Pestizidhersteller und Menschenrechte
PAN Germany Pestizid-Brief 2 – 2018
Im Juni veröffentlichte das Freiburger Ăko-Institut den Bericht âUmweltschutz wahrt Menschenrechteâ im Kontext globalen Unternehmenshandelns (1). Eine Fallstudie in diesem Bericht ist den Pestizidexporten von BASF und Bayer gewidmet. âProdukte die im eigenen Land aufgrund ihrer GefĂ€hrlichkeit nicht zugelassen sind, sollten auch nicht ins Ausland verkauft werden dĂŒrfen. Ein solcher Doppelstandard fĂŒhrt dazu, dass die GefĂ€hrdung von Menschen und Ăkosystemen bewusst in Kauf genommen wirdâ, lautet das Fazit des Berichts, der sich damit langjĂ€hrigen Forderungen von PAN anschlieĂt, und sich somit folgerichtig in seinen Empfehlungen fĂŒr eine Weiterentwicklung des Code of Conduct der WelternĂ€hrungsorganisation (FAO) und die Anpassung einschlĂ€giger Regelungen ausspricht.
Export hochgefĂ€hrlicher Pestizide – die Datenbasis
Der Export von Pestiziden ist in Deutschland eine feste ökonomische GröĂe. Im Durchschnitt der letzten fĂŒnf statistisch verfĂŒgbaren Jahre (2012-2016) waren es â bezogen auf die Wirkstoffe â 65.651 Tonnen pro Jahr, 42 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum im Inland verkauft wurde (2). Dass der Löwenanteil der exportierten Menge von Bayer CropScience und BASF kommen dĂŒrfte, liegt auf der Hand. Die exportierten Pestizide schlieĂen Wirkstoffe der Kategorie âhochgefĂ€hrliche Pestizideâ (3), HHPs in der englischen AbkĂŒrzung, ein, von denen einige, aber lĂ€ngst nicht all in Deutschland bzw. in der EU verboten sind. Ein Anwendungsverbot ist eben noch lange kein Produktionsverbot. Hinzu kommt, dass diese multinationalen Konzerne ihre Pestizide nicht nur aus Deutschland exportieren, sondern ggf. von auslĂ€ndischen Tochterunternehmen herstellen lassen. Zum Beispiel betreibt der Bayerkonzern den Recherchen des Ăko-Instituts zufolge Produktionsanlagen an ĂŒber 130 Standorten in 34 LĂ€ndern, was vom Ăko-Institut aufgrund der anstehenden Fusionen und VerkĂ€ufe von Unternehmensteilen zu Recht als Momentaufnahme bezeichnet wurde.
Der Bericht des Ăko-Instituts Freiburg (1) befasst sich beispielhaft mit solchen HHP-Wirkstoffen, die in der EU nicht zugelassen sind und nutzt als Ausgangspunkt die HHP-Liste von PAN International (4) sowie die Rechercheergebnisse von PAN Germany zu HHPs von Bayer und BASF aus dem Jahr 2012 (5). Als Beispiele werden in dem Bericht folgende Wirkstoffe aufgefĂŒhrt, die in LĂ€ndern wie SĂŒdafrika, Indien oder Brasilien vermarktet werden: Carbofuran (Bayer, hohe akute ToxizitĂ€t, hochtoxisch fĂŒr Bienen), dem Rotterdamer PIC-Ăbereinkommen unterliegend (6), Acephate (Bayer, hochtoxisch fĂŒr Bienen), Thiodicarb (Bayer, wahrscheinlich krebserregend beim Menschen, hochtoxisch fĂŒr Bienen), Tepraloxydim (BASF, hormonschĂ€dlich) und Temephos (BASF, hochtoxisch fĂŒr Bienen). Auf Anfrage des Ăko-Instituts teilte Bayer in einer Stellungnahme mit, dass der Vertrieb des Produkts Tamaron Gold (Wirkstoff Acephat) eingestellt worden sei. Allerdings wird das Produkt Tamaron Gold auch nach Eingang dieser Stellungnahmen und (wie eine gerade durchgefĂŒhrte ĂberprĂŒfung ergab) bis zum heutigen Tag auf der indischen Website des Unternehmens beworben (7), was die GlaubwĂŒrdigkeit der Konzernaussage erheblich schmĂ€lert.
Bewertung der Menschenrechtsperspektive – die Rechtsgrundlage
Der besondere Wert des Berichts des Ăko-Instituts besteht in der VerknĂŒpfung der HHP-Recherche mit einer juristischen Bewertung aus Menschenrechtsperspektive und einer Analyse der Managementprozesse bei Bayer und BASF. BezĂŒglich der Menschenrechte analysiert der Bericht die Möglichkeiten und Grenzen des Rotterdamer PIC-Ăbereinkommens.
FĂŒr Chemikalien, einschlieĂlich Pestiziden, die im Rotterdamer PIC-Ăbereinkommen gelistet sind, hat das importierende Land das Recht, vom Exporteur umfangreiche Informationen beispielweise zur ToxizitĂ€t und zu notwendigen SchutzmaĂnahmen fĂŒr die Anwendung des Pestizids bereit gestellt zu bekommen. Basierend auf diesen Informationen hat es das Recht, die Einfuhr zu beschrĂ€nken oder zu verbieten. Der Logik des Ăbereinkommens folgend, mĂŒssten im Fall einer solchen BeschrĂ€nkung bzw. eines solchen Verbots, die Staaten auch die eigene Herstellung beschrĂ€nken oder verbieten, wenn sie sich den Vorwurf der Anwendung doppelter Standards ersparen wollten.
In diesem Sinne wurde die EU-Verordnung 649/2012 erlassen, die das PIC-Ăbereinkommen in EU-Recht umsetzt. Doch die Entscheidungsgewalt ĂŒber BeschrĂ€nkungen oder Verbote bleibt in vollem Umfang bei den importierenden Staaten â in der âweiterhin leider fiktivenâ Annahme, so der Bericht des Ăko-Instituts, dass diese Staaten die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die sie gegenĂŒber ihren BĂŒrgern haben, wirksam durchsetzen wĂŒrden. DarĂŒber hinaus gibt es eine zentrale HĂŒrde, um extraterritoriale Menschenrechtsverletzungen deutscher Unternehmen zu sanktionieren: das sogenannte âgesellschaftsrechtliche Trennungsprinzipâ, dem zufolge âdie Rechte und Pflichten jeder rechtlich eigenstĂ€ndigen Gesellschaft unabhĂ€ngig voneinander zu ermittelnâ sind. Damit wird ein Zusammenhang des Fehlverhaltens voneinander unabhĂ€ngiger RechtstrĂ€ger ausgeschlossen. Die Konzernzentralen haften also grundsĂ€tzlich nicht fĂŒr das Verhalten ihrer Tochterunternehmen, egal wie groĂ der ökonomische Einfluss der Konzernzentrale ist (8). Dies ist ein klassisches Schlupfloch, um im Bereich der Menschenrechte nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. Noch unverbindlicher ist die Situation bezĂŒglich der Mitverantwortung bei Rechtsverletzungen von Zulieferern innerhalb der Wertschöpfungskette.
In Deutschland gibt es laut Bericht des Ăko-Instituts jedoch einen Ansatzpunkt, um tatsĂ€chliche Mitverantwortung bei den Konzernen einzufordern â das Deliktsrecht: âDanach sind Unternehmen dazu verpflichtet, die innerbetrieblichen AblĂ€ufe so zu strukturieren, zu organisieren und zu ĂŒberwachen, dass SchĂ€digungen Dritter im zumutbaren Umfang vermieden werden. Unternehmen haben also fĂŒr Gefahrensicherung in ihrem Organisationsbereich Sorge zu tragen; je gröĂer die Gefahren, desto intensiver sind die mit dieser Gefahrensicherung verbundenen Organisations- und Ăberwachungsverpflichtungen.â (8) Dass, auf dieser Basis gerichtliche Schritte tatsĂ€chlich möglich sind, zeigt ein Beispiel aus GroĂbritannien, wo eine Ă€hnliche Rechtsgrundlage besteht und wo die Klage von sambischen Bauern gegen einen britischen Bergbaukonzern vom Gericht zugelassen wurde.
Unternehmerische Managementprozesse auf freiwilliger Grundlage
Es gibt zwei internationale Richtlinien, die Handlungsempfehlungen fĂŒr die Konzerne aussprechen, allerdings auf freiwilliger Basis:
- der seit 1985 existierende International Code of Conduct on Pesticide Management, zuletzt 2017 aktualisiert (9), gemeinsam herausgegeben von FAO und WHO, und
- die UN Leitprinzipien zu Unternehmen und Menschenrechten (10)
Sowohl Bayer als auch BASF haben nach EinschĂ€tzung des Berichts vom Ăko-Institut eine Reihe von Managementprozessen im Bereich der Produktverantwortung eingefĂŒhrt. Beide Unternehmen haben sich öffentlich zum âCode of Conductâ (siehe oben) bekannt und unterstĂŒtzen die âNachhaltigkeits-Initiative der deutschen Chemieâ (11). Allerdings waren die beiden Unternehmen weder zu einem entsprechenden Interview mit dem Ăko-Institut bereit, noch zeichnen sich die öffentlich zugĂ€nglichen Dokumente âdurch eine besondere Detailtiefe ausâ, um die zurĂŒckhaltende Formulierung des Ăko-Instituts zu zitieren (12).
Nach Angaben des Ăko-Instituts zufolge haben beide Unternehmen gegenĂŒber 2012 die Zahl HHPs in ihrem Portfolio reduziert (13). Allerdings bleibt offen, wie viele Wirkstoffe davon aufgrund ausgelaufener Patente vom Markt genommen wurden, um Platz fĂŒr neue patent-geschĂŒtzte Pestizide zu machen. Das wurde vom Ăko-Institut nicht untersucht.
AbschlieĂend spricht der Bericht eine Reihe von Empfehlungen aus. Dazu zĂ€hlt, dass die Thematik der HHPs im Code of Conduct kĂŒnftig stĂ€rker berĂŒcksichtigt werden sollte und dass es nicht möglich sein sollte, âProdukte die im eigenen Land aufgrund ihrer GefĂ€hrlichkeit nicht zugelassen sindâ, ins Ausland zu verkaufen (14). DarĂŒber hinaus sieht das Ăko-Institut Handlungsbedarf fĂŒr die Weiterentwicklung der rechtlichen Grundlagen, um sicher zu stellen, dass âder tatsĂ€chlich bestehende Einfluss von Muttergesellschaften auch haftungsrechtlich relevant wird (14). Die Studie des Ăko-Institutes untermauert damit Forderungen der UN Sonderberichterstatterin fĂŒr das Recht auf Nahrung und von PAN International nach einem weltweiten verpflichtenden Vertrag zur Regulierung hochgefĂ€hrlicher Pestizide (HHPs) (15).
Insgesamt stellt die Fallstudie eine wichtige ErgÀnzung mit Blick auf das Agieren der Pestizidkonzerne im Ausland dar, wÀhrend sich das in Berlin ansÀssige European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) vor allem mit der binnenrechtlichen Verantwortung deutscher Chemiekonzerne beim Pestizidexport befasst hat (16).
(Dr. Peter Clausing, PAN Germany)
Anmerkungen
(1)Â Â Â Â Â Â Â Download ĂŒber https://www.oeko.de/presse/archiv-pressemeldungen/2018/deutsche-unternehmen-gefaehrden-umwelt-und-menschrechte/
(2)Â Â Â Â Â Â Â Siehe: http://www.bmel-statistik.de/fileadmin/user_upload/monatsberichte/SJT-3060720-2016.xlsx
(3)       Der Begriff wird im Pestizidbrief 3/2017 vom 27.9.2017 kurz erlÀutert (http://webarchiv.sub.uni-hamburg.de/weltweit/wayback/20180122104336/http://www.pan-germany.org/download/pestizid-brief/PB3_2017_Mexiko-Studie_Final.pdf
(4)Â Â Â Â Â Â Â https://pan-germany.org/download/pan-international-list-of-highly-hazardous-pesticides/?wpdmdl=412&ind=1521198756530
(5)       PAN Germany (2012): HochgefÀhrliche Pestizide von BASF, Bayer und Syngenta! http://archiv.pan-germany.org/pan-germany.org_180405/www.pan-germany.org/download/Big3_DE.pdf
(6)Â Â Â Â Â Â Â Rotterdam Convention on the Prior Informed Consent Procedure for Certain Hazardous Chemicals and Pesticides in International Trade, http://www.pic.int/
(7)Â Â Â Â Â Â Â https://www.bayer.in/products/products-from-a-to-z/product-detail-35.php (Zugriff 7.7.2018). Vgl. hierzu auch die von PAN Germany durchgefĂŒhrte ĂberprĂŒfung der Einhaltung der am 19.6.2013 ĂŒbernommenen Selbstverpflichtung von BASF, Bayer und Syngenta (http://webarchiv.sub.uni-hamburg.de/weltweit/wayback/20180122104154/http://www.pan-germany.org/download/Niederschrift_DE_130918_FF.pdf) bezĂŒglich des Verzichts auf die Vermarktung von hochtoxischen Pestiziden (WHO-Klasse 1a/1b)
(8)Â Â Â Â Â Â Â Siehe (3), S. 32
(9)Â Â Â Â Â Â Â http://www.fao.org/fileadmin/templates/agphome/documents/Pests_Pesticides
/Code/Code_ENG_2017updated.pdf
(10)Â Â Â Â https://www.ohchr.org/Documents/Publications/GuidingPrinciplesBusinessHR_EN.pdf
(11)Â Â Â Â https://www.chemiehoch3.de/de/home.html
(12)Â Â Â Â Siehe (3), S. 33
(13)Â Â Â Â Siehe (3), S. 35
(14)Â Â Â Â Siehe (3), S. 36
(16)Â Â Â Â https://www.ecchr.eu/fall/bayer-doppelstandards-beim-vertrieb-von-pestiziden/