Syngenta unter Druck: 51 indische Familien reichen nach Pestizidvergiftung Beschwerde ein

Das Vergiftungsdrama im indischen Yavatmal im Jahr 2017 ist nicht vergessen. Hunderte Baumwollbäuer*innen erlittenen damals nach dem Versprühen von Pestiziden teils schwere Vergiftungen. Behördliche Dokumente zeigen nun die Rolle des Syngenta-Pestizids „Polo“ in dieser Tragödie. Die Polizei ordnete 98 erlittene Vergiftungen, darunter zwei mit Todesfolge, der Verwendung von „Polo“ zu. 51 betroffene Familien reichen deshalb heute Beschwerde beim Schweizer Kontaktpunkt der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ein. Sie werden dabei von PAN India, PAN Asia Pacific (PANNA), der Maharashtra Association of Pesticide Poisoned Persons (MAPPP), dem in Deutschland ansässigen European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und der Schweizer NGO Public Eye unterstützt. „Polo“ enthält den Wirkstoff Diafenthiuron, der in der Schweiz aus Gründen des Umwelt- oder Gesundheitsschutzes verboten ist und auch in der EU nicht eingesetzt werden darf. Die Hintergründe der Vergiftungswelle von 2017 sind in den Berichten von PAN India und Public Eye dokumentiert.

Sarojeni Rengam, Geschäftsführende Direktorin von PAN Asia Pacific (PANAP) sagt hierzu: „Aus den Dokumenten geht klar hervor, dass das Pestizid „Polo“ von Syngenta in Yavatmal, Indien, in großem Umfang Vergiftungen verursacht hat. Viele der Vergiftungsopfer mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, berichteten von vorübergehender Blindheit oder waren mehrere Tage lang bewusstlos. Einige litten auch an Atembeschwerden und Muskelschmerzen. Yavatmal ist nur ein Fall von vielen. Überall in Indien leiden Bäuerinnen und Bauern unter Pestizidvergiftungen. Wir reichen bei der OECD eine Beschwerde gegen Syngenta wegen der Vergiftungen ein, die durch das Produkt POLO verursacht wurden. Mit dieser Aktion wollen wir gegen die Verantwortungslosigkeit der europäischen Pestizidkonzerne vorgehen, unabhängig davon, wo sie tätig sind.“

Syngenta ist nicht der einzige Konzern in Europa, der Doppelstandards im Pestizid-Handel ausnutzt. Auch Firmen in Deutschland machen Gewinne mit Pestiziden, die in der EU aufgrund von Gefahren und Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht genehmigt bzw. verboten sind, wie Berichte von PAN Germany und Public Eye zeigen konnten.

Erst im Juli dieses Jahres kritisierten führende Expert*innen des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen aufs schärfste die gängige Praxis wohlhabender Staaten, ihre verbotenen giftigen Chemikalien in ärmere Länder zu exportieren und forderten von EU- und OECD-Staaten eine Abkehr von dieser menschenrechtswidrigen Praxis. Der Vergiftungsfall von Yavatmal veranschaulicht auf traurige Weise, dass es die, von der Industrie nach wie vor gepredigte, „sichere Anwendung“ hochgefährlicher Pestizide unter Armutsbedingungen nicht gibt und er zeigt, wie dringend es rechtsverbindlicher Regelungen gegen Doppelstandards im Pestizidhandel bedarf. PAN Germany setzt sich in einer gemeinsamen Kampagne mit dem INKOTA Netzwerk für ein Gesetz gegen diese Doppelstandards ein.

Die amtlichen Dokumente aus Indien liefern auch Hinweise auf zwei Todesfälle im Zusammenhang mit Polo. Parallel zur OECD-Beschwerde wurde mit den Hinterbliebenen der beiden Todesopfer sowie mit einem Vergiftungs-Überlebenden eine auf der Produktehaftung basierende Schadensersatzklage in Basel eingereicht.

Weitere Informationen und Hintergründe zu der Beschwerde gegen Syngenta finden Sie in der gemeinsamen Presseerklärung des ECCHR, Public Eye, PAN Asia Pacific und PAN India.

 

Kontakt:

Ms. Sarojeni Rengam, PAN Asia Pacific, sarojeni.rengam@panap.net

Susan Haffmans, PAN Germany, susan.haffmans@pan-germany.org




Mit Vielfalt und Solidarität durch die Krise

PAN Germany Pestizid-Brief 1 – 2020

Die letzten Monate haben uns auf besonders eindrückliche Weise vor Augen geführt, wie wichtig unser PAN-Motto „Eine gesunde Welt für alle“ tatsächlich ist. Seit Monaten behaupten sich die Menschen überall auf der Welt in der Covid-19-Krise und versuchen, mit der Pandemie und ihren Folgen zurechtzukommen. Während in einigen Ländern schrittweise Lockerungen der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen umgesetzt werden und die Menschen wieder ein Stück Normalität erleben, schränken in anderen Regionen hohe Infektions- und Todeszahlen das Berufs- und Alltagsleben weiterhin ein. Wir alle haben unterschiedliche Erfahrungen in der Krise gemacht. Angesichts des Leids, das wir weltweit gesehen haben, sind wir voller Trauer. Doch wir sind auch beeindruckt von der großen Hilfsbereitschaft und Solidarität von Menschen überall auf der Welt.

Gegenseitige Hilfe rund um die Welt

Auch innerhalb unseres PAN-Netzwerks unterstützen wir uns gegenseitig. Unsere Partner*innen von PAN Asien & Pazifik (PANAP) helfen, die Folgen der Krise für die Ernährungssouveränität und Existenz von Millionen von Menschen in besonders betroffenen Gemeinschaften abzumildern. Sie machen sich unter anderem für die von der Krise und dem Lockdown besonders betroffenen Landarbeiter*innen stark und fordern die Einhaltung von Arbeitsrechten auch für Wanderarbeiter*innen. Im Rahmen ihrer gestarteten COVID-19-Kampagne „Food and Rights Talk“ hat PANAP zahlreiche Interviews geführt und zugehört, wie es den Menschen in den ländlichen Regionen in Asien in der Krise tatsächlich geht und wie ihre Situation ist, in Bezug auf Ernährungssicherheit und Menschenrechte.

In Afrika haben tausende Bio-Baumwollbäuer*innen Geld für Saatgut eingesetzt und Monate hart dafür gearbeitet, beste Baumwolle zu produzieren ohne schädliche Pestizide einzusetzen. Nun suchen unsere afrikanischen und englischen Kolleg*innen gemeinsam nach Lösungen für die Bäuer*innen und ihre Familien, die von unterbrochenen Lieferketten in der Textilbrache in Folge der Pandemie betroffen sind und unterstützen sie dabei, statt Baumwolle zu exportieren, Lebensmittel anzubauen und dafür lokale Märkte zu finden. Genau hierfür setzt sich auch PAN Afrika ein und sensibilisiert die Staaten Westafrikas für die Notwendigkeit eines widerstandsfähigen Ernährungssystems – insbesondere angesichts der Pandemie. Dabei unterstützen z.B. unsere Kolleg*innen in Senegal Landwirt*innen darin, widerstandsfähige, nachhaltigere Anbauverfahren umzusetzen, die gleichzeitig eine Steigerung der Produktion ermöglichen und so dazu beitragen, das Einkommen der Bäuerinnen und Bauern zu verbessern.

Agrarökologie stärkt die Widerstandsfähigkeit des Ernährungssystems

Es ist längst bekannt, dass agrarökologische Anbauweisen widerstandsfähiger auf Klimaveränderungen reagieren. Nun beweisen vielfältige Anbausysteme – wie der biologische Baumwollanbau, in dem Baumwolle in vielfältiger Fruchtfolge mit anderen Kulturpflanzen wie Hibiskus, Fonio, Cashew und Sesam abgebaut wird – auch angesichts der Covid-19 Krise, in der Absatzmärkte für bestimmte Güter plötzlich weggebrochen sind, größere Widerstandsfähigkeit.

Angesichts unterbrochener Lieferketten setzt sich PAN Lateinamerika (RAPAL) für die Förderung lokaler und agrarökologischer Nahrungsmittel-Produktion ein, indem sie das Wissen hierüber über Radioprogramme, Videos, Plakate, Webinare, Informations- Materialien und über Telefon-Schaltungen verbreitet. Hierzu zählt auch die Konzeption einer Reihe von Video-Workshops, um den urbanen Anbau von Nahrungsmitteln sowie die Eigenproduktion von Saatgut zu fördern.

Unsere Partner*innen von PAN Nord-Amerika (PANNA) setzen sich derweil dafür ein, dass Notgelder tatsächlich bei den Farmer*innen ankommen und nicht bei den großen Agrarkonzernen versickern. Sie arbeiten gemeinsam mit Partnern daran, Investitionen in resilientere Lebensmittelsysteme zu fördern, die die Förderung gesunder Böden genauso einschließen, wie die lokale Produktion von Lebensmitteln. Zudem  macht PANNA auf die besondere Betroffenheit landwirtschaftlicher Hilfskräfte in der Pandemie aufmerksam und setzt sich dafür ein, die systemischen Ungerechtigkeiten, die in unserem Nahrungsmittel- und Landwirtschaftssystem verankert sind, abzubauen.

Ein nicht-nachhaltiges, ungerechtes System

Ob in Amerika, Asien oder Europa – überall auf der Welt hat die Covid19-Pandemie die Schwachstellen unseres industriellen Ernährungssystems bloßgestellt. Das System der industriellen Tierhaltung wird schon lange wegen der schlechten Tierhaltungsbedingungen und der großen Mengen eingesetzter Arzneimittel kritisiert. Nun steht es, mit seinen riesigen Schlachthöfen, in denen im Akkord Tiere gekeult und zerlegt werden, auch wegen besonders hoher Infektionsraten bei den meinst prekär beschäftigten und schlecht untergebrachten Beschäftigten – ob in Deutschland in Nordrhein-Westfalen oder in den USA in Minnesota – im Fokus der Öffentlichkeit.

Andere Beschäftigte, die bislang kaum von der Gesellschaft bemerkt wurden, wie Wanderarbeiter*innen und landwirtschaftliche Hilfskräfte, wurden in der Krise plötzlich bzw. endlich als „systemrelevante Arbeitskräfte“ erkannt. Die Krise hat offenbart, wie schlecht wir mit diesen Arbeiter*innen umgehen, die oft ohne Verträge, ohne soziale Sicherung, häufig in Kontakt mit hochgefährlichen Pestiziden, unterbezahlt und ebenfalls schlecht untergebracht auf den Feldern und in den Plantagen und Gewächshäusern der Welt für unser aller Ernährung hart arbeiten. Vieles soll sich nun ändern. Als Vertreter*innen der Zivilgesellschaft engagieren wir bei PAN uns dafür, unseren Beitrag zu leisten, damit ein gerechteres Landwirtschaft- und Ernährungssystem Wirklichkeit wird.

Hierzu gehört, dass wir uns im PAN Netzwerk dagegen stemmen, dass die Pandemie ausgenutzt wird, um notwendige Reformen im Umweltschutz, im Biodiversitätsschutz und in der Agrarpolitik hinauszuzögern, zu verwässern oder gänzlich in Frage zu stellen.

Die Zukunft gestalten

RAPAL arbeitet aktiv daran, die Einfuhr neuer transgener Nutzpflanzen nach Chile zu blockieren und stemmt sich gegen eine Senkung von Importzöllen auf Pestizide in Argentinien. PANNA kämpft gegen die Zurücknahme wichtiger Pestizidvorschriften in den USA. Im gesamten Netzwerk unterstützen wir unsere Kolleg*innen von PAN UK in ihren Bemühungen, sicherzustellen, dass die britische Pestizidgesetzgebung nach dem „Brexit“ nicht gänzlich verwässert wird.

Gemeinsam mit unseren Partner*innen von PAN Indien freuen wir uns über die Ankündigung, dass 27 hochgefährlichen Pestiziden (HHPs) in dem Land verboten werden sollen. Hier in Europa engagieren wir uns im Verbund mit zahlreichen europäischen Partnerorganisationen und Unterstützer*innen in der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ und setzen uns dafür ein, dass die EU einen Wandel einleitet – weg vom Pestizideinsatz und hin zu agrarökologischen Anbauverfahren – und dabei die Landwirt*innen begleitet und unterstützt. Alle EU-Bürger*innen können dies mit ihrer Stimme einfordern: www.savebeesandfarmers.eu/deu/.

Die europäische Farm-to-Fork-Strategie für nachhaltige Lebensmittelsysteme und die neue EU-Biodiversitätsstrategie lassen uns hoffen. Sie verfolgt die Ziele, den Einsatz chemischer Pestizide und das damit verbundene Risiko bis 2030 um 50 % zu reduzieren, gefährlichere Pestizide um 50 % zu verringern und durch agroökologische Verfahren zu ersetzen sowie den Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen in der EU bis 2030 auf 25 % landwirtschaftlicher Nutzflächen zu erhöhen. Nun wird es darauf ankommen, dass entsprechende Maßnahmen beschlossen und tatsächlich umgesetzt werden.

Egal ob im Norden, Süden, Osten oder Westen – wir brauchen dringend den Wandel weg von der Abhängigkeit von chemisch-synthetischen Pestiziden hin zu vielfältigeren Anbausystemen, um nachfolgenden Generationen eine Umwelt zu hinterlassen, die nicht krankmacht und in der es genüg Vielfalt gibt, um gute Ernten zu erzielen und gut leben zu können.

(Susan Haffmans)

Der Artikel ist auch auf English verfügbar im PANNA-Blog unter dem Titel „A healthy world for all“




Aufzeichnung PAN-Webinar: „Gesundheit geht vor! Für ein Verbot von Hormongiften“

Mengen gefährlicher Chemikalien sind in Alltagsprodukten enthalten, gelangen als Schadstoffe in die Umwelt, verunreinigen Nahrungsketten und reichern sich in unseren Körpern an, wo sie schwerwiegende Schäden verursachen können. Zahlreiche chronische Erkrankungen und Entwicklungsstörungen werden von hormonschädlichen Chemikalien, den Endocrine Disrupting Chemicals (EDCs) verursacht oder gefördert.

PAN Germany fordert, gemeinsam mit anderen Organisationen der Zivilgesellschaft, mehr Engagement von der Deutschen Bundesregierung für eine deutliche Reduzierung der tagtäglichen Belastung der Bevölkerung und der Umwelt gegenüber Pestiziden, Bioziden und Industriechemikalien mit hormonschädigenden Eigenschaften.

Das PAN-Webinar, das in Kooperation mit den Organisationen HejSupport und WECF am 24. Juni 2020 durchgeführt wurde, thematisiert die fachlichen und politischen Hintergründe sowie die NGO-Forderungen rund um das Problemfeld „EDCs“.

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Weitere Informationen

Susanne Smolka von PAN Germany eröffnet das Webinar mit einem Überblick über die besondere Stoffeigenschaft bestimmter Chemikalien, das Hormonsystem von Menschen und Wildtieren zu stören und damit langfristige und irreversible Schädigungen zu initiieren. Sie beschreibt auch den bereits Jahrzehnte andauernden Versuch der EU, diese gefährliche Stoffeigenschaft in Gesetzgebungen zu regulieren und die wiederkehrenden Versuche, solche gesetzgeberischen Maßnahmen im Sinne der Pestizid- und Chemieindustrie zu verzögern. So sind Mensch und Wildtierpopulationen noch immer nicht ausreichend gegenüber EDCs und EDC-Gemischen geschützt.

Dr. Silvia Pleschka von Women Engage for a Common Future (WECF) beschreibt in ihrer Präsentation die besonderen Gefahren von EDCs für Frauen, Schwangere und Kinder. Besonders empfindliche Gruppen unserer Gesellschaft sind besonderen Gefahren ausgesetzt, denn EDCs greifen in wichtige Entwicklungsprozesse, beispielsweise des Gehirns oder der Fortpflanzungsorgane ein. Ein Schutz dieser empfindlichen Gruppen muss schnellsten politisch sichergestellt werden. Zwischenzeitlich kann jede*r von uns im Alltag Maßnahmen ergreifen, um das in Kontakt kommen mit EDCs zu reduzieren. Dr. Pleschka gibt dazu praktische Tipps und verweist auf Informationskampagnen wie das Nestbau-Projekt des WECF.

Alexandra Caterbow von HejSupport, Health and Environment Justice Support, HEJSupport beleuchtet die politische Ebene der EDC-Problematik und stellt die gemeinsam ausgearbeiteten NGO-Forderungen an die Bundesregierung vor. Deutschland sollte unbedingt und ernsthaft gegen umwelt- bzw. schadstoffbedingte Erkrankungen und Belastungen stärker vorgehen und Maßnahmen starten, die einige andere EU-Mitgliedsstaaten bereits initiiert haben. Der alltäglichen Exposition gegenüber gefährlichen Hormongiften muss mit effektiven Maßnahmen wie Informationskampagnen, Monitoring, Forschungsförderung für Alternativen und einem starken Engagement auf europäischer und internationaler Ebene begegnet werden. Fazit: Deutschland sollte endlich nachziehen und einen nationalen Aktionsplan zur Minderung von EDCs ins Leben rufen!




Aufzeichnung PAN-Webinar: AGRAR-KULTURPROGRAMM

Eine virtuelle (Rad-)Tour vom Hamburger Hafen in die landwirtschaftlich geprägten Vier- und Marschlande

Wie sieht Landbewirtschaftung heute aus? Was hat unser Handeln damit zu tun? Wo können wir ökologisch verträgliche und sozialgerechte Formen der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion finden?

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Weitere Informationen

Ein Blick vor die eigene Haustür lohnt sich. Kommen Sie mit auf eine virtuelle Rad-Tour – raus aus der Stadt, rein in den landwirtschaftlich geprägten Süd-Osten Hamburgs und darüber hinaus. Gemeinsam entdecken wir die Agrarlandschaft und erfahren Wissenswertes über Pestizide und über Agrarökologie. Der virtuelle Startpunkt liegt zwischen Hauptbahnhof und Speicherstadt nahe des Hafens. Den Elbblick verbinden wir mit einem Blick auf den Export von Pestiziden. Susan Haffmans, Referentin für Pestizide und Tierarzneimittel bei PAN Germany, gibt einen Überblick über die Toxizität von Pestiziden und zeigt auf, was der Export hochgefährlicher Pestizide für die Menschen in den Importländern bedeutet und was sich ändern muss. Weiter entlang des Elberadwegs in Richtung Kirchwerder erkunden wir verschiedene Strukturen der Agrarlandschaft und beobachten, was wir sehen und was wir nicht sehen. Wie wird das Land bewirtschaftet, was wird angebaut? Wo fühlen sich Bienen, Schmetterlinge und heimische Vögel wohl? Tamara Gripp, Referentin für Landwirtschaft und Umwelt bei PAN Germany, erläutert den Rückgang der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft und die Bedeutung der Landnutzung für die biologische Vielfalt weltweit. Mireille Remesch, entwicklungspolitische Referentin der Agrar Koordination, gibt eine Einführung darüber, was Agrarökologie ist und welche Bedeutung das Konzept für die notwendigen Veränderungen in unserem Ernährungssystem hat. Denn Agrarökologie ist weit mehr als nur eine Anbaumethode. Agrarökologie ist durch Vielfalt geprägt und zeigt sich in unterschiedlichen Formen.




Gefahren des Pestizideinsatzes

Der regelmäßige und weit verbreitete Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft gefährdet die Artenvielfalt und stört Ökosysteme, indem nicht nur Schädlinge, sondern unbeabsichtigt auch Wildpflanzen, nützliche Insekten und Bodenorganismen dezimieren werden. Pestizide wirken aber nicht nur auf dem Feld, sondern können durch Abdrift auf andere Flächen und in Gewässer gelangen.

Nicht nur die Natur und die Umwelt sind in Gefahr und nehmen Schaden, sondern auch die menschliche Gesundheit. Die chemisch-synthetischen Stoffe können über Hautkontakt, die Atemluft oder über Rückstände in Lebensmitteln aufgenommen werden, und zu Vergiftungen und sogar zu chronischen Erkrankungen führen. Besonders betroffen sind Landwirt*innen und Landarbeiter*innen, die die Mittel ausbringen, Anrainer*innen und Menschen, die ihre Freizeit in der Kulturlandschaft verbringen.

Aber es geht auch anders!




PAN Germany Meldebogen für Pestizid-Abdrift

Pestizid-Abdrift ist ein Problem für Mensch und Umwelt. Wobei das tatsächliche Ausmaß kaum einzuschätzen ist, denn eine behördliche zentrale „Meldestelle“ für erlittene oder beobachtete Fälle von Pestizid-Abdrift gibt es in Deutschland nicht. Viele Betroffene fühlen sich allein gelassen und suchen nach Hilfe. PAN Germany sieht hier dringenden Bedarf. Mit dem PAN Germany Abdrift-Meldebogen tragen wir dazu bei, dass erlittene oder beobachtete Fälle von Pestizid-Abdrift und Pestizid-Fehlanwendungen dokumentiert werden. PAN Germany nutzt diese Angaben, um auf das Problem der Pestizid-Abdrift aufmerksam zu machen und Maßnahmen zum Schutz von Betroffenen und der Umwelt vor Pestizid-Abdrift auf politischer Ebene einzufordern.

Zum online PAN Germany Meldebogen für Pestizid-Abdrift

Weitere Informationen zu Abdrift




Europäischer Grüner Deal darf nicht verwässert werden

Hamburg, 29. April 2020. Pressemitteilung. Während die EU-Mitgliedstaaten mit der Covid-19-Krise zu kämpfen haben, nutzt die Agrarindustrie die Situation aus, um von der Leyen’s European Green Deal zu verwässern. Die Unterstützer*innen der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“, darunter PAN Germany, fordern die Europäische Kommission auf, die ehrgeizigen Ziele zum Schutz der Gesundheit der Menschen und der Umwelt beizubehalten und den Übergang der europäischen Landwirtschaft zur Agrarökologie zu unterstützen.

Heute, am 29. April 2020, sollte die Europäische Kommission endlich ihre „Farm to Fork“-Strategie und ihre Biodiversitätsstrategie veröffentlichen. Angekündigt war, dass diese politischen Instrumente ehrgeizige und verbindliche Ziele für eine Pestizidreduktion im Sinne einer grüneren Landwirtschaft und für den Erhalt der Artenvielfalt festlegen würden. Die Veröffentlichungen wurden jedoch bereits zum zweiten Mal mit einer neuen möglichen Frist für den 20. Mai verschoben. In der Zwischenzeit zeigen durchgesickerte Dokumente, dass das ursprüngliche ehrgeizige Ziel, die Verringerung des Pestizideinsatzes in den Mitgliedstaaten verbindlich vorzuschreiben, augenscheinlich merkbar verwässert werden soll.

Die Entwicklung beider Strategien wurde im Rahmen des neuen Europäischen Grünen Deals von der neu gewählten Präsidentin Ursula von der Leyen im Dezember 2019 vorgestellt. Ein solch ehrgeiziger Plan zum Schutz des Klimas, der Umwelt und zukünftiger Generationen ist ein beispielloser Schritt der EU Kommission und wurde von vielen Organisationen der Zivilgesellschaft begrüßt. Der Europäische Grüne Deal ist die notwendige Reaktion auf die zahlreichen alarmierenden Aufrufe von Seiten der Wissenschaft zum Biodiversitätsverlust und dem fortschreitenden Klimawandel. Die europäischen Wähler*innen hatten zuvor in der Europawahl im Frühjahr 2019 ein deutliches Votum abgegeben und für mehr Sitze im EU Parlament für grüne Parteien gestimmt.

Der Gegenwind gegen einen nachhaltigeren Kurs der europäischen Politik von Seiten der Agrarindustrie und industriefreundlichen Akteur*innen ist beträchtlich und die Covid-19 Krise wird dafür genutzt, um die ambitionierten Strategien gezielt zu verzögern und ungeachtet zu verwässern. Tamara Gripp, Referentin für Landwirtschaft und Umwelt bei PAN Germany ist besorgt: Die Gefahr, mit schwachen Strategie zu enden, ist groß. Die deutsche Bundesregierung sollte ihre anstehende Ratspräsidentschaft dafür nutzen, um ihren Forderungen nach einer „grünen Erholung“ nach Covid-19 Nachdruck zu verleihen und für eine ambitionierte Umsetzung des European Green Deals und der zugehörigen Strategien einzutreten.“

Gemeinsam mit allen Unterstützer*innen der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ fordern wir, dass die EU Kommission an den ambitionierten Zielen in der Landwirtschafts- und Biodiversitätspolitik festhält. Bereits jetzt sind über 300.000 Unterschriften in der gesamten EU zusammengekommen und wir werden weiter für mehr Unterstützung werben, um unsere Forderungen Gehör zu verschaffen. Unsere Ziele sind konkret und umsetzbar: Den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide in der EU schrittweise auslaufen lassen, die biologische Vielfalt in landwirtschaftlichen Gebieten wiederherstellen und Subventionen der Gemeinsamen Agrarpolitik nutzen, um die EU-Landwirtschaft auf den Weg zur Agrarökologie zu bringen. Die Covid-19-Pandemie hat einmal mehr gezeigt, wie verwundbar die globalisierten Landwirtschafts- und Lebensmittelsysteme sind, und das Agrarökologie der einzige Weg ist, um unsere Lebensmittelproduktion unter Berücksichtigung der Gesundheit von Menschen und Umwelt langfristig zu gewährleisten.

Kontakt:
Tamara Gripp, E-Mail tamara.gripp@pan-germany.org, Tel. +49 40 399 19 10-23, Mobil +49 157 30 34 92 58

Weitere Informationen:

Pressemitteilung der Allianz „Save Bees and Farmers“ vom 29.04.2020: „Amid the Covid-19 crisis, European civil society rises to protect public health and the environment from pesticides“ (EN)

 




Jahresbilanz: Zu wenig Engagement der GroKo bei der Umsetzung einer kohärenten Agrar- und Handelspolitik

Die ökologische Krise zeigt, wie dringend ein grundlegender Wandel der Agrar- und Ernährungssysteme durch holistische Ansätze wie Agrarökologie notwendig ist. Eine weltweit zukunftsfähige Landwirtschaft zu schaffen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Doch bislang mangelt es an einer kohärenten Agrar- und Handelspolitik, sind sich die Organisationen und Verbände aus Umwelt, Entwicklung, bäuerliche Landwirtschaft, Ökolandbau und Lebensmittelhandwerk in ihrer heute veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme „Jahresbilanz Agrarökologie“ einig. Vor rund einem Jahr hatten die sie ihren Forderungskatalog „Agrarökologie stärken“ veröffentlicht und u.a. gefordert, dass die Bundesregierung sich national und international für Agrarökologie als zentrales Förderkonzept sowohl in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit als auch beim Klimaschutz im Agrar- und Ernährungsbereich einsetzt und im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU die ökologischen und sozialverträglichen Ansätze der Agrarökologie aufgreift und ein entsprechendes Fördersystem vorantreibt. Die aktuelle Stellungnahme ist eine Analyse der jüngsten Entwicklungen und des bisherigen politischen Bestrebens, den gestellten Forderungen gerecht zu werden.

 

 

 




Europäischer Green Deal: Umweltverbände fordern Pestizidreduktion und Förderung für Agrarökologie

Seit Jahrzehnten stützt die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU die industrielle Landwirtschaft und die damit verbundenen negativen Folgen für Umwelt und Gesundheit. In einem offenen Brief an den Vizepräsidenten der EU Kommission Frans Timmermans, sowie an die verantwortlichen EU Kommissare Kyriakides, Wojciechowski und Sinkevičius untermauern die Unterstützer*innen der europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“, darunter auch PAN Germany, ihre Forderungen nach einem Europäischen Green Deal, der den Pestizideinsatz in der europäischen Landwirtschaft deutlich reduziert und Anbaumethoden nach agrarökologischen Prinzipien fördert.

Es ist mittlerweile wissenschaftlich und gesellschaftlich anerkannt, dass das industrielle Modell der Nahrungsmittelproduktion eine bedeutende Triebkraft für den Rückgang der Artenvielfalt ist. Diese Form der Landwirtwirtschaft ist vom regelmäßigen Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide abhängig. Der Einsatz solcher Chemikalien kann außerdem erhebliche negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit bewirken. Hierzu zählen die Häufungen von Krankheiten in ländlichen Gemeinden, die Pestiziden in ihrer Umgebung direkt ausgesetzt sind, Krankheiten ausgelöst durch Pestizidrückstände in Lebensmitteln, und die Belastung durch Pestiziddrift in der Luft und dem Abfluss in Böden und Grundwasser. Eine weitere Folge der industriellen Nahrungsmittelproduktion ist der Rückgang der sozialen und wirtschaftlichen Vielfalt in der Landwirtschaft, was wiederum in einem Verlust an Widerstandsfähigkeit, wertvollem regionalem Wissen und Traditionen resultiert.

Wissenschaftliche Untersuchungen widerlegen die Argumente der Chemie- und Lebensmittellobby und zeigen, dass die Ernährung der Welt auf der Grundlage einer pestizidfreien Landwirtschaft möglich ist. Es ist in erster Linie eine politische Entscheidung. Nicht-chemische Alternativen zum Pestizideinsatz existieren. Das stellen ökologisch wirtschaftende Betriebe und die Bewirtschaftung nach agroökologischen Prinzipien täglich unter Beweis. Ob politische Instrumente der EU wie die kurz vor der Veröffentlichung stehende „Farm to Fork“ Strategie und die Biodiversitätsstrategie nach 2020 zweckdienlich sind und zu einem Wandel hin zu einer Pestizidreduktion und Umstellung auf Agrarökologie beitragen können, hängt von einer ambitionierten Zielsetzung und der Formulierung konkreter Maßnahmen ab. Deshalb fordern die insgesamt 87 unterzeichnenden europäischen NGOs die EU Kommission auf, die Forderungen der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“, die bereits von mehr als einer Viertelmillion EU-Bürger*innen unterstützt wird, in diese Strategien einzubetten. Insbesondere die drei Kernziele sollen kompromisslos anerkannt und umgesetzt werden:

  1. den Ausstieg aus der Verwendung chemisch-synthetischer Pestizide in der EU Landwirtschaft einleiten, indem sie sich das Ziel setzen, den Einsatz bis 2030 um 80 % zu reduzieren und bis 2035 auslaufen zu lassen.
  2. ehrgeizige Ziele zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt, insbesondere in landwirtschaftlichen Gebieten, festlegen. Landwirtschaft und biologische Vielfalt schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern müssen sich gegenseitig befruchten.
  3. die Landwirt*innen beim Übergang zu einer naturverträglichen Landwirtschaft unterstützen. Die Reformvorschläge der GAP müssen stark aufgewertet werden, um die Landwirt*innen finanziell und technisch zu unterstützen, indem der kleinräumigen, vielfältigen und nachhaltigen Landwirtschaft auf der Grundlage der Agrarökologie Vorrang eingeräumt wird.

 

 

Unterstützen auch Sie mit Ihrer Unterschrift die europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ – Jede Stimme zählt!




Open NGO letter: European Green Deal needs to cut pesticides and switch to agroecology (EN)

We are writing to you as supporters of the European Citizens Initiative Save Bees and Farmers1 which has been already supported by over a quarter of a million EU citizens.

The significant decline of bees and pollinators in Europe and worldwide, together with the wider collapse of biodiversity we are currently witnessing has rightly raised alarm in the scientific community and general public. Experts have declared that “business as usual” cannot remain an option2,3. It is now finally widely accepted that our food production model is a major driver of this ecology collapse, largely because of the massive use of synthetic pesticides it relies upon.