest punktuell seiner Verantwortung für die menschliche Gesundheit gerecht zu werden?

Ich bitte daher die Aktionär*innen, stimmen Sie bei allen Anträgen mit der CBG ab gegen die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.




Redebeitrag auf der BASF-Hauptversammlung vom 27.04.2023

Rede von Dr. Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerk, (PAN Germany), auf der Hauptversammlung der BASF AG am 27.04.2023 

Sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre, sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats.

Mein Name ist Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerks e.V., ich bin Toxikologe und mit den gesundheits- und umweltschädigenden Eigenschaften der Wirkstoffe, über die ich hier sprechen werde, gründlich vertraut. Bereits vor 2 Jahren haben wir kritisiert, dass bestimmte Wirkstoffe, die in der EU aus Gesundheits- oder Umweltgründen verboten sind, von der BASF in anderen Teilen der Welt weiterhin vermarktet werden. Dazu gehören Fungizide mit dem Wirkstoff Epoxiconazol und Herbizide mit dem Wirkstoff Glufosinat. Beide Wirkstoffe wurden von den Behörden der EU als „vermutlich reproduktionstoxisch beim Menschen“ eingestuft. Das heißt, diese Wirkstoffe sind fruchtbarkeitsschädigend und gefährden das Kind im Mutterleib.

Es gibt einen besonderen Grund, warum es unverantwortlich ist, diese in der EU verbotenen Wirkstoffe in den Ländern das globalen Südens weiter zu vermarkten. Es gibt wissenschaftliche Publikationen, die belegen, dass Menschen im globalen Süden deutlich stärker gegenüber Pestiziden ausgesetzt sind als hier bei uns. Es ist nur logisch anzunehmen, dass dies auch bei Glufosinat und Epoxiconazol der Fall ist. Selbst unter europäischen Verhältnissen wurde in einer wissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 1998 für Glufosinat ein 2,5-fach höheres Risiko für Geburtsschäden ermittelt (García et al 1998). Umso höher dürfte das Risiko unter den Arbeits- und Lebensbedingungen im globalen Süden ausfallen.

Epoxiconazol wurde von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA bereits im Jahr 2008 als ein „vermutlich beim Menschen reproduktionstoxischer Wirkstoff“ eingestuft. Vor zwei Jahren verwiesen Sie in der BASF-Hauptversammlung auf die Frage, warum der Antrag auf Wiedergenehmigung von Epiconazol in der EU zurückgezogen wurde, darauf, dass mit dem Wirkstoff Revysol (Mefentrifluconazol) eine nachhaltigere Alternative zur Verfügung steht. Aus meiner Perspektive als Toxikologe kann ich bestätigen, dass Revysol ein deutlich weniger toxisches Fungizid ist. Umso unverständlicher ist der Sachverhalt, dass das reproduktionstoxische Epoxiconazol nach wie vor in zahlreichen lateinamerikanischen Ländern angeboten wird.

Ich habe deshalb folgende Fragen:

  1. An welchem Produktionsstandort der BASF wird der herbizide Wirkstoff Glufosinat produziert und gibt es Pläne, angesichts der Gesundheitsgefahren von Glufosinat auf die Vermarktung dieses Wirkstoffs zu verzichten?
  2. Wo erfolgt derzeit die Produktion von Epoxiconazol?
  3. Warum werden trotz einer verfügbaren, weniger toxischen Alternative weiterhin epoxiconazol-haltige Fungizide in Ländern Lateiamerikas vermarktet?

Bis zu einer zufriedenstellenden Klärung dieser Fragen fordere ich die Aktionäre auf, den Vorstand und den Aufsichtsrat NICHT zu entlasten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 




BAYER-Hauptversammlung 2023: Protestaktion in Leverkusen und Gegenanträge

Auch in diesem Jahr wird die BAYER-Hauptversammlung virtuell stattfinden und von realen Protesten vor Ort begleitet sein. Im Zentrum des Protests stehen das umstrittene Herbizid Glyphosat sowie Doppelstandards im Pestizidhandel. PAN Germany ist als Redner auf der Hauptversammlung dabei.

Ende 2023 wird EU-weit über eine mögliche Verlängerung der Genehmigung von Glyphosat entschieden. BAYER, der Hauptproduzent von Glyphosat, wird weiter für seinen „Bestseller“ kämpfen, während mehr und mehr wissenschaftliche Studien die erheblichen negativen Auswirkungen des Wirkstoffs auf Mensch und Umwelt dokumentieren und die Praxis zeigt, dass ohne Glyphosat gewirtschaftet werden kann.

Der BAYER-Konzern vermarktet in den Ländern des globalen Südens viele Pestizide, die innerhalb der EU wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen längst verboten sind. Auch aus Deutschland exportiert Bayer solche Pestizide. Diese Doppelstandards im Pestizidhandel sind unethisch und gefährden Menschenrechte.

Die Kundgebung zur BAYER-HV findet am 28.4.2023 ab 9:30 Uhr an der BAYER-Konzernzentrale, Kaiser-Wilhelm-Allee 3, in Leverkusen statt.

Informationen zum Protestprogramm, zu den Redner*innen auf der Kundgebung vor Ort sowie den Gegenanträgen finden sich auf der Homepage der CBG (Coordination gegen BAYER-Gefahren).

Nachtrag zum Protestprogramm zur Bayer Hauptversammlung 2023:

Hier die CBG-Videos der Protestaktionen anschauen




BASF-Hauptversammlung 2023: Protestaktion und Gegenanträge

Anlässlich der BASF-Hauptversammlung heute prangern zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen und Organisationen negative Auswirkungen der BASF-Geschäfte auf Klima, Umwelt und Menschenrechte an.

Ein Kritikpunkt von PAN Germany:  BASF verkauft weltweit weiterhin Pestizidwirkstoffe, deren Einsatz in der EU verboten ist. Diese Doppelstandards gefährden die Menschen und ihre Umwelt und tragen zu erhablichen Verletzungen von Menschenrechten bei.

Zu den von BASF vermarkteten Wirkstoffen, deren Einsatz in der EU verboten ist, gehören Glufosinat und Epoxiconazol. Sie sind bei uns nicht mehr erlaubt, weil sie als „wahrscheinlich reproduktionstoxisch beim Menschen“ (Kategorie 1B) eingestuft sind. Allein in Indien vermarktet BASF Pestizidprodukte mit vier Wirkstoffen, die in der EU aus Gesundheits- und Umweltschutzgründen verboten sind: Neben Epoxiconazol und Glufosinat auch die Wirkstoffe Pymetrozin und Atrazin (im Handelsprodukt Vesnit), die wegen ihrer Grundwasserbelastung in der EU verboten sind.


Weitere Infromationen zur Protestaktion
Gegenanträge des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre




End Double Standards in Pesticide Trade: Country examples of legislative efforts from Germany, India and Tunisia

When: Wednesday, 22 February 2023, from 14:00 – 15:15 (CET)

Where: Online event, please register here

The online event presents legislative efforts by importing and exporting countries to stop the trade of pesticides banned in the land of origin. The export of banned pesticides to third countries is being recognised as a threat to human rights. In the case of the European Union (EU), most hazardous agrochemicals are not approved for use because of their negative effects on human health and/or the environment, yet manufacturers in EU countries such as Germany and others are still producing them to sell them abroad. The call for ending such double standards in pesticide trade is joined by civil society organizations in the Global South and North and by human rights experts from the United Nations alike. Inputs from Germany, India and Tunisia provide examples on how governments can take legislative efforts.

Program

Welcome and moderation Dr Silke Bollmohr, INKOTA-netzwerk and Dr Christian Schliemann-Radbruch, European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR)

Ending double standards in pesticide trade – where do we stand? Susan Haffmans, PAN Germany

National import ban and civil society approaches against pesticides – the case of Tunisia Semia Gharbi, AEEFG Tunisia

Reducing double standards by banning highly hazardous pesticides – an analysis from India Dileep Kumar, PAN India

Implementing a ban on the export of certain hazardous pesticides – presentation of a legal opinion from Germany Mirka Fries (LL.M.) and Ida Westphal (Ass. iur.)

Questions & answers

 

The event is jointly organized by the European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), the Heinrich Böll Stiftung, the INKOTA-netzwerk, the Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) and the Rosa Luxemburg Stiftung.




Forderungen an FAO: Führungsstärke beim Klimaschutz & Ende der Allianz mit der Pestizid-Industrie

Während der Rat der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) heute zu seiner 171. Sitzung zusammentritt, fordert PAN Germany die UN-Organisation auf, mutige Führungsstärke beim Klimaschutz zu zeigen, indem sie ihr zwei Jahre altes Abkommen mit CropLife International (CLI), dem globalen Verband der größten Pestizidhersteller der Welt, unverzüglich aufhebt.

In einem Brief an die stellvertretende FAO-Generaldirektorin Beth Bechdol, der der FAO-Führung und den Ratsmitgliedern vorgelegt wurde, fordern die Adressaten „mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht in Bezug auf die laufende und sich vertiefende Zusammenarbeit der FAO mit CropLife International „ und wiederholen damit frühere Forderungen, die von der Zivilgesellschaft und indigenen Völkern, Landwirt*innen und Landarbeiter*innen, Gewerkschaften, Wissenschaftler*innen und Akademiker*innen unterstützt werden.

„Wir wünschen uns von der FAO zurückzukehren zu ihrem Engagement für Agrarökologie, die unabhängig vom Gewinnstreben einzelner Konzerne allen Menschen, Bäuerinnen und Bauern weltweit zugutekommt. Die FAO hat das Wissen und die Erfahrung, in der Landwirtschaft Beschäftigte dabei zu unterstützen, mit der Natur innovativ zu wirtschaften, unabhängig von teuren Betriebsmitteln, deren Herstellung klimaschädlich ist und die wie bei den chemisch-synthetischen Pestiziden zu erheblichen Umweltbelastungen und Vergiftungen weltweit führen“, sagt Susan Haffmans, Referentin bei PAN Germany.

In einer im Oktober 2020 zwischen der FAO und CropLife unterzeichneten Absichtserklärung (Letter of Intent, LOI) wurde vereinbart, die Zusammenarbeit in weiten Arbeitsbereichen zu prüfen. Gegenstimmen von 200.000 Personen aus über 107 Ländern, über 430 Organisationen der Zivilgesellschaft und indigener Völker, fast 300 Akademiker*innen und Wissenschaftler*innen und von fast 50 philanthropischen Gruppen sowie dem UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung haben verhindert, dass die Absichtserklärung in ein formelleres Format (Memorandum of Understanding) umgewandelt wurde. Die Absichtserklärung, die kein Verfallsdatum hat und nicht dem neuen Due-Diligence-Verfahren der FAO für ihr Engagement mit dem Privatsektor unterzogen wurde, bleibt jedoch bestehen.

Synthetische Pestizide werden aus fossilen Brennstoffen gewonnen, beeinträchtigen die Fähigkeit des Bodens, Kohlenstoff zu binden, setzen Treibhausgase frei und machen die landwirtschaftlichen Systeme insgesamt anfälliger für die Auswirkungen des Klimawandels. Pestizide sind auch eine treibende Kraft im weltweiten Artensterben, durch das die Grundlage der Nahrungsmittelproduktion und der nachhaltigen Entwicklung bedroht wird. Schätzungen zufolge müssen der Einsatz und die Toxizität von Pestiziden um zwei Drittel reduziert werden, um den katastrophalen Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten.

Die Zivilgesellschaft und Vertreter*innen indigener Völker, die während der COP17-Klimaverhandlungen und der bevorstehenden COP15 zur biologische Vielfalt nachdrücklich agrarökologische Alternativen zu toxischen Pestiziden gefordert haben, sind der Ansicht, dass die FAO die Möglichkeit hat, den Ausstieg aus dem auf fossilen Energieträgern basierenden Lebensmittelsystem einschließlich des Ausstiegs aus dem Einsatz von Agrarchemikalien anzuführen.

Die erneute Aufforderung an die FAO, ihre Vereinbarung mit der Pestizidindustrie zu beenden, kommt Tage nach dem 38. Jahrestag der Bhopal-Gastragödie in Indien, der jedes Jahr am 3. Dezember als Welttag gegen den Einsatz von Pestiziden gedacht wird.

Mehr Informationen und weitere Statements s. PAN International Pressemeldung vom 5.12.2022




Pesticide Atlas – englische Ausgabe jetzt erhältlich

Seit 1990 ist der weltweite Einsatz von Pestiziden um 80% gestiegen, jährlich erleiden rund 385 Millionen Menschen weltweit Pestizidvergiftungen und manche Pestizide werden mit der Luft über Tausend Kilometer weit verfrachtet.

Diese und weitere Fakten und Daten präsentiert der überarbeitete und heute in englischer Sprache veröffentlichte „Pesticide Atlas – facts and figures about toxic chemicals in agriculture“.

Der Atlas enthält Beiträge und Infographiken zum weltweiten Einsatz und Handel von Pestiziden, beschreibt die negativen Auswirkungen auf Mensch, Gesundheit und Umwelt und zeigt alternative Lösungen auf. Der englische Atlas basiert auf dem deutschsprachigen „Pestizidatlas – Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft“, der im Januar 2022 von BUND, Heinrich-Böll-Stiftung und PAN Germany veröffentlicht wurde.

Für die nun vorliegende englische Ausgabe wurde der Fokus um weitere europäische und internationale Aspekte erweitert. Herausgegeben wurde der englische Pesticide Atlas von BUND, Heinrich-Böll-Stiftung, Friends of the Earth Europe und PAN Europe.

Englische Publikation „Pesticide Atlas – facts and figures about toxic chemicals in agriculture“




Pesticide Paradise – PAN Europe Report verdeutlicht Versagen des EU-Pestizidrechts

Anlässlich des 60. Jahrestages der Veröffentlichung von Rachel Carsons „Silent Spring“, einem bahnbrechenden Werk, das die Entstehung der modernen Umweltbewegung begründete, präsentiert PAN Europe einen neuen Report, der das Versagen des EU-Pestizidrechts verdeutlicht und auf die Rückstandssituation in europäischem Obst hinweist. Der Report zeigt auf, dass sich die Rückstandssituation bei den gefährlichsten Pestiziden in den letzten 10 Jahren deutlich verschlechtert hat.

Diese besonders gefährlichen Pestizide werden nach der europäischen Pestizid-Verordnung als „Substitutionskandidaten“ klassifiziert. Ihre gefährlichen Eigenschaften werden mit Krebs, Fortpflanzungsschäden und anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht. Ebenso sind die meisten Substitutionskandidaten für die biologische Vielfalt und die Umwelt gefährlich [siehe PAN-Germany Pressmitteilung v. 30.06.2022].

Es ist daher leicht nachvollziehbar, warum die Gesetzgeber 2009 beschlossen, sie zugunsten von weniger gefährlichen Alternativen aus dem Verkehr zu ziehen – nur ist dies nicht geschehen: In mindestens 278 Fällen ist diese Regelung gescheitert wie der Bericht darlegt. Die Ursachen für dieses regulatorische Versagen liegt aus Sicht von PAN Europe in zwei Bereichen.

Erstens enthüllt der Bericht, dass die Europäische Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten das Ziel der EU-Pestizid-Verordnung durch die Verabschiedung von Standards konterkariert haben, die das Ziel der Verordnung aushebeln. Diese Standards wurden von einem externen Gremium erarbeitet, der Europäischen und Mediterranen Pflanzenschutzorganisation (EPPO), welche keiner der für Beamte verbindlichen Transparenzanforderungen folgen muss und die von Vertreter*innen der Industrie stark beeinflusst wird.

Als Grundlage der verabschiedeten EU-Leitlinie dient das EPPO-Dokument, an deren Erstellung Unternehmen wie BASF, DuPont und Syngenta beteiligt waren und was eine interessensgeleitete Einflussnahme darauf nahelegt. Es überrascht daher nicht, dass der von der EU erstellte Leitfaden für die Regulierungsbehörden der Mitgliedsstaaten so ausgestaltet ist, dass Mittel mit Substitutionskandidaten eher weiter zugelassen werden als deren weitere Nutzung zu verbieten, obwohl weniger gefährliche Alternativen zur Verfügung stünden.

Für die zweite Ursache des Scheiterns sind die offiziellen Stellen in den Mitgliedsstaaten verantwortlich. Sie lehnen durchaus praktikable, nicht-chemische Pflanzenschutzmaßnahmen als Ersatzverfahren ab, die laut der Forschung den Einsatz von Pestiziden verringern können.

Spätestens seit 2008 wusste die Europäische Kommission vom Scheitern des Ausstiegsprogramms, ergriff aber keine wirksamen Maßnahmen um die sogenannten Substitutionskandidaten tatsächlich zu substituieren.
Die Leitlinien müssen schnellstmöglich überarbeitet und die Wirksamkeit von nicht-chemischen Alternativen anerkannt werden, fordert PAN Europe in dem Bericht. Andernfalls sei jedes neue Pestizid-Reduktionsziel der EU zum Scheitern verurteilt.

Mehr dazu:

 

 




Mexikanische Regierung verteidigt Glyphosat-Verbot

Seit der mexikanische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador 2020 ein Dekret erließ, das ein schrittweises Ende der Nutzung von Glyphosat und von GVO-Mais bis 2024 vorsieht, steht diese Entscheidung unter enormen Druck – insbesondere von Seiten der Pestizid- und GVO-Lobby. Doch die Regierung bleibt standhaft.

Zunächst wurde 2021 einer Klage von BAYER stattgegeben und eine einstweilige Verfügung gegen das schrittweise Verbot erteilt. Hiergegen wehrt sich das mexikanische Umweltministerium (Semarnat) und hat im Juli 2022 angekündigt, dieses Urteil gegen das geplante Glyphosatverbot anzufechten. Dies wurde in einer Pressemitteilung der mexikanischen Regierung vom 15.07.2022 bekanntgegeben. Nach Auffassung der mexikanischen Regierung berücksichtige die Entscheidung gegen das Verbot nicht die gesundheitlichen Schäden, die der Einsatz dieses Herbizids für die mexikanische Bevölkerung mit sich bringe, und verteidige lediglich die Interessen der transnationalen Großkonzerne.

Glyphosat ist ein Totalherbizid, dass nicht-selektiv wirkt und alle Pflanzen abtötet, die nicht durch gentechnische Modifikation gegen diesen Wirkstoff resistent sind. Der Wirkstoff steht seit Jahren in der Kritik von Gesundheits- und Umweltschützern. Während die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ einstuft, stufte die europäische Chemikalienagentur ECHA im laufenden EU-Wiedergenehmigungsverfahren den Wirkstoff 2022 erneut als nicht krebserregend ein (wir berichteten).

Mehr zum Thema Glyphosat bei PAN Germany

PAN Nordamerika Blog zur Einflussnahme der USA auf die Entscheidung Mexikos, Glyphosat zu verbieten




Entscheidung über Glyphosat um ein Jahr verschoben. Belastungen gehen weiter.

Die Genehmigung für Glyphosat läuft bekanntlich am 15.12.2022 aus. Eigentlich sollten die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten bis Ende 2022 über ein Verbot oder die Verlängerung der Genehmigung des umstrittenen Herbizidwirkstoffes entscheiden. Doch am 10. Mai kündigte die zuständige Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) an, ihren Abschluss des Bewertungsverfahrens über die Wiedergenehmigung von Glyphosat auf Mitte 2023 zu verschieben. Die Conclusion der EFSA – die abschließende Einschätzung – ist die Grundlage für die Entscheidung über die Zukunft von Glyphosat. Mit der Verzögerung ist nun mit einer Verlängerung der laufenden Genehmigung zu rechnen, ungeachtet der bestehenden und neu eingereichten Dokumente zur erbgutschädigenden und krebserregenden Wirkung des Herbizids und seiner inakzeptablen negativen Auswirkungen auf die Umwelt. PAN sieht darin einen Blankoscheck für ein weiteres Jahr Belastung der EU-Bürger*innen und ihrer Umwelt.

Die EFSA begründet ihren Schritt, den Zeitplan zu verschieben, mit den vielen im Rahmen der öffentlichen Konsultation (wir berichteten) eingereichten zusätzlichen Studien und Fragen, die vor der Entscheidung über eine Wiedergenehmigung des umstrittenen Unkrautvernichters berücksichtigt werden müssen.

Die Studien der Industrie, die 2017 zur Wiederzulassung von Glyphosat führten, waren lange Zeit geheim, mussten aber nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs offengelegt werden. Dadurch wurde es u. a. möglich, die Studien der Industrie zur Gentoxizität (Erbgutschädigung) im Original einzusehen. Prof. Siegfried Knasmüller und Dr. Armen Nersesyan vom Zentrum für Krebsforschung der Medizinischen Universität Wien unterzogen diese Studien einer kritischen Prüfung und kamen zu der Schlussfolgerung, dass von den 53 Industrie-Studien nur zwei als „wissenschaftlich zuverlässig eingestuft werden konnten, während 34 Studien als „unzuverlässig“ und 17 Studien als „teilweise zuverlässig“ eingestuft wurden. Dies ist nur ein Beispiel dafür, auf welch tönernen Füßen die Glyphosat-Bewertung der Behörden steht.

Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter PAN Germany und PAN Europe, hatten im Rahmen der öffentlichen Konsultation Ende 2021 Hunderte unabhängiger wissenschaftlicher Veröffentlichungen bei der EFSA eingereicht. Die unabhängigen Studien belegen, dass Glyphosat unannehmbare Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt birgt und die Kriterien für eine erneute Genehmigung nicht erfüllen kann. Die PAN Europe Presseinformation vom 11.5.22 enthält zahlreiche Links zu unabhängigen Studien zum Thema Glyphosat und Krebsrisiken, Auswirkungen auf die menschliche Entwicklung, die Fortpflanzung und das Hormonsystem, neurotoxische Wirkungen, Risiken für nützliche Insekten und Amphibien etc.